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Reportajes internacionales

Politischer Auftakt für 2001

de Josef Gruber
Vereinigung der linken Kräfte: Ein neues Bündnis bereitet sich auf die Parlamentswahlen vorSondersitzung des Parlaments wegen gesteigerter Kriminalität: Aufsehenerregende Kriminalfälle führen zu einem Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition

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Vereinigung der linken Kräfte: Ein neues Bündnis bereitet sich auf die Parlamentswahlen vor
Sondersitzung des Parlaments wegen gesteigerter Kriminalität: Aufsehenerregende Kriminalfälle führen zu einem Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition


Vereinigung der linken Kräfte

Am 28.1.2001 - rund viereinhalb Monate vor den turnusmäßigen Parlamentswahlen - sind eine Reihe von linken Parteien und Vereinigungen eine Koalition eingegangen. Das neue Bündnis wurde im Sofioter Kulturpalast vorgestellt.

Die Formation trägt den Namen "Neue Linke - Koalition für Bulgarien" und setzt sich aus folgenden Parteien (nebst ihren Wahlslogans) zusammen:
    Bulgarische Sozialdemokratische Partei (BSDP):
    Für Freiheit - für Gerechtigkeit - für Solidarität

    Bulgarische Sozialistische Partei (BSP):
    Arbeit, Brot, Demokratie

    Vereinigter Block der Arbeit (des ehemaligen Vorsitzenden der ehemals staatstreuen, heute unabhängigen Gewerkschaften, Krastjo Petkov):
    Die Leute mit Unternehmungsgeist werden Bulgarien erneuern

    Politische Bewegung "Sozialdemokraten" (der zur BSP zurückgekehrte Teil der Eurolinken):
    Es ist an der Zeit!

    Bauernpartei "Alexander Stambolijski - 1899" (sog. "rote Landwirte"):
    Geben wir der Erde ihre Kraft zurück!

    Bulgarische Antifaschistische Union (integraler Bestandteil der BSP):
    Von der Vergangenheit werden wir das Feuer und nicht die Asche nehmen.

    Demokratische Frauenunion (integraler Bestandteil der BSP):
    Die Heimat - ein Heim für unsere Kinder

    Vaterländische Union und Union für das Vaterland (in totalitärer Zeit Vaterländische Front, integraler Bestandteil der BSP):
    Für Vernunft, für Realismus, für Einvernehmen

    Alternative Sozialliberale Partei (eine Abspaltung von der BSP, die zur Mutterpartei zurückgekehrt ist):
    Seien Sie Realisten - verlangen Sie das Unmögliche

    Bürgervereinigung "Roma":
    Für Arbeit, für Bildung, für Verantwortung

    Bewegung "Vorwärts Bulgarien" (des Schwiegersohns des ehemaligen Staats- u. Parteichefs Todor Shiwkov, Iwan Slawkov)
    Vorwärts, Bulgarien!

    Kommunistische Partei Bulgariens (eine von mehreren orthodox kommunistischen Formationen im Lande):
    Für eine Welt ohne Ausbeutung

    Romaverband "Europa":
    Für gleichen Start, Arbeit und Bildung

    Nationales Komitee zur Verteidigung der nationalen Interessen (wurde am 31.12. 1989 in Kardshali von Mitgliedern der BKP gegründet, "nationalistisch", d.h. gegen Türken):
    Alles für Bulgarien

    Politischer Klub Thrazien (Vertriebenenverbände aus dem ägäischen Thrazien, integraler Bestandteil der BSP):
    Vergessen Sie nicht, üben Sie aber keine Rache


    Die linke Koalition veröffentlichte ein "Projekt für einen Vertrag mit dem Wähler", in dem Kritik an der Regierungspolitik geübt und eine "neue politische Philosophie" dargelegt wird. Darin werden 10 Verpflichtungen gegenüber den Wählern übernommen:
    1. schnelles Wirtschaftswachstum;
    2. höhere Einkommen;
    3. Senkung der Arbeitslosigkeit;
    4. Erhöhung der Renten und bessere medizinische Betreuung der Rentner;
    5. besonderer Akzent auf die Kinder- und Jugendpolitik;
    6. Sorge um die sozial Schwachen;
    7. staatliche Unterstützung für die Landwirtschaft nach EU-Vorbild;
    8. besonderes Augenmerk auf Bildung, Kultur und Sport;
    9. außenpolitisch: Mitgliedschaft Bulgariens in NATO und EU, gute Beziehungen zu Russland und anderen traditionellen Partnern;
    10. moderne Umweltpolitik.

