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Reportajes internacionales

Schwierige Regierungsbildung nach Wahlsieg von Sánchez in Spanien

de Dr. Wilhelm Hofmeister

Die Volkspartei erleidet eine verheerende Niederlage und verliert mehr als die Hälfte ihrer Mandate in der Abgeordnetenkammer

Ministerpräsident Pedro Sánchez ist der Sieger der spanischen Parlamentswahlen vom 28. April 2019. Zwar blieben der Stimmenanteil und die Zahl der Mandate seiner Sozialistischen Partei (PSOE) etwas hinter den durch Umfragen genährten Erwartungen zurück. Doch mit einem Stimmenanteil von 28,7% und 123 von 350 Mandaten in der Abgeordnetenkammer liegen Sánchez und die Sozialisten deutlich vor anderen Parteien. Im Senat hat die PSOE die absolute Mehrheit gewonnen. Pedro Sánchez kann Ministerpräsident bleiben. Doch seine Wiederwahl im Parlament und die Regierungsbildung sind schwierig. Einerseits findet sich Sánchez in der relativ bequemen Situation zwischen möglichen Partnern wählen zu können. Andererseits aber will er am liebsten alleine weiterregieren. Aufgrund der Zersplitterung des Parteiensystems wird erwartet, dass in Spanien erstmals seit der Rückkehr zur Demokratie 1978 auf nationaler Ebene eine Regierungskoalition aus mindestens zwei Parteien gebildet wird. Sánchez und die Sozialisten wollen das vermeiden. Zumindest bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament und den am gleichen Tag stattfindenden Kommunal- und Regionalwahlen in den meisten Autonomen Gemeinschaften sind ernsthafte Verhandlungen über eine Regierungsbildung nicht zu erwarten.

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Für Sánchez ist das Wahlergebnis auch eine nachträgliche Legitimation des konstruktiven Misstrauensvotums, mit dem er am 1. Juni 2018 in sein Amt kam. Vor allem die Volkspartei (Partido Popular, PP) hatte die Legitimität von Sánchez seither in Frage gestellt. Bei den Wahlen erlitt die PP aber nun eine schwere Niederlage und verlor mehr als die Hälfte ihrer Mandate in der Abgeordnetenkammer. Ihre Strategie, mit einem nationalpopulistischen Diskurs die Wähler von einer Stimmabgabe für die rechtspopulistische Vox abzuhalten, ist gescheitert. Auch in Spanien hat sich gezeigt, dass man den Populismus nicht mit den Mitteln des Populismus bekämpfen kann. Die Spanier haben es mit ihrer Stimme auch abgelehnt, dem Nationalismus und Separatismus in Katalonien vor allem mit Härte und einer Einschränkung der Autonomie zu begegnen. Der Dialog, den Sánchez versprochen hat, wird als politische Antwort auf den Separatismus offensichtlich von einer Mehrheit der Spanier befürwortet. Die Mehrheit der Spanier will eine Politik der Mäßigung und des Ausgleichs. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Parteien diesen Zuruf der Wähler befolgen werden.

Das Wahlergebnis

Die Wahlen am 28. April haben eine ungewöhnlich hohe Zahl von Wählern mobilisiert. Die Wahlbeteiligung betrug 75,75% und war die zweithöchste in der Geschichte der spanischen Demokratie seit 1978. Motivierend war die Polarisierung während des Wahlkampfes, die einerseits von der rechtspopulistischen Partei Vox angetrieben wurde, worauf andererseits Sánchez und die linkspopulistische Partei Unidas Podemos (UP) mit Warnungen vor einem Wahlsieg und einer Regierung der „extremen Rechten“ antworteten, weil die Volkspartei und die liberale Partei Ciudadanos eine Regierungsbildung mit Unterstützung durch Vox nicht ausschlossen. Zudem konnten auch die nationalistischen Parteien in Katalonien und dem Baskenland mit der Warnung vor Vox und der von der Volkspartei und Ciudadanos angedrohten Intervention in die regionale Autonomie zusätzliche Wähler mobilisieren. Am Ende haben die linken und auch die nationalistischen Parteien deutlich stärker von der Mobilisierung zusätzlicher Wähler profitiert; in Katalonien und im Baskenland haben sie ihren Stimmenanteil jeweils deutlich erhöht.

