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Südafrika verspielt Chancen der digitalen Migration

de Frank Windeck
Neue Digitalkanäle bringen zwar mehr Programme, aber nicht mehr Vielfalt in die südafrikanische Medienlandschaft – von mehr Qualität ganz zu schweigen. Die Gründe dafür liegen vor allem in den Regeln, die die Regulierungsbehörde des Landes mit den neuen Angeboten verknüpft.

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Der Wechsel von analoger zu digitaler Übertragungstechnik ist ein Vorgang, den in Deutschland bis vor einigen Jahren nur technikverliebte Computerexperten, fernsehsüchtige Stubenhocker und eben die Medienindustrie selbst interessierte. Dies hat sich grundlegend geändert, seit das terrestrische Digitalfernsehen mithilfe sogenannter Settop-Boxen an den Start ging und den Fernsehempfang per Antenne qualitativ verbesserte sowie eine ganze Reihe neuer Angebote möglich machte. Einen weiteren Schub entfachten digitale Flachbildschirme, die in einem unvergleichlichen Siegeszug die Wohnzimmer der Republik eroberten und dadurch den Spaß der Zuschauer an HD (High Definition)- Programmen mit nochmals deutlich verbesserter Qualität weckten.

Südafrika ist in dieser Hinsicht weit zurück. Nicht nur bleiben die schmucken Flachbildschirme, ob LED oder Plasma, der wohlhabenden Mittel- und Oberschicht vorbehalten, die meisten Südafrikaner empfangen ihr Fernsehprogramm bisher über das analoge terrestrische Angebot mithilfe einer Antenne im oder am Haus, was die Auswahl der Sender auf insgesamt magere vier Programme begrenzt. Diese sind dafür wenigstens frei empfangbar. Drei dieser Kanäle stammen von der quasi öffentlich-rechtlichen Anstalt SABC (South African Broadcasting Corporation), der Vierte im Bunde ist e-tv, ein kommerzieller, voll werbefinanzierter Anbieter. Wer sich darüber hinaus mehr Vielfalt im Wohnzimmer leisten möchte, investiert seinen hart verdienten Rand in Satellitenfernsehen des Anbieters M-Net, der eine recht große Auswahl an Kanälen bereithält, sich dieses Angebot aber auch teuer bezahlen lässt.

Digitalangebote werden den südafrikanischen Medienmarkt verändern

Bei allen Beschränkungen gibt es aber dennoch Bewegung auf dem südafrikanischen Medienmarkt, denn auch hier kommt mittlerweile das an, was Kommunikationsexperten die digitale Migration nennen. Damit ist der Wechsel von analoger- zu digitaler Übertragungs- und Empfangstechnik gemeint.

Die technischen Voraussetzungen für die Implementierung von terrestrischem Digitalfernsehen sind inzwischen vorhanden, wobei die Vorteile für alle Beteiligten klar auf der Hand liegen. Während eine analoge Frequenz bei der Übertragung eben genau einen Fernsehkanal transportieren kann, schafft dieselbe Frequenz im Digitalbereich bis zu acht Kanäle, gebündelt im sogenannten Multiplexverfahren. Dieses Verfahren eröffnet völlig neue Möglichkeiten für Medienunternehmen einerseits und deren Kunden andererseits, denn über den digitalen Übertragungsweg können theoretisch nicht nur TV-, sondern auch Radioprogramme und sogar Webdienste in großer Vielfalt angeboten werden.

Die südafrikanische Rundfunkregulierungsbehörde ICASA (Independent Communications Authority of South Africa) hat in einem ersten Schritt zunächst drei Multiplexstränge vorgesehen. Jeweils einen Strang für die SABC, das werbefinanzierte Privatfernsehen und das Bezahlfernsehen von M-Net. In einer Übergangsphase von etwa vier Jahren sollen alle Anbieter ihre Programme zunächst parallel auf beiden Plattformen, also analog und digital, ausstrahlen. Dies ist der Zeitraum, den die Verantwortlichen bei ICASA veranschlagen, wenn es um die Ausstattung der Zuschauer mit den nötigen Settopboxen geht, ohne die die digitalen Programme mit herkömmlichen analogen Fernsehern nicht empfangen werden können. Außen vor sind hier wieder die wenigen Privilegierten, die bereits heute über digitale Flachbildschirme in den Wohnzimmern verfügen.

Erste verspielte Chance: Unerfüllbare Pläne statt öffentlich-rechtlichem Mehrwert

