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Reportajes internacionales

Umbruch im Nahen Osten (3)

Ägypten und die Folgen der Irakintervention

Der militärische Zusammenbruch und die jetzt beginnende politische Neuordnung des Irak haben nicht nur außergewöhnliche Auswirkungen auf die politische Ordnung des Nahen Ostens, sondern auch und vor allem für die traditionell herausgehobene Position Ägyptens als Statthalter bzw. Vermittler us-amerikanischer Interessen in der Region.

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Die traditionelle Vermittlerrolle Ägyptens im Nahen Osten

Nach dem Paradigmenwechsel in der ägyptischen (aussen-) politischen Orientierung unter Sadat mit der strategischen Wiederannäherung an die Vereinigten Staaten und dem von den USA beförderten Friedensschluss mit Israel wurde Ägypten, neben Saudi Arabien und dem Iran in den siebziger Jahren zu einem der Hauptverbündeten der Vereinigten Staaten in der Region.

Gleichzeitig wurde Ägypten von seinen arabischen Nachbarstaaten isoliert und wegen des einseitigen Friedenschlusses mit Israel (wenn auch nur vorübergehend) aus der Liga der Arabischen Staaten ausgeschlossen.

Nach der Ermordung Sadats und der schrittweisen Reintegration Ägyptens in die Arabische Welt bzw. Liga, erlangte das Land unter der neuen Führung Hosni Mubaraks jedoch schon bald wieder seine traditionell herausgehobene politische Stellung im Nahen Osten. Nicht nur, dass Ägypten -neben Israel- zum bevorzugten Entwicklungshilfeempfänger der Vereinigte Staaten wurde, das Land spielte schon bald die entscheidende Vermittlerrolle im Rahmen des politischen Dialog der Vereinigten Staaten mit den Konfliktparteien im Nahen Osten.

Die Tatsache, dass Ägypten auf diese Weise wieder zur regionalen Führungsmacht aufgestiegen ist, gilt als große, wenn nicht größte Leistung des amtierenden ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak, der „besondere Beziehungen“ zu den Vereinigten Staaten - trotz immer wieder auftretender Meinungsverschiedenheiten - in seinen öffentlichen Verlautbarungen regelmäßig als strategische Basis seiner gesamten (Aussen-) Politik kennzeichnet.

Bis in die jüngste Vergangenheit profitierte Ägypten zudem von den verschiedenen politischen Interventionen der Vereinigten Staaten in der Region, sei es durch eine indirekte politische Aufwertung des Landes im Wege der erfolgreichen Begrenzung hegemonialer Bestrebungen arabischer Konkurrenten, wie etwa Irak und Syrien, oder durch die Bevorzugung Ägyptens gegenüber anderen Ländern in der Region bei der Ausstattung mit Entwicklungshilfe- und sonstigen Finanzmitteln von internationalen, multilateralen Geberinstitutionen wie der Weltbank und dem IWF.

Seit Beginn der neunziger Jahre konnte Ägypten auf diese Weise mit Hilfe der Vereinigten Staaten bzw. dieser Finanzhilfen ein Konzept zur Modernisierung der eigenen Industrie auf den Weg bringen, dass es dem Land ermöglichte, Anschluss zu finden an die sich verstärkt globalisierende Weltwirtschaft. Durch von internationalen Gebern grosszügig unterstützte Programme zur Liberalisierung der bis dahin eher von sozialistischen Reminiszenzen gekennzeichneten, rigiden Wirtschaftspolitik sollte der Weg Ägyptens zurück in die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung geebnet werden, der allein langfristigen wirtschaftlichen Erfolg und damit ein Überleben des Regimes versprach