Deutlicher Sieg der Sozialisten und die Optionen von Pedro Sánchez

Die Sozialistische Partei erhielt ca. 2 Millionen Stimmen mehr als 2016 und gewann 123 der 350 Mandate in der Abgeordnetenkammer. In fast allen 53 Provinzen des Landes lag die PSOE vorn. Nur in Katalonien und dem Baskenland gewannen mit der ERC bzw. dem PNV nationalistische Parteien die relative Mehrheit. Von besonderer Bedeutung ist für die PSOE das gute Abschneiden in Andalusien und Katalonien. In Andalusien konnte sie nach der im Dezember erlittenen Niederlage mit 34,2% Stimmenanteil wieder aufholen. In Katalonien wurde die PSC, die Regionalpartei der Sozialisten, mit 23,2% zweitstärkste politische Kraft, mit nur einem Prozentpunkt Differenz zur wichtigsten nationalistischen Regionalpartei ERC und deutlichem Abstand zu Ciudadanos (11,6%) und PP (4,9%). Von großer Bedeutung ist auch, dass die PSOE die absolute Mehrheit im Senat gewann. Einer künftigen Regierung Sánchez droht daher in der zweiten Kammer keine Obstruktionshaltung mehr. Als weiteren Erfolg konnte die PSOE einen Sieg bei den gleichzeitig stattfindenden Wahlen in der Regionalen Autonomie Valencia verbuchen, einer früheren Hochburg der Volkspartei. Dort werden die Sozialisten auch in den nächsten Jahren einer Regionalregierung der linken Parteien vorstehen.

Trotz des guten Wahlergebnisses fehlen Pedro Sánchez für seine Wiederwahl noch 54 von 176 Stimmen für die absolute Mehrheit in der Abgeordnetenkammer. Er braucht die Unterstützung anderer Parteien. Nur in einer Konstellation gibt es eine Mehrheit zweier Parteien: bei einem Bündnis zwischen Sozialisten und der liberalen Partei „Ciudadanos“. Zusammen haben sie 180 Stimmen. Albert Rivera, der Vorsitzende von Ciudadanos, hat jedoch während des Wahlkampfs mehrfach ausdrücklich eine Allianz mit Pedro Sánchez ausgeschlossen. Am Tag nach der Wahl haben verschiedene Sprecher von Ciudadanos diese Ablehnung bekräftigt. Auch die Anhänger von Sánchez haben noch in der Wahlnacht mit „Rivera no“-Rufen deutlich gemacht, dass sie eine solche Allianz nicht wollen. Sánchez ließ offen, ob und wie diese Rufe seine Entscheidungen beeinflussen werden. Die Sozialisten und die Volkspartei kommen zusammen zwar auch auf eine Mehrheit, doch ein solches Zweierbündnis ist sehr unwahrscheinlich.

Eine andere Option für Sánchez ist die Unterstützung anderer Regional- und Linksparteien unter Ein- oder Ausschluss eines Teils der regionalen Nationalisten aus Katalonien. Pablo Iglesias, Vorsitzender der linkspopulistischen Partei Unidas Podemos, hat im Wahlkampf keinen Zweifel daran gelassen, dass er eine Koalitionsregierung mit den Sozialisten anstrebt. Allerdings braucht eine solche Allianz die Unterstützung weiterer Parteien. Zusammen mit den gemäßigten Regionalparteien PNV, Compromís, PRC und Coalición Canaria käme eine solche Allianz auf 175 Stimmen im Parlament. Sánchez würde damit zwar in einem ersten Wahlgang die notwendig absolute Mehrheit um eine Stimmme verfehlen. Doch in einem zweiten Wahlgang braucht er nur noch eine relative Mehrheit bzw. weniger „nein“ als „ja“-Stimmen. Einmal gewählt, wäre seine Regierung gewiss stabil, weil die kleinen Regionalparteien sich bei wichtigen Projekten mit einigen Zugeständnisse zufrieden geben. Doch Sánchez würde in hohem Maße von seinem Partner Pablo Iglesias abhängen. Eine Regierung, deren Agenda von Unidas Podemos mitdiktiert wird, würde erhebliche Risiken für die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität Spaniens bergen.