    Das Bündnis wurde von führenden Politkern des linken Spektrums als "breiteste Koalition in der bulgarischen Geschichte" gepriesen.

    Es wäre eine Mammutaufgabe, wollte man sämtliche Formationen, Bewegungen und Koalitionsversuche im linken Spektrum aufzählen und analysieren. Wegen organisatorischer, programmatischer und persönlicher Unvereinbarkeiten war es den linken Kräften jedenfalls bislang nicht geglückt, zu einer einigermaßen gedeihlichen Zusammenarbeit zu gelangen.

    Im folgenden einige grundsätzliche Überlegungen zur Neuen Linken:

    Trotz ihres möglicherweise in der Tat breit anmutenden Charakters ist diese Linkskoalition zumindest problematisch. Die weitaus stärkste, dominierende Kraft darin ist die Bulgarische Sozialistische Partei (BSP). Ihre Koalitionspartner sind mit Ausnahme der BSDP praktisch alle entweder integrale Elemente der Sozialistischen Partei selbst oder ihre (bzw. der ehemaligen Staatspartei BKP) Abkömmlinge von sehr geringem politischem Gewicht.

    Bedenklich ist zudem die Präsenz einer orthodox kommunistischen Kraft im Bündnis, die programmatisch mit den meisten anderen Formationen inkompatibel ist. Sie ist beispielsweise gegen eine Mitgliedschaft Bulgariens in der NATO. Dieselbe Abneigung gegen das nordatlantische Bündnis hegt die Antifaschistische Union, deren Vorsitzender Welko Walkanov aus diesem Grund die Neue Linke verlassen hat.

    Andererseits verwahrt sich ein Teil der Mitglieder der BSDP entschieden gegen eine Zusammenarbeit mit der BSP, weil sie die Sozialisten, die ja Postkommunisten sind, für nicht hinreichend reformiert erachten.

    Die unzufriedenen Mitglieder der BSDP haben sich verselbständigt und betreiben eine Annäherung an andere linke Kräfte wie der Eurolinken. Die BSDP hatte sich überdies vor längerer Zeit bereits einmal gespalten, kürzlich wurde in Zusammenhang damit die BSDP, die die Koalition mit der BSP eingegangen ist, per Gerichtsbeschluss für illegitim erklärt.

    Nach Ansicht des Vorsitzenden der Eurolinken, Alexander Tomov, ist die Neue Linke zu eklektisch, es finden sich kaum wirklich "neue" Politiker und außerdem stehe die BSP viel zu sehr im Mittelpunkt dieser Koalition, die im Grunde eine Art "BSP+", d.h. die BSP nebst einigen (sehr) kleinen Koalitionspartnern verkörpere.

    Der BSP-Vorsitzende Georgi Parwanov behauptet, die Neue Linke ziehe ca. 6-7% zusätzliche Wähler gegenüber der BSP an sich an. Theoretische Erwägungen sowie letzte Meinungsumfragen scheinen diese These jedoch nicht zu stützen. Im Gegenteil, das linke Bündnis in seiner gegenwärtigen Form stößt aufgrund der erwähnten Eigenarten möglicherweise sogar mehr potentielle linke Wähler ab als es neue anzieht.

    Laut einer Erhebung der Agentur Sowa-Haris bekunden bei der Sonntagsfrage 18,2% ihre Sympathie für die Neue Linke, was 4% weniger sind als einen Monat zuvor die "eigenständige" BSP auf sich vereinte.

    In derselben Umfrage 28,4% wollen ihre Stimme der Regierungskoalition der Vereinigten Demokratischen Kräfte (VDK) geben, was einen Zuwachs von 6% gegenüber dem Vormonat ausmacht. Sämtliche demoskopischen Institute verzeichnen seit geraumer Zeit steigende Umfrageergebnisse für die VDK.

    In diesem Sinne sind die Perspektiven der Neuen Linken für ein erfolgreiches Abschneiden bei den Wahlen trotz der optimistischen Ankündigungen ihrer Führungspersönlichkeiten einstweilen eher skeptisch zu beurteilen.