Der drohende Einflussverlust Ägyptens nach der Irankintervention

In den letzten Monaten ist das Verhältnis Ägyptens zu den Vereinigten Staaten angesichts unterschiedlicher Positionen zur Art und Weise der Fortsetzung des Friedensprozesses im Nahen Ostens, aber auch enttäuschender Ergebnisse des politischen und wirtschaftlichen Reformprozesse in Ägypten immer stärker unter Druck geraten. Der Streit über die Restriktionen, denen sich Organisationen der ägyptischen Zivilgesllschaft in jüngster Zeit verstärkt ausgesetzt sehen und die zu einer vorübergehenden Inhaftierung und Verurteilung des auch über die amerikanische Staatsbürgerschaft verfügenden Regimekritiker und Reformprotagonisten Saadeddin Ibrahim geführt hatte, mögen ihren Teil dazu beigetragen haben, dass die Vereinigten Staaten ihr Verhältnis zu Ägypten in den letzten Monaten etwas in den Hintergrund haben treten lassen.

Während der israelisch-palästinensische Friedensprozess in eine Sackgasse geraten war, konnte Ägypten allein als Gastgeber der palästinensischen interfraktionellen Gespräche den Konfliktparteien und damit auch den Vereinigten Staaten seine „guten Dienste“ anbieten, wohl zuwenig um eine prominente Rolle und damit auch einen herausgehobenen Einfluss auf die neue Nahostpolitik der Vereinigten Staaten unter der neuen Bush - Administration für sich reklamieren zu können.

Nach wirtschaftlichen und politischen Fortschritten des Mubarak-Regimes in den neunziger Jahren, haben die politischen Ereignisse bzw. Entscheidungen der Vereinigten Staaten die ägyptische Führung in den letzten Monaten vielmehr in ein schwieriges Fahrwasser geführt. Nachdem die Vereinigten Staaten die Lösung der Irakkrise weder den Vereinten Nationen und schon gar nicht der Arabischen Liga überlassen haben, sah sich die ägyptische Führung dem Dilemma ausgesetzt, zum einen Verständnis für die us-amerikanische Haltung in der Irakkrise zu zeigen, zum anderen sich jedoch einer öffentlichen Meinung ausgesetzt zu sehen, welche sich -ähnlich anderen Ländern- äußerst kritisch mit dem militärischen Vorgehen der Vereinigten Staaten im Irak auseinandersetzte.

Die Notwendigkeit, die anfänglich in der ägyptischen Regierung augenscheinlich noch existierende Sympathie für die amerikanische Haltung gegenüber dem Regime Saddam Husseins angesichts wachsender öffentlicher Sympathiebekundungen für den irakischen Diktator, vor der ägyptischen Öffentlichkeit zunehmend verheimlichen zu müssen, forderte von der ägyptischen Regierung einen immer unangenehmeren politischen Spagat ab.

Als sich dann auch noch die offizielle Begründung für die Intervention im Irak aus den bekannten Gründen von der Eliminierung der Massenvernichtungswaffen auf das Ziel des Regimewechsels verlagerte, schien der ägyptischen Führung der Zeitpunkt gekommen, sich nun auch öffentlich mit der kritischen Haltung der ägyptischen Bevölkerung solidarisch zu erklären und die Politik der Vereinigten Staaten in der Region zu kritisieren bzw. rundheraus zu verurteilen.

Allerdings geschah dies in einer Weise bzw. auf der Grundlage von Argumentationen, die bei verschiedenen ägyptischen politischen Kommentatoren den Eindruck erweckte, die ägyptische Regierung würde die weitreichenden Folgen der Entwicklungen im Irak und deren Auswirkungen auf die Rolle und den zukünftigen Einfluss Ägyptens im Nahen Osten nicht hinreichend überblicken.

Die neuen politischen „Zeichen der Zeit“

Zwar schien es der ägyptischen Führung angesichte der neuerlichen militärischen Intervention der Vereinigten Staten in der Region und der erstmaligen Einnahme einer arabischen Hauptstadt durch amerikanische Militärs zu Recht so, als wollten die Vereinigte Staaten als einzig verbliebene Weltmacht in Zukunft verstärkt durch eigene direkte (Militär-) Intervention in der Region Politik machen, sie schien jedoch nicht sofort zu erkennen, dass dies nicht ohne Folgen für die bisherige Nahostpolitik der Vereinigten Staaten und damit auch die herausgehobene Rolle Ägyptens als wichtigem politischen Vermittler in der Region bleiben konnte.