Ein noch größeres Risiko bedeutete die zusätzliche Einbeziehung der katalanischen Linksrepublikaner ERC in eine Regierungsallianz. Konservative Kommentatoren im Land bezeichnen eine solche Allianz als „Frankenstein-Regierung“. Mit den Stimmen der ERC hätte Sánchez zwar eine absolute Mehrheit in der Abgeordnetenklammer. Doch müsste er dafür einen hohen Preis in Form von Zugeständnissen an die Nationalisten bezahlen und sich beispielsweise für die Freilassung oder Begnadigung von Oriol Junqueras einsetzen, des Vorsitzenden der ERC, der als ehemaliger Vizepräsident von Katalonien wegen des illegalen Plebiszits von 2017 und der Unabhängigkeitserklärung angeklagt und inhaftiert ist.

Sánchez hat zwar verschiedene Optionen, doch keine entspricht seinen Präferenzen. Schon während des Wahlkampfs und auch am Tag nach der Wahl haben er und andere Vertreter der PSOE deutlich gemacht, dass sie weiterhin eine Alleinregierung der Sozialistischen Partei unter Einbeziehung einiger Unabhängigen anstreben und eine Koalitionsregierung gerne vermeiden würden. Zumindest vor den Europa-, Regional- und Kommunalwahlen wird Sánchez keine entscheidenden Schritte in Richtung einer parlamentarischen Allianz oder gar Koalition unternehmen. Auch für die Zeit danach sind langwierige Gespräche und Verhandlungen zu erwarten, ehe es zur Neuwahl des Ministerpräsidenten und der Bildung einer neuen Regierung kommen wird. Da die Sozialisten den Präsidenten der Abgeordnetenkammer stellen werden, können sie die parlamentarische Agenda kontrollieren und die Wahl des Regierungschefs lange hinauszögern.

Deutliche Niederlage der Volkspartei

Die Volkspartei (Partido Popular, PP) erzielte das schlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte. Die Niederlage übertraf sogar noch den in den Umfragen erwarteten Stimmenverlust. Gegenüber 2016 verlor die PP mehr als dreieinhalb Millionen Wähler. Ihr Stimmenanteil halbierte sich von 33 auf 16,7% und sie verlor mehr als die Hälfte ihrer 137 Mandate mit jetzt nur noch 66 Sitzen in der Kammer. Im Senat verlor die PP die absolute Mehrheit. Landesweit gewann sie nicht in einer einzigen der 17 Autonomen Regionen und konnte lediglich das eine Mandat in der autonomen Stadt Melilla wiedergewinnen. In nur vier der 53 Provinzen gewann sie eine relative Mehrheit. Besonders schmerzlich für die Partei sind die Verluste in ihren ehemaligen Hochburgen Galizien, Madrid, Castilla La Mancha und Castilla León. In ganz Katalonien gewann die PP nur ein Mandat, im Baskenland und Navarra blieb sie sogar ohne Mandat. In Madrid erreichte sie hinter Ciudadanos nur den dritten Platz.

Die Niederlage der PP ist selbst verschuldet. Nach seiner Wahl im Juli letzten Jahres hat der neue, jugendliche Vorsitzende Pablo Casado versucht mit einem konservativen Konzept und Diskurs das von manchen Parteianhängern als zu liberal empfundenes Profil von Mariano Rajoy zu schärfen. Während Rajoy bei dem Parteikonvent im März 2019 nur eine Statistenrolle zugewiesen bekam, gab Casado seinem politische Ziehvater José Maria Aznar eine große Bühne, die dieser nutzte, um den Neokonservativismus des jungen Parteiführers zu loben und als Marschrichtung der Partei zu unterstützen. Bei der Aufstellung der Wahllisten hat Casado alle Anhänger Rajoys und eines liberalen Kurses eliminiert und viele konservative und junge Kandidaten bevorzugt, auch wenn diese bisher kaum oder keine politische Erfahrung hatten. Selbst einige Toreros, die in der politischen Arena noch nie gekämpft hatten, nahm Casado auf die Parteilisten, um zu demonstrieren, dass die PP mit ihm zur Verteidigung der traditionellen spanischen Werte zurückgefunden habe. Sein wirtschaftsliberales Wahlprogramm mit erheblichen Kürzungen der Unternehmens- und Einkommenssteuer hat bei manchen Ökonomen angesichts des engen finanzpolitischen Spielraums der öffentlichen Hand Skepsis hervorgerufen. Offen blieb auch, wie die zum Ende des Wahlkampfs angekündigte Rentenerhöhung finanziert werden könnte. Dieser Vorschlag war offensichtlich eine Reaktion auf die schlechten Umfrageergebnisse.