    Sondersitzung des Parlaments wegen gesteigerter Kriminalität

    In den letzten Wochen kam es zu einigen aufsehenerregenden Kriminalfällen, bei denen Unterweltbosse und ein Polizist ums Leben kamen, sowie zu einem tragischen Unfall, bei dem ein Beamter des Innenministeriums eine 16-jährige Schülerin in Sofia auf offener Straße erschoss. Diese Ereignisse wurden von der Opposition und der mehrheitlich regierungskritischen Presse für scharfe Angriffe auf das Kabinett als Ganzes und das Innenministerium im Besonderen genutzt.

    Besonders erbitterte Kritiker der Regierung sind dabei der ehemalige Innenminister Bogomil Bonev und ein ehemaliger Beamter des Innenministeriums, Kiril Radev, die mit einer Reihe von sensationellen, aber kaum belegten "Enthüllungen" über die Verstrickungen von Regierungskreisen in kriminelle Machenschaften aufwarteten. (Bonev hat eine Partei gegründet und ist auf eine politische Kariere aus.) Als abwegig, durch keinerlei handfeste Beweise gestützt und wohl politisch motiviert sind gewagte Beschuldigungen wie die des ehemaligen Hauptsekretärs des Innenministeriums, Zwjatko Zwetkov (BSP) sowie der besagten Bonev und Radev zu werten, Premier Kostov sowie seine Frau (?!) seien die "höchsten Bosse der Mafia" in Bulgarien.

    Am 6.2.2001 wurde aus gegebenem Anlass eine Sondersitzung des Parlaments durchgeführt.

    Die Parlamentsdebatten über die Kriminalität begannen mit 50-mintütigen Geschäftsordnungsfragen. Die VDK wollten lediglich eine Anhörung des Premiers sowie des Innen- und Justizministers, die Aussprache und die Verabschiedung einer Erklärung hingegen sollten am kommenden Dienstag erfolgen. Die BSP und Union für Nationale Rettung (UNR) bestanden auf eine unverzügliche Debatte.

    Nachdem die Variante der VDK durch eine Abstimmung angenommen wurde, erklärte die BSP, dass sie Konsultationen über die Einbringung eines Misstrauensantrags aufnimmt; die Fraktionen der BSP und UNR zogen danach aus dem Plenum aus. Die Fraktionsvorsitzende der größten Regierungspartei, der Union Demokratischer Kräfte (UDK), Ekaterina Michailova, bot als Kompromissvariante eine Debatte sowie am kommenden Dienstag eine weitere Sondersitzung an. Einige Sozialisten sowie der Abgeordnete von der UNR, Kemal Ejub, kamen daraufhin zurück.

    Anwesend waren ebenfalls Generalstaatsanwalt Nikola Filtschev, der Hauptsekretär des Innenministeriums, Slawtscho Bossilkov und der Vorsitzende des Obersten Gerichts, Iwan Grigorov, die jedoch nicht das Wort ergriffen.

    Ministerpräsident Iwan Kostov, Innenminister Emanuil Jordanov und Justizminister Teodosij Simeonov sprachen ziemlich ausführlich zur Sache und kündigten konkrete Schritte und Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung an. Kostov betonte ausdrücklich, dass er nicht vorhabe, kurz vor den Wahlen Umbesetzungen im Ministerrat vorzunehmen, weil dies das Kabinett und das Land destabilisieren würde. Außerdem sei er mit der Arbeit der Minister zufrieden.

    Zwei Vertreter der BSP wiederholten relativ allgemein gehaltene Thesen über die Eskalation von Gewalt und Kriminalität sowie über die vermeintliche Symbiose der Unterwelt mit den Regierungsparteien.

    Die Redner der Eurolinken Partei stellten sich eher auf die Seite der Regierung und brachten konstruktive Vorschläge ein. Sie glauben, dass die Eskalation der Kriminalität u.a. mit den bevorstehenden Wahlen zusammenhängt und von bestimmten Kreisen absichtlich geschürt wird.

    Kemal Ejub von der UNR forderte nachdrücklich den Rücktritt des Innenministers Emanuil Jordanov. Zugleich verlangte er von Iwan Kostov, die Vertrauensfrage zu stellen (d.h. nicht die UNR stellt einen Misstrauensantrag, sondern die UNR will, dass der Premier die Vertrauensfrage stellt).

    Die BSP ihrerseits bestand auf der Demission von Justizminister Teodosij Simeonov, Innenminister Jordanov und des Hauptsekretärs des Innenministeriums, Slawtscho Bossilkov.
    Der Vertreter der Eurolinken, Dragomir Draganov, sagte, dass er und vermutlich auch seine Partei ein Misstrauensvotum viereinhalb Monate vor den Wahlen nicht unterstützen würden.