Schon bald zeigte die politische Auseinandersetzung mit Syrien, dass die Vereinigten Staaten nun offensichtlich bereit waren, unter dem „Banner der Demokratisierung“ in Zukunft verstärkt und viel unverblümter innere Probleme verschiedener arabischer Staaten anzuprangern, als dies bisher der Fall war bzw. vorstellbar schien.

Mit Syrien geriet nach dem Irak dabei ein Land in die Schusslinie der amerikanischen Außenpolitik, dass in den Jahrzehnten der Präsidentschaft Hafez el Assads zumindest nominell über eine ähnliche politische Ordnung verfügte wie der Irak und bis zu einem gewissen Grad auch Ägypten. Erst als Ägypten sich verstärkt dem Westen und amerikanische Vorstellungen von einer friedlichen Lösung des Nahostkonflikts öffnete und entsprechende innenpolitische Zugeständnisse gemacht hatte, sah sich die syrische Führung zur Wahrung ihrer Interessen und ihres Status in der arabischen Region in die entgegengesetzte, eher anti-amerikanische, vor allem aber israelkritische Haltung gedrängt.

Dies erforderte entsprechend weniger innenpolitische Zugeständnisse und erklärt die heute noch existierenden Unterschiede im politischen System beider Länder, die ja mal kurzzeitig eine staatliche Einheit gebildet hatten.. Auch was die die Syrien inzwischen bereits durchgesetzte und in Ägypten -so unterstellen nicht wenige politische Beobachter- in Zukunft möglicherweise intendierte Nachfolgeregelung der Staatsführung angeht, scheint es Änlichkeiten zu geben, die den Verdacht nähren, dass die Attraktivität Ägyptens als verlässlichem Verbündeten und Protegé der Vereinigten Staaten zunehmend leiden bzw. sogar gänzlich verloren gehen könnte.

Auch wenn momentan keines der beiden Länder auf der berüchtigten „Achse des Bösen“ erscheinen, unterstellen einige (pessimistische) politische Kommentatoren in Ägypten, dass neben Syrien auch Ägypten zu Gunsten einer neuen, unterstellt pro-amerikanischen Administration im Irak an Zuwendung, ja politischer Bedeutung verlieren könnte.

Eine zwingende politische Reformagenda für Ägypten ?

Die gleichen politischen Kommentatoren sehen die wichtigste Lektion des Irakkonflikts für Ägypten darin, dass jetzt eine politische Reformagenda die Politik dieses, aber auch anderer arabischer Länder bestimmen müsse. Sie urteilen dabei, dass„..Arab governments must rush to implement reform and greater democracy because the invasion of Iraq creates a precedent that could target other autocratic systems...“. Länder wie Ägypten und Syrien scheinen jetzt aufgefordert zu sein, endlich Ernst zu machen mit der Gewährung schon seit langem verfassungsgemäss -de jure- existierender, ziviler Freiheiten und größerer demokratischer Partizipations- bzw. Artikulationsmöglichkeiten sowohl für Minderheiten als auch für Regimegegner. Eine der Schlussfolgerungen aus dem Irakkonflikt, die diesen politischen Beobachtern als unausweichlich galt, war die, dass

  • die Abwesenheit jeglicher Form westlicher Demokratie,

  • die Beschränkungen für die immer stärker unter Druck gesetzte Zivilgesellschaft

  • die Abwesenheit von Rechtssicherheit für Regimegegnern und Menschenrechtsgruppen

nicht nur zum beeindruckend schnellen Ende des irakischen Regimes beigetragen hatte, sondern auch die entsprechend wenig demokratischen Regime der Nachbarländer des Irak, wie etwa Saudi Arabien, Syrien und Ägypten zunehmend in ein schlechtes Licht stellt und damit verstärkt zur Kritik Anlass gibt. Vertreter der ägyptischen Opposition stimmten dieser Meinung, dass in den besagten Ländern jetzt der Zeitpunkt für die Durchsetzung demokratischer Reformen gekommen sei, z. T. enthusiastisch zu: „...The fundamental lesson which we all must draw from the war in Iraq is, that an agenda of political reform, including wide scale constitutional and civil liberties, must now be a top priority in all Arab countries in general and in Egypt in particular...“.