Der wohl entscheidende strategische Fehler von Casado aber war, dass er sich und seine Partei nicht von der rechtspopulistischen Partei Vox durch einen Diskurs der Besonnenheit abgrenzte, sondern durch einen verbalen Radikalismus gegen die Nationalisten in Katalonien und den Ministerpräsidenten Sánchez die Wähler halten bzw. zurückgewinnen wollte, die zu Vox abzuwandern drohten. Anstatt vor Vox zu warnen und ein Umdenken von potentiellen Vox-Wählern anzuregen, hat er Vox imitiert. Im Hinblick auf Katalonien kündigte Casado eine Aussetzung der Autonomie an, ohne dass deutlich wurde, wie er den Separatismus politisch bekämpfen und eingrenzen will. Die verbalen Angriffe und Ausfälle gegen Pedro Sánchez wurden im Verlauf des Wahlkampfs und im Rhythmus der Veröffentlichung schlechter Umfragewerte immer aggressiver.

Den Wahlabend erlebte die PP als Scherbengericht. Auch am Tag nach der Wahl reagierte die Partei mit Sprachlosigkeit auf das Ergebnis. Da die Parteiführung ausschließlich mit Getreuen von Casado besetzt ist und auch der künftigen Parlamentsfraktion vorwiegend Personen angehören, die von Casado handverlesenen wurden, wird der Unmut in der Partei über das schlechte Ergebnis zumindest vorerst nicht zu personellen Konsequenzen führen. Generalsekretär García Egea hat in einer der wenigen Stellungnahmen am Tag nach der Wahl um Geduld mit der Parteiführung gebeten und daran erinnert, dass auch Aznar und Rajoy erst nach zwei Niederlagen Wahlen gewannen. Allerdings wird Casado einen deutlichen Kurswechsel vornehmen müssen, um die Volkspartei aus dem gegenwärtigen Tief zu führen. Ob das bereits bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und den Lokal- und Regionalwahlen möglich sein wird, ist fraglich. Denn auch bei diesen Wahlen hat der Vorsitzende viele Kandidaten ernannt, die eher einen strammen Konservativismus repräsentieren als politische Erfahrung. Die innerparteiliche Diskussion über die Konsequenzen aus dem Wahlergebnis ist zumindest auf die Zeit bis nach den Wahlen im Mai verschoben.

Ciudadanos: Konsolidierung trotz Schlingerkurs

Albert Rivera, der Vorsitzende der Partei „Ciudadanos“, war am Wahlabend erleichtert. Sein Schlingerkurs während des Wahlkampfes und der vergangenen beiden Jahre hat sich zumindest im Hinblick auf die Mandatsausbeute bestätigt. Ciudadanos hat eine Million Stimmen und 25 Mandate hinzugewonnen. Der Abstand zur Volkspartei beträgt nur noch einen knappen Prozentpunkt und neun Mandate. Dem Ziel, die Volkspartei als wichtigste Kraft der gemäßigten Rechten abzulösen, sind Rivera und Ciudadanos einen Schritt näher gekommen. In der Wahlnacht hat sich Albert Rivera deshalb bereits zum Oppositionsführer ausgerufen.

Während des Wahlkampfs hat Ciudadanos, ebenso wie die PP, ihre Angriffe vor allem auf die katalanischen Separatisten und Ministerpräsident Sánchez gerichtet und diesem eine zu große Nachgiebigkeit gegenüber den regionalen Nationalisten vorgeworfen. Ebenso wie die PP kündigte auch Ciudadanos einen Eingriff in die regionale Autonomie an, sofern die Nationalisten ihre separatistischen Ziele nicht aufgeben würden. Allerdings war Ciudadanos stärker als die PP um eine Abgrenzung zur rechtspopulistischen Vox bemüht – obwohl beide Parteien seit Dezember in Andalusien mit Unterstützung von Vox die Regierung stellen. Dennoch hat auch Rivera keinen Zweifel daran gelassen, dass er sich gegebenenfalls an einer von Vox unterstützten Regierung mit der PP beteiligen würde. Gleichzeitig hat er wiederholt und vehement eine Zusammenarbeit mit Sánchez und dessen Wahl im Parlament ausgeschlossen.

Bemerkenswert am Wahlergebnis von Ciudadanos ist, dass die harte Haltung gegenüber den Separatisten in Katalonien keine Früchte trug. Bei den dortigen Regionalwahlen im Dezember 2017 hatte Ciudadanos mit 25,4% das beste Ergebnis erzielt und jetzt kam sie nur noch auf 11,55% der Stimmen, obwohl ihre populäre regionale Sprecherin Inés Arrimadas, die Wahlsiegerin von 2017, die Wahlliste in Katalonien anführte.