Mit der Zuteilung der drei Stränge und den dazugehörigen Regelungen, die ICASA kürzlich veröffentlicht hat, kommen jedoch Probleme, die die Regulierungsbehörde bei besserer Vorbereitung des Vorhabens hätte vermeiden können. Am offenkundigsten wird dies bei der Zuteilung des ersten Multiplexstrangs an SABC. Zur Erinnerung: Ein Strang kann bis zu acht Kanäle beherbergen. SABC verfügt momentan über drei nationale Fernsehkanäle und einen sogenannten Community-Fernsehkanal, bisher alles analog. Mit den existierenden vier Angeboten ist dieser erste Strang also nur zur Hälfte belegt. Nun hätte SABC die Möglichkeit, mithilfe der vier zusätzlich vorhandenen Digitalkanäle die Art von Informationen zu transportieren, für die sich sonst keine Gelegenheit bietet, wie etwa Bildungsprogramme oder Wissenschaftssendungen. Eine klassische Spielwiese für einen Sender mit öffentlich-rechtlichem Auftrag, erst recht in einem Land mit einem nachgewiesen mangelhaften Bildungsstand. Leider entpuppt sich diese Vision aber als Illusion erster Güte, denn SABC befindet sich in einer prekären Lage. Der Sender hat durch Missmanagement, Korruption und Nepotismus nach Medienberichten alleine in diesem Jahr ein Defizit von über 780 Millionen Rand, das sind umgerechnet knapp 70 Millionen Euro, angehäuft und torkelt dabei von einer hausgemachten Krise in die Nächste. Zulieferer werden nicht mehr bezahlt, Produktionsfirmen vertröstet. Bisher eher nadelstichartige Streiks der Mitarbeiter machen darauf aufmerksam, dass das Personal auf seine tariflich vereinbarten Rechte pocht und eben diese Streiks in Zukunft weiter ausweiten könnte, sollten die Arbeitsverträge nicht eingehalten werden. Ein Sendeausfall auf einem oder sogar mehreren Kanälen läge dann durchaus im Bereich des Möglichen. Der SABC-Board wurde bereits komplett ausgetauscht, einige Führungskräfte mussten ebenfalls gehen. Viele Experten stellen sich nun die Frage, wie ein praktisch zahlungsunfähiger Sender neben seinem normalen Senderepertoir auch noch weitere Kanäle auf die Beine stellen soll, die obendrein einem öffentlich-rechtlichen Anspruch gerecht werden müssten, mithin also nur zu einem recht hohen Produktionspreis zu haben wären. Unabhängige Beobachter wie MediaMonitoring Africa etwa sehen in den Plänen denn auch eine Verschärfung der SABC-Krise, anstatt eine Unterstützung des angeschlagenen Senders.

Mit seiner Konzentration auf den Fernsehmarkt lässt ICASA im Übrigen die anderen Verbreitungsmethoden weitestgehend außen vor. Damit wird eine große Chance des Multiplexverfahrens vertan, denn Fernseher könnten mit der terrestrischen Übertragung von Radiosignalen auch als Abspielgeräte für die vielen SABC-Radioprogramme genutzt werden, die in allen offiziellen Landessprachen ausgestrahlt werden. So könnte man vermeiden, dass die für SABC reservierten digitalen Kanäle brachliegen und trotzdem einen Mehrwert schaffen. Denn zu glauben, dass SABC in nächster Zukunft in der Lage sein wird, weitere TV-Inhalte zu produzieren, ist unrealistisch. Bleibt die bisherige Strategie von ICASA unverändert, werden sich gerade die Armen in der Bevölkerung in Zukunft weiterhin zwei Geräte anschaffen müssen, um ihren „Public Broadcaster“ zu empfangen.

Zweite verspielte Chance: Dudelfunk statt Vollprogramm mit Anspruch

Der zweite Multiplexstrang geht an die frei empfangbaren, werbefinanzierten Sender. Davon gibt es in Südafrika zurzeit lediglich einen, nämlich e-tv. Nach den ICASA-Planungen werden dem Veranstalter zukünftig zwei bis drei weitere Kanäle zur Verfügung gestellt, die er dann frei nutzen kann. Einer davon wird das analoge e-tv sein, der Zweite ebenfalls e-tv, nur eben digital aufbereitet. Für die restlichen Kanäle gibt es zurzeit keine weiteren Einschränkungen. Was auf den ersten Blick als liberales Modell durchgehen könnte, erweist sich jedoch bei genauerem Hinsehen als verpasste Möglichkeit. Die fehlenden Regularien für die zusätzlichen Programme werden nämlich aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass billiges US-amerikanisches Fernsehmaterial in der Dritt- und Viertverwendung zur Ausstrahlung kommen und der Anbieter auf ein gehaltvolles Vollprogramm mit Nachrichten, Serviceelementen und Magazinsendungen aus Kostengründen verzichten wird. Anstatt also die Entwicklung des privaten TV-Sektors in Südafrika voranzubringen und auch SABC durch ernstzunehmende private Konkurrenz besser zu machen, wird das große Potenzial der zusätzlichen Kanäle verschwendet. Damit jedoch nicht genug. Weitere Regularien zum werbefinanzierten digitalen terrestrischen Fernsehen fehlen auch an anderer Stelle. Dies bringt e-tv in die Situation, ungleich mehr Geld für seine Ausstrahlung ausgeben zu müssen, als bisher. Das könnte den Sender in ernste finanzielle Schwierigkeiten bringen und ist unter Wettbewerbsgesichtspunkten äußerst fraglich. Dies weiß man auch bei e-tv und hat daher Klage gegen die ICASA-Pläne eingereicht. Der Ausgang dieses Verfahrens ist zurzeit noch völlig offen.

