Die zwölfte Ausgabe von Lateinamerikas größter Sicherheitskonferenz fand am 08. Oktober 2015 in Rio de Janeiro statt. Gemeinsam mit dem Brasilianischen Zentrum für Internationale Beziehungen (CEBRI) und der Delegation der Europäischen Union in Brasilien begrüßte die Konrad-Adenauer-Stiftung mehr als 500 Teilnehmer (Livestream Zuschauer eingerechnet), darunter viele Vertreter des Diplomatischen Corps sowie zahlreiche internationale Experten aus Politik, Militär und Wissenschaftsbereichen.
Die XII. Copacabana Sicherheitskonferenz stand unter dem Titel „Weltsicherheitspolitik“ und leistete einen Beitrag zum fortlaufenden Dialog zwischen Entscheidungsträgern und Meinungsmachern aus Nord und Süd – insbesondere zwischen Europa und Lateinamerika.
Im Zentrum der Diskussionen standen Fragen bezüglich der globalen Ordnung, internationale Werte, die Dichotomie des Einzelnen und des Ganzen in der Weltpolitik sowie die globale Umsetzung der Sicherheitsstruktur in Lateinamerika und Europa. In fünf thematisch strukturierten Panels wurden Fragen bezüglich der Rolle Brasiliens und Europas in der Weltsicherheitspolitik analysiert. Das die spezifischen Werterahmen Europas und Lateinamerikas (mit speziellem Fokus auf Brasilien) gerne strukturierende Ordnung in einer zunehmend multipolaren Welt sehen würden, war ein integrales Element, welches sich in den Beiträgen der diversen Sprecher wiederspiegelte und welches auch vom Fachpublikum in weiteren Frage- und Antwortrunden weiterdiskutiert wurde. Brasilien und Europa teilen gemeinsame Werte in der Organisation ihrer Inlandsaufträge, doch befanden die Teilnehmer, dass dies nicht unbedingt in eine Blaupause für ein abgestimmtes Vorgehen im Bereich der globalen Sicherheitspolitik übersetzt werden kann.
Die Konferenz wurde vom Interimsdirektor der KAS Brasilien, Botschafter Luiz Augusto de Castro Neves (CEBRI Vizepräsident) und dem EU-Botschafter in Brasilien, João Gomes Cravinho, eröffnet. Der EU-Botschafter präsentierte die neue EU Global-Strategie für Außen- und Sicherheitspolitik in seinem Eröffnungsbeitrag. Während der Eröffnungsreden bot jeder der Gastgeber eine kurze Analyse des aktuellen Status der Weltsicherheitspolitik aus seiner eigenen Perspektive. Die Gastgeber stimmten darin überein, dass die letzte Dekade eine Verschlechterung der globalen Stabilität sowie einen relativen Rückgang des Friedens gezeigt hat. Konflikte haben sich vermehrt und große Teile der Welt sind jetzt Gegenstand langwieriger Gewalt und Unsicherheit. Tatsächlich haben die vielen lokalen Konflikte in Afrika, dem Mittleren Osten, Osteuropa und anderswo einen kolludierenden Effekt gehabt, wodurch die globale Ordnung als Ganzes geschwächt wurde. Die Auswirkungen einer globalen Ordnung, welche nicht mehr so fest zusammenhängt wie vor einigen Jahren, werden sowohl von Europa und Brasilien als auch von allen anderen Ländern der Welt gespürt. Laut den Gastgebern muss die Rückkehr zu einer gerechten und nachhaltigen Ordnung im Zentrum der Weltsicherheitspolitik stehen. Das Kernproblem, welches die Konferenz anzugehen versuchte, war deshalb auch, wie eine solche Ordnung, welche die internationale Staatengemeinschaft unisono akzeptieren und verteidigen würde, aussehen würde: Was sind die Grundwerte und Prinzipien einer solchen Ordnung und wofür stehen sie? Wie sollten sie in Relation zueinander arrangiert werden? Alle waren sich einig, dass ein konzertierter Ansatz in der Weltsicherheitspolitik schwer und letztlich ineffizient bliebe, solange diese Grundwerte und Prinzipien sich von denen der Großmächte unterscheiden. Zum Schluss forderten die Gastgeber dazu auf, durch Dialoge und Debatten Gemeinsamkeiten zu finden.
Als Eröffnungsbeiträge wurden dem breiten Publikum die Perspektiven und Strategien Brasiliens und der Europäischen Union präsentiert. Botschafter Cravinho, welcher zuerst sprach, sagte, dass das Thema der Konferenz von höchster Bedeutung für die Europäische Union wäre, da diese derzeit ein grundlegend neues Weissbuch zur Außen- und Sicherheitspolitik erarbeitet. Das letzte Strategiepapier dieser Art wurde 2003 herausgegeben. Dieses war auf eine andere, friedlichere Welt ausgelegt und durchzogen von der Vision eines Zeitalters, in welchem politischer Realismus und Materialismus obsolet wären. Das Papier machte einige signifikante Beiträge, wie z.B. das Voranbringen des Sicherheitsgedankens durch Erweiterung und Vertiefung des Konzepts sowie durch das Vorhersehen einer Anzahl von Entwicklungen, wie z.B. die fundamentale Instabilität der diktatorischen Regime in weiten Teilen der Maghreb-Region sowie dem Nahen Osten. Durch diesen post-modernen Ansatz wurden jedoch einige klassische Machtgefüge außer Acht gelassen und die Europäische Union war ohne die politischen und materiellen Kapazitäten um mit der Welt, wie sie heute ist, umzugehen. In der Tat ist die Europäische Union heute oft nicht in der Lage, sich mit realen Situationen auseinanderzusetzen, da sie nicht über die nötigen Mittel verfügt, das angestrebte Ziel zu erreichen.