Dabei weisen oppositionellen Kritiker dieser autokratischen arabische Regierungsysteme immer wieder darauf hin, dass die jeweiligen, alles dominierenden Regierungsparteien von dem raschen Zusammenbruch der im Irak seit immerhin über 30 Jahre regierenden Baath Partei lernen sollten, dass gerade derartige Staatsparteien dazu neigen, sich und ihren Führungsanspruch zu perpetuieren: „...(S)ingle party systems introduced in the name of national unity and consensus function more as a vehicle for their leaders to perpetuate their power than anything else...“ und "..are primarily to blame for Arab military defeats and political and economic defeat..." .

In Ägypten, wie in anderen arabischen Nachbarstaaten des Irak, so diese Kritiker, herrsche weiterhin der Mythos, dass solche Parteien demokratisch gewählt und dabei von der Mehrheit unterstützt seien . "...(T)hat the governing parties in Arab world, including the NDP, are majority driven or democratically elected. These parties instead were built on fear and opportunism rather than persuasion. People join governing parties out of opportunistic reasons and fear rather than persuasion, which then provides fertile ground for corruption, political stagnation and de-modernization". Dagegen muss ihre manipulierte sich wiederholende Bestätigung in Wahlen eher als Ausdruck des Opportunismus und der Angst der Wähler gelten, Opportunismus derjenigen welche in der Parteimitgliedschaft ein Vehikel für ihre wirtschaftlichen und politischen Ambitionen sehen, Angst derjenigen die bei einem offiziellen Bekenntnis zugunsten einer anderen politischen (Oppositions-) Partei, berufliche oder wirtschaftliche Nachteile befürchten.

Diese Kritiker fordern in Ägypten deshalb vor allem eine deutlichere Trennung der Regierungspartei von Staatsfunktionen, also die Trennung von Staat und dominierender Regierungspartei, zumindest aber die Trennung des Amtes des Staatspräsidenten vom gegenwärtig noch gleichzeitig wahrgenommenen Amt des Parteivorsitzenden der Regierungspartei. Diese Doppelfunktion, so die Auffassung der Mehrheit der Kritiker des jetzigen Status quo, gibt der Regierungspartei sowohl bei der Rekrutierung von Anhängern als auch bei der Mobilisierung von Wählerstimmen einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber anderen politischen Parteien.

Gefordert wird daneben auch eine Amtszeitbegrenzung für zukünftige ägyptische Präsidenten und die bisher verwehrte Möglichkeit, bei der Direktwahl des Präsidenten zwischen mehren Kandidaten auswählen zu können. Gleichzeitig sollten die Möglichkeiten für politische (Oppositions-) Parteien, für sich und ihre Ziele im Rahmen von Wahlkampagnen zu werben verbessert werden. Manche ägyptische Oppositionelle verstiegen sich sogar zu der Forderung, man müsse zu diesem Zweck die Staatspartei NDP auflösen und -ähnlich dem Vorgehen Sadats mit Blick auf die ASU-, die Partei in verschiedene politische Folgeparteien aufzulösen, die dann eher die Chance hätten, sich auf fairere Weise gegeneinander bzw. gegen die existierenden Oppositionsparteien um die Gunst des ägyptischen Wählers zu bemühen.

Eine Reaktion Gamal Mubaraks

Die ägyptische politische Führung hat sich bisher zu all diesen Forderungen (noch) nicht explizit geäußert. Interessant war in diesen Zusammenhang aber eine Veranstaltung der American Univerity of Cairo (AUC), auf der der Sohn des Staatspräsidenten, Gamal Mubarak, sich etwa drei Stunden Zeit nahm, bereitwillig auf Fragen des studentischen Auditoriums zu antworten und dabei zumindest indirekt auf einige der Probleme einzugehen, die die ägyptische Führung, zu der er Kraft seines herausgehobenen politischen Amtes als Vorsitzender des politischen Sekretariats innerhalb der NDP mittlerweile zweifelsfrei gehört, momentan beschäftigen.