    Die Fraktionsvorsitzende der UDK, Ekaterina Mihailova, betonte, dass die Regierung der VDK die einzige Kraft ist, die Straftaten aufklärt. In der Regierungszeit von Ljuben Berov und Jean Videnov 1992-97 sei kein einziges Kapitalverbrechen aufgeklärt worden. Damals habe man die Mafiabosse sogar absichtlich gedeckt. Die VDK zögerten darüber hinaus nicht, sich von Personen aus den eigenen Reihen zu trennen, wenn berechtigter Verdacht über ihre Verbindungen zu kriminellen Kreisen bestehe. Die BSP versuche demgegenüber, solche Leute auch weiterhin zu verteidigen, so jüngst geschehen mit dem Chef der in Konkurs gegangenen Ersten Privatbank und Oberbürgermeisterkandidaten für Sofia der Sozialisten 1995, Wenzislav Josifov, gegen den ein Verfahren eingeleitet wurde.

    Es wäre Haarspalterei, wollte man darüber streiten, ob es sich bei den letzten Vorfällen um einen "Gangsterkrig", wie die Opposition und die Presse behaupten, oder um die Häufung einiger schwerer Verbrechen in kurzer Zeit -so die Ansicht des Innenministers - handelt. Jedenfalls sind die hysterischen Reaktionen, wie sie in manchen Medien zu beobachten sind, doch eher überzogen. Eine gewisser Anstieg der Straftaten ist nicht zu leugnen, doch weist die Kriminalstatistik keine drastische Zunahme der Delikte in den letzten Wochen aus.

    Eine Eigentümlichkeit insbesondere der organisierten Kriminalität in Osteuropa ist, dass sie in der Nachwendezeit teilweise absichtsvoll durch staatliche Strukturen geschaffen und gefördert wurde und häufig mit ehemaligen geheimdienstlichen Seilschaften zusammenhängt. Sie trägt zudem grenzüberschreitenden Charakter und wird nach Meinung vieler Analysten vor allem durch Kreise in Russland geleitet und gelenkt.

    Insofern sind Äußerungen von Beamten des Innenministeriums, Geheimdienste ehemaliger Warschauer Paktstaaten versuchten in letzter Zeit, über die organisierte Kriminalität Einfluss auf die bulgarische Innenpolitik im Vorfeld der Parlamentswahlen zu gewinnen, sicher nicht ganz unplausibel. Eines der Wahlversprechen der VDK 1997 war die Bekämpfung der Kriminalität, die 1992-97 für bulgarische Verhältnisse beängstigende Ausmaße angenommen hatte. Die Statistik belegt, dass diese Zusage zumindest teilweise eingelöst wurde:


    19961997199819992000
    Registrierte
    Straftaten
    184 975228 219149 532132 897127 659
    Auf 100 000
    Einwohner
    2 2002 7281 8171 6231 558
    Aufgeklärte
    Straftaten
    83 097104 16485 08382 789k. A.
    Aufklärungsquote44,9%45,6%56,9%63,3%k. A.


    Eine verbesserte Tätigkeit des Innenministeriums ist unverkennbar. Eine weit größere Schwachstelle in der Verbrechensbekämpfung in Bulgarien bilden allerdings Staatsanwaltschaft und Justiz, denn der relativ hohen Aufklärungsquote stehen verhältnismäßig wenige rechtskräftige Verurteilungen gegenüber. Sehr zum Verdruss der Öffentlichkeit werden selbst Mafiabosse und Rückfalltäter oft gegen Auflagen, meist geringfügige Geldsummen, auf freien Fuß gesetzt, Gerichtsverfahren unendlich in die Länge gezogen usw. Die Ursachen für den unbefriedigenden Zustand der bulgarischen Justiz sind sowohl struktureller als auch personeller Natur und nicht ohne weiteres behebbar, weil sie z.T. in der verfassungsmäßigen Stellung der Rechtsprechung wurzeln.

    Es ist natürlich legitim, dass Parteien vor den Wahlen nach Möglichkeiten Ausschau halten, um sich darzustellen und zu profilieren. Ob indessen ein Misstrauensvotum, wie von der BSP und wahrscheinlich der UNR angestrebt, etwas mehr als zwei Monate vor der ohnehin fälligen Auflösung des Parlaments das geeignete Mittel dazu ist, mag bezweifelt werden.

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Thorsten Geißler

Leiter des Auslandsbüros Bulgarien

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