Viele Kommentatoren waren überrascht, wie deutlich sich Rivera und Ciudadanos während des Wahlkampfes von Sánchez absetzten, weil sie dadurch ihre Position im politischen Zentrum aufgaben. Am Tag nach der Wahl hat Ciudadanos an dieser Position festgehalten und eine Allianz mit Sánchez ausgeschlossen. Auch im Fall von Ciudadanos muss man zunächst den nächsten Wahlgang Ende Mai abwarten, ehe vielleicht doch noch etwas Flexibilität für künftige Gespräche und eventuelle Allianzen mit der PSOE und Pedro Sánchez erkennbar wird.

Unidas Podemos drängt trotz Verlusten in die Regierung

Die linkspopulistische Partei Unidas Podemos (UP) hat gegenüber den beiden letzten Wahlen von 2015 und 2016 deutliche Einbußen erlitten und ihr blieben von 71 jetzt nur noch 42 Abgeordnete. Offensichtlich hat sie ihren Zenit überschritten. Verschiedene interne Konflikte und die Austritte einiger prominenter Mitglieder in den letzten Monaten haben diese Partei geschwächt. Möglicherweise wäre ihr Ergebnis noch schlechter ausgefallen, hätte ihr Sprecher Pablo Iglesias nicht in den beiden Fernsehdebatten der Spitzenkandidaten eine ungewöhnlich moderate Rolle gespielt und sich den Wählern der Linken als Gralshüter linker Positionen gegenüber einem ideologisch und programmatisch unzuverlässigen Pedro Sánchez angeboten. Seitdem sich Sánchez und Iglesias im Frühjahr über einen Haushaltsentwurf verständigt hatten (der im Parlament keine Mehrheit fand, was zu den Neuwahlen führte), lässt Iglesias keinen Zweifel daran, dass er sich als künftigen Regierungspartner von Sánchez sieht und dieser die Unterstützung von UP nur erhält, wenn er die UP in eine Koalitionsregierung aufnimmt. In der Wahlnacht erklärte Iglesias, Unidas Podemos sei „unverzichtbar“ für die Bildung einer neuen Regierung. Sánchez hat sich dazu bisher nicht explizit geäußert. Er weiß um das Risiko einer Allianz mit Iglesias. Und er hofft wohl auch, die Sorge anderer Parteien vor einer Regierungsbeteiligung von Iglesias könnte eventuell die Neigung fördern ihn zu wählen, wenn er auf einen solchen Pakt verzichtet.

Vox: gekommen um zu bleiben?

Auch Spanien hat nun mit Vox auf nationaler Ebene eine rechtspopulistische Partei im Parlament. Während des Wahlkampfes haben die Anführer von Vox vor allem mit nationalistischen Sprüchen eine Wiederherstellung der vergangenen Größe Spaniens versprochen, den regionalen Nationalisten ein Ende der regionalen Autonomien angedroht und mit vielen provokativen Äußerungen gegen die Gleichstellung von Frauen, gegen Migranten und für die Bewahrung traditioneller Werte wie den Stierkampf und die Jagd von sich Reden gemacht und Anhänger mobilisiert. Vox erhielt damit immerhin 2,6 Millionen Stimmen (10,3%) und wird 24 Abgeordnete in den Cortes haben. Der Großteil der Stimmen für Vox kommt von ehemaligen Wählern der Volkspartei. Allerdings wird Vox im Parlament eher eine Nebenrolle spielen, weil es auf ihre Stimmen bei der Regierungsbildung nicht ankommt. Ihr Vorsitzender Santiago Abascal behauptet, Vox sei gekommen, um zu bleiben. Doch das wird nicht nur von dieser Partei bestimmt, sondern auch von der Reaktion der übrigen Parteien. Aufgrund des spanischen Wahlrechts kann eine Erholung der Volkspartei rasch wieder zu erheblichen Einbußen von Vox führen, zumindest im Hinblick auf eine Vertretung in den Parlamenten. Allerdings muss auch für die Wahlen im Mai mit einem guten Abschneiden von Vox gerechnet werden, die nicht nur einige Vertreter ins Europäische Parlament entsenden wird, sondern wahrscheinlich auch in vielen Gemeinden und vielleicht auch in wenigen Autonomen Gemeinschaften eine entscheidende Rolle bei der Wahl örtlicher oder regionaler Regierungen spielen kann.