Zur Aussetzung des seit 1981 existierenden Ausnahmezustandes in Ägypten äußerte Gamal, dass die pol itischen Rahmenbedingungen in der Region seit den Ereignissen vom 11. September eher schwieriger geworden seien und dass selbst europäische Staaten angesichts der Terrorbedrohung restriktivere Gesetze verabschiedet hätten. Er sehe deshalb im Moment keinen Anlass, diese „Schutzgesetze“ zurückzuziehen.

Er äußerte sich dagegen zurückhaltend gegenüber Forderungen zur Änderung der ägyptischen Verfassung. Er war der Meinung, dass dies momentan nicht auf der politischen Tagesordnung stünde und man sich vorläufig mit den bereits eingeleiteten Reformschritten zur Erweiterung der bürgerlichen Freiheiten begnügen solle. Er gab hingegen zu, dass es bei den jüngsten Demonstrationen in Zusammenhang mit der Irakintervention zu „Problemen“ beim Einsatz der Sicherheitskräfte gekommen sei, die es in Zukunft zu vermeiden gelte.

Er bestritt zudem, dass aktuelle Reformbestrebungen seines politischen Sekretariats „von aussen“ oktroyiert worden seien und appellierte an die Zuhörer, sie sollten Reformansätze nicht immer automatisch als etwas von außen an Ägypten Herangetragenes interpretieren, sondern als Ausdruck des eigenen Bemühens um eine bessere Zukunft des Landes ansehen.

Was die außenpolitische Agenda angehe, sei es klar, dass die Vorgänge im Irak, in Afghanistan und Palästina Ägypten direkt betreffen und deshalb Einfluss nehmen auf die innenpolitische Situation im Land. Trotzdem bleibe es bei der strategischen Entscheidung zugunsten des Friedensabkommens mit Israel. Allerdings fügte er hinzu, man könne die Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Völkern nicht erzwingen, sondern müsse angesichts der politischen Entwicklungen in der Region das Tempo der Normalisierung den Bürgern beider Staaten selbst überlassen.

Wirtschaftliche Verwerfungen durch den Verlust des Irakgeschäfts

Was die ökonomischen Auswirkungen des Irakkonflikts auf Ägypten anging, verwies er darauf , dass die Entwicklungen im Irakkonflikt eine wichtige Rolle bei der Akzentuierung der konjunkturellen Probleme in Ägypten, die sich jetzt auch in den neuen Haushaltszahlen niederzuschlagen beginnen, gespielt haben bzw. noch spielen.

Die Tourismuseinnahmen Ägyptens seien in den vergangenen Monaten erheblich zurückgegangen und die Auslastung des ägyptischen Hotelgewerbes sei von einem Wert in Höhe von 70% auf momentan nur noch 30% gesunken. Durch die Rückkehr einer großen Zahl ägyptischer Gastarbeiter aus der Krisenregion habe sich auch der Umfang der Gastarbeiterüberweisungen erheblich verringert. Die Suezkanalgebühren seien dagegen von der Irakkrise weniger betroffen.

Einen bedeutenden Rückschlag erlitt jedoch die ägyptische Exportwirtschaft. Mit dem Fall des irakischen Regimes unter Saddam Hussein ist schließlich auch eine lange Periode erfolgreicher bilateraler Wirtschaftskooperation zu einem abrupten Ende. Ägypten hatte erst im Oktober 2000 wieder eingeschränkte diplomatische Beziehungen zum Irak aufgenommen, nachdem diese im Dezember 1991 wegen des Eintritts Ägyptens in die damalige Koalition gegen den Irak abgebrochen worden waren. Ähnlich anderen irakischen Nachbarstaaten hat Ägypten vom Sanktionsregime im Irak in der Weise profitiert, dass es in den letzten Monaten umfangreiche bilaterale „Bartergeschäfte“ (Gegengeschäfte auf der Basis von Naturaltausch) mit dem Irak getätigt hat. Der Irak lieferte Ägypten zwar kein verbilligtes Erdöl, wie etwa den anderen Nachbarstaaten Jordanien und Syrien, es importierte dafür aber große Mengen an Agrargütern und Fertigwaren (Textilien) aus Ägypten.