Dritte verspielte Chance: Marktkonzentration statt medialer Diversifizierung

Der dritte Multiplexstrang geht an den Pay-TV Anbieter M-Net. Dieser strahlt ohnehin bereits digital über seine Satellitenplattform MultiChoice aus, teilweise sogar schon im modernen HD-Format. Insgesamt bedient M-Net aber eben nur einen sehr kleinen, dafür aber finanzstarken Markt von etwas über eine Million Kunden, von denen noch nicht einmal alle in Südafrika leben. In diese Zahl werden nämlich auch Kunden vom Rest des Kontinents eingerechnet. Hier wird die dritte große Chance vergeben. Anstatt den TV-Markt vielfältiger zu gestalten und den Multiplex an verschiedene neue Kandidaten, zum Beispiel aus dem Lager des sogenannten BEE (Black Economic Empowerment) zu verteilen, wird ein ohnehin bereits äußerst starker Anbieter weiter aufgebaut.

Potenzial für eine echte Innovation hat lediglich der Plan von ICASA, zwei weitere Multiplexstränge nur für die Ausstrahlung auf Mobiltelefone bereitzuhalten. Wenigstens dieser Plan berücksichtigt die afrikanischen Realitäten, denn auch wenn sich viele Südafrikaner gar keinen Fernseher leisten können, Handys gibt es überall. Und sie werden extensiv genutzt. Bis zur Fußballweltmeisterschaft Mitte 2010 sollen die Kanäle in Betrieb sein, ob mögliche Anbieter bis dahin aber schon so weit sein werden und die neuen Möglichkeiten wirklich nutzen können, ist dagegen fraglich. Die verbleibende Zeit wird mehr als knapp und ICASA hält sich mit genaueren Aussagen zum Thema bisher bedeckt. Nicht nur das angesprochene Gerichtsverfahren von e-tv wird die weitere Fortentwicklung verzögern. Von Anfang an wurde in Südafrika mit äußerst optimistischen Zeitplänen operiert. Die Einführung von terrestrischem Digitalfernsehen hat in Europa viele Jahre gedauert. In Deutschland beispielsweise sind seit dem Beschluss der Bundesregierung zur Digitalisierung des terrestrischen Fernsehens bis heute immerhin elf Jahre vergangen. Zurzeit ist eine Netzabdeckung von knapp 90 Prozent erreicht. Und dabei wurde hierzulande die Anschaffung digitaler Endgeräte oder die Aufrüstung der analogen Fernseher mit Settopboxen komplett den Fernsehzuschauern selbst überlassen. 700 Rand (circa 62 Euro) für eine Settopbox kann sich ein Großteil der südafrikanischen Bevölkerung aber nicht leisten. Der Staat wird massive Subventionen einsetzen müssen, um die Versorgung mit den Zusatzgeräten zu gewährleisten. Darüber hinaus müssen die Geräte erst einmal in geeigneter Stückzahl produziert und auf den Markt gebracht werden. Ob dies in so kurzer Zeit gelingen kann, muss ebenso angezweifelt werden.

Vertrauen der Bürger in das Fernsehen darf nicht ungenutzt bleiben

Einziger Lichtblick dabei ist, dass eine längere Vorbereitungs- und Übergangszeit der ICASA und allen Beteiligten ausreichend Gelegenheit geben wird, die Lage zu überdenken und angemessene Lösungen zu finden. Lösungen, die neben den wirtschaftlichen Interessen der Industrie und den Nöten und Bedürfnissen der Menschen vor allem eines im Fokus haben sollten: die Nutzung der digitalen Migration zur Produktion von qualitativ hochwertigen Inhalten, um die Bildung der Bevölkerung voranzubringen und die noch junge Demokratie am Kap weiterzuentwickeln. Wie wichtig die Rolle des Fernsehens dabei sein könnte, zeigen die Ergebnisse des von der KAS unterstützten World Value Survey für Südafrika. Im Jahr 2006 wurden die Bürger im Rahmen der Untersuchung nach der Glaubwürdigkeit südafrikanischer Institutionen befragt. Das hohe Maß an Vertrauen, welches die Befragten dabei dem TV aussprachen, war verblüffend. Fernsehen landete mit einer Zustimmung von über 71 Prozent auf Platz drei einer Liste von insgesamt 20 abgefragten Institutionen. Nur noch die Kirchen und der Staatspräsident genossen mehr Vertrauen. In einer vorhergehenden Befragung aus dem Jahr 2001 schnitt das Fernsehen sogar noch besser ab und belegte den zweiten Platz mit über 74 Prozent Zustimmung.

Die Untersuchungen ergeben, dass das Medium Fernsehen am Kap für glaubwürdiger gehalten wird als Regierung, Parteien und Gewerkschaften. Selbst das Verfassungsgericht des Landes mit seinen mutigen Richtern wird von der Bevölkerung schlechter eingestuft. Es wäre ein unentschuldbares Versäumnis, wenn dieser Vertrauensvorsprung in das Medium ungenutzt bleiben würde und der rein technische Vorgang der digitalen Migration nicht zum Vorteil der demokratischen Entwicklung genutzt werden würde.

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Sankt Augustin Deutschland