Stärkung der nationalistischen Regionalparteien

In verschiedenen Autonomen Gemeinschaften haben nationalistische Regionalparteien von der Polarisierung und Mobilisierung während des Wahlkampfes profitiert. Vor allem die Kampagne und die Drohungen von PP und Ciudadanos gegenüber den regionalen Nationalisten haben letztlich die Regionalparteien gestärkt. Das gilt besonders für Katalonien und das Baskenland, wo die Wahlbeteiligung mit 77,6% bzw. 74,5% deutlich höher war als bei früheren Wahlen. In Katalonien haben die Linksrepublikaner der ERC mit 24,59 % einen deutlichen Wahlsieg errungen. Sie erhielten mehr als doppelt so viele Stimmen wie Junts per Catalunya (JxCAT-JUNTS), die Partei des ins Ausland geflüchteten ehemaligen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont. ERC übernimmt damit die Führungsrolle der katalanischen Nationalisten. Ihr Vorsitzender Oriol Junqueras wurde jetzt als Listenführer zum Abgeordneten gewählt. Solange er in Haft ist, kann er sein Mandat allerdings nur mit Einschränkung wahrnehmen. Bei den Europawahlen ist er ebenfalls Spitzenkandidat von ERC. Zwar verfolgt ERC weiterhin das Ziel einer staatlichen Autonomie Kataloniens, ist dabei aber im Gegensatz zu dem von Brüssel aus agierenden Puigdemont zuletzt deutlich kompromisswilliger und bereit, dieses Ziel im Rahmen der verfassungsmäßigen spanischen Ordnung zu verfolgen. Nachdem das spanische Wahlgericht die Kandidatur von Puigdemont bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ausgeschlossen hat, wird dieser wahrscheinlich seine Protagonistenrolle des katalanischen Separatismus allmählich verlieren. Auch das kann zu einer Art politischer Lösung des Katalonien-Problems beitragen, obschon die Separatisten ihr Ziel staatlicher Unabhängigkeit nicht aufgeben werden.

Im Baskenland hat nicht nur die „gemäßigte“ Baskische Nationalpartei (PVN) ein Mandat hinzugewonnen (jetzt 6 Mandate). Auch die der ehemaligen Terrorbewegung ETA nahestehende radikal nationalistische Partei EH Bildu hat ihre Mandate in der nationalen Abgeordnetenkammer von zwei auf vier verdoppelt. Die Volkspartei, Ciudadanos und Vox haben dagegen im Baskenland kein einziges Mandat gewonnen. Das belegt, dass ihr Radikalismus auch die gemäßigten Wähler in den Regionen eher abgeschreckt hat.

Perspektiven

Nach den allgemeinen Wahlen vom 28. April 2019 in Spanien ist zu erwarten, dass Pedro Sánchez im Amt des Ministerpräsidenten bestätigt wird. Offen ist jedoch, wie und wann es zu seiner Wiederwahl durch die Abgeordnetenkammer kommt. Vor den Europa-, Regional und Kommunalwahlen am 26. Mai wird es keine Entscheidung und voraussichtlich nicht einmal ernsthafte Verhandlungen zwischen den verschiedenen Parteien geben, die Sánchez für seine Wahl braucht. Nach dem Urnengang im Mai sind noch einmal langwierige Verhandlungen zu erwarten. Es wäre dann gar keine allzu große Überraschung, wenn Sánchez sogar sein Ziel erreicht, noch einmal eine Alleinregierung der Sozialisten (mit einigen Unabhängigen) zu bilden, ohne einen Koalitionspartner in die Regierung aufzunehmen. Aus dem Unternehmerlager gab es bereits Stimmen, die Ciudadanos und die Volkspartei dazu aufriefen, Sánchez zu wählen, um eine Regierungsbeteiligung von Pablo Iglesias und Unidas Podemos zu verhindern. Sollte es dazu kommen, hätte Sánchez zwar sein Amt gesichert. Doch die spanische Politik wäre dauerhaft weiterhin vornehmlich mit sich selbst beschäftigt, weil dann im Land ständig über einzelne Regierungsvorhaben verhandelt werden müsste. Dass Spanien unter diesen Vorzeichen ein aktiverer Akteur im europäischen Kontext werden wird, ist schwer vorstellbar.

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