Auf diese Weise exportierte Ägypten allein in der Zeit von Februar 1997 bis Dezember 2002 Waren im Werte von nicht weniger als 6 Mrd. US$. Allein im Jahre 2001 betrugen die ägyptischen Exporte in den Irak 1,7 Mrd. US$ und erreichten damit einen Anteil an den gesamten ägyptischen Exporten von nahezu 35% und umfassten Warengruppen wie: Textilien, Teppiche, Kleidung, Keramik, elektronische Geräte und Nahrungsmittel.

Die ägyptischen Exporteure, die in jenem Jahr in den Irak reisten, hatten keine Probleme, Exportaufträge zu erhalten. Ein politischer Beobachter fasste die damalige Situation folgendermaßen zusammen: „Iraq needed Egyptians for political backing, while Egypt needed Iraq for economic gain“. Nachdem der Irak im Januar 2001 mit Ägypten ein bilaterales Handelsprotokoll vereinbart hatte, gelangten ägyptische Waren sogar vollkommen zollfrei in den Irak. Es war damals das Bestreben beider Regierungen, den Handelsaustausch zwischen beiden Ländern auf bis zu 5 Mrd. US$ steigen zu lassen. Dies veranlasste ägyptische Exporteure, zusätzlich Waren aus Europa und Asien zu importieren, um diese dann als „ägyptische Produkte“ in den Irak mit Gewinn zu re-exportieren.

All diese Praktiken trugen dazu bei, dass Ägypten in jenem Jahr - nach Russland (!) und Frankreich (!) - zum drittgrößten Lieferanten des Irak wurde. Nachdem die ägyptischen Exporteure sich aber nahezu ausschließlich auf die irakische Regierung bzw. die von dieser Regierung gesteuerten Staatsunternehmen als Geschäftspartner konzentriert hatten, nicht zuletzt um diesen z. T. nicht wettbewerbsfähige Produkte anzubieten, brach dieser Handel im Verlauf der Militärintervention im Irak vollkommen zusammen, was die Produktion ganzer Fertigungsstätten in der Kairoer Satellitenstadt 10 Ramadan City zum Erliegen brachte. Über 200 Firmen aus diesem Industrievorort allein lebten nahezu ausschließlich von Aufträgen aus dem Irak, wobei die mindere Qualität vieler dieser Waren, wie etwa Waschmaschinen, Kühlschränke und sonstige Elektrogeräte, offensichtlich nicht entscheidend ins Gewicht fiel.

Ob es auf den Gütermärkten des „neuen Irak“ noch Raum für solche ägyptischen Produkte geben wird ist, unwahrscheinlich, da sie unter Wettbewerbsgesichtspunkten wohl nicht konkurrenzfähig sind.

All dies ist zu berücksichtigen, will man die zukünftige Bereitschaft Ägyptens einschätzen, den politischen Vorstellungen der Bush-Administration für die Region „zu Diensten zu stehen“. Momentan beherrschen noch kritische Kommentare die öffentliche Diskussion der Lage im Irak und der Pläne hinsichtlich einer neuen Nahost-Friedenslösung auf der Grundlage der jetzt vorgelegten „Roadmap“.

Die eingetretenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten werden wohl dazu beitragen, dass sich die Bereitschaft der ägyptischen Führung, auch bzw. gerade in der Zukunft den Vorstellungen der Vereinigten Staaten nicht nur Gehör, sondern auch wohlwollende Beachtung zu schenken, nicht verringern wird, auch wenn man mit zahlreichen dieser neuartigen Vorstellungen von der Durchsetzung der Demokratie in der arabischen Welt noch nichts Rechtes anzufangen weiß.

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Sankt Augustin Deutschland