Das neue Strategiepaper, welches der Botschafter eingangs erwähnte, kommt zu einer Zeit, in der die aktuellen Konflikte – der mittlere Osten, die Krise in der Ukraine und andere – mehr konkrete politische Werkzeuge und hochentwickelte materielle Fähigkeiten verlangen, denn während die Verfasser des Sicherheitspapieres aus dem Jahre 2003 sich einer friedlicheren und stabileren Welt gegenübersahen und sich somit in jede gewünschte Richtung bewegen konnten, verlangt die heutige Zeit eine, zumindest teilweise, Rückkehr in die Räume der politischen Realität. Die Europäische Union sieht sich weiterhin einem Wertegerüst, welches im Kern aus Freiheit und Humanität besteht, verpflichtet. Jedoch erkennt sie auch, dass materielle Fähigkeiten zu einem zentralen Thema gemacht werden müssen, sollte die Union das Verlangen haben, weiterhin eine relevante Rolle im Kontext einer immer gefährlicher werdenden Welt zu spielen.
Überdies sagte der Botschafter, dass es allgemeine Auffassung sei, dass die Verschlechterung der Weltsicherheitslage alle Staaten betreffe und dass einseitige Reaktionen auf das veränderte Umfeld zu neuen Sicherheitsproblemen führen können, wie man teilweise im Falle von Russland und seiner Strategie zur Weltsicherheit sehen kann. Es sagte auch, dass, während die EU beabsichtigt, ihre Handlungsfähigkeit zu stärken, sie dies stets unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Interessen ihrer Nachbarn tut. Als solche wird die EU weiterhin dem Balkan verpflichtet bleiben und sich in Russland, Nord Afrika und dem mittleren Osten engagieren. Auf globaler Ebene will die EU laut des Botschafters weiterhin für eine offene und freie Welt einstehen, in welcher Menschenrechte und Freiheit eine Schlüsselposition in einem Komplex mit anderen Werten einnehmen, welche ihnen jedoch untergeordnet sind.
Nach der europäischen Perspektive wurde die brasilianische Perspektive von General Schons präsentiert. Schons begann mit der Definition des Terms „Sicherheit“. Er argumentierte, dass Sicherheit mehr als Gefühl beschrieben werden kann, wie ein Zustand des Seins, während Verteidigung konkrete Maßnahmen, häufig mit koerzitiver Kraft, bezeichnet. Er erinnerte daran, dass Sicherheit in Brasilien, obwohl offensichtlich von großer Bedeutung für die Bevölkerung, praktisch nur im inländischen, nationalen Kontext zu verstehen sei. Als Reaktion auf frühere Äußerungen, dass Brasilien sich benehme, als wäre es bei den Problemen der Welt außen vor, quasi eine Insel außerhalb der Weltpolitik, sagte Schons, dass es tatsächlich wenig Bewusstsein in der brasilianischen Öffentlichkeit dafür gebe, dass Sicherheitsprobleme in einem anderen Teil der Welt auch das Wohlbefinden der brasilianischen Nation gefährden könnten. Er fügte jedoch hinzu, dass Konferenzen wie diese von großem Wert sind, um das Thema in das öffentliche Bewusstsein zu bringen.
Weiterhin sinnierte er über die strategische Kultur, welche den Ansatz für die brasilianische Außen- und Sicherheitspolitik bildet. Er führte aus, dass, während in vielen anderen Teilen der Welt Realismus ein Grundprinzip ist, es in Brasilien Idealismus und Konstruktivismus sind, die eine zentrale Rolle spielen. Doch ebenso wie Cravinho fügte er hinzu, dass Brasilien gezwungen sein wird, seine Mittel dem gewünschten Erfolg anzupassen. Rückblickend auf einen langen Prozess erklärte er außerdem, dass die brasilianischen Streitkräfte während des kalten Krieges erheblich geschwächt wurden. Francis Fukuyamas „Ende der Geschichte“ zitierend sagte er, dass es in Brasilien allgemeiner Konsens war, dass das Militär keine Rolle mehr spiele. Rückblickend auf die letzte Dekade lässt sich sagen, dass sich diese Ansicht drastisch geändert hat. Schons fasste dies zusammen als Idee von der Rückkehr des Staates: Während der 90er Jahre dachte man, dass der Staat selbst überflüssig werden würde und die Märkte unangefochten an erster Stelle stehen würden. Heute ist das Gegenteil der Fall. Nicht nur der Staat ist zur Weltpolitik zurückgekehrt, sondern mit ihm auch Konzepte wie Souveränität, Gebiete, Grenzen und die Legitimierung des Einsatzes von Gewalt.
Im globalen Gesamtbild, argumentierte Schons, ist Brasilien keine Weltmacht und kann deshalb auch keine zentrale Rolle im weltweiten Kontext spielen, sondern kann lediglich dazu beitragen, dass die Region Südamerika stabil und friedlich bleibt. Brasilien und seine Partner festigen die regionale Sicherheitsarchitektur durch die relativ neue Organisation UNSUR. Durch diese Organisation sind die Mitgliedstaaten in der Lage, das Wettrüsten einzuschränken, politische Ansichten zu koordinieren und die Anstrengungen zum Kampf gegen das organisierte Verbrechen, wie z.B. Drogenschmuggel und Menschenhandel besser zu koordinieren. Von diesem Punkt ausgehend, beschrieb Schons ebenfalls, wie lange Brasilien und Lateinamerika mit der Herausforderung der länderübergreifenden Kriminalität gekämpft haben und das diese nun aber an einem Punkt seien, an dem andere Länder von ihren Erfahrungen lernen können. Er endete mit der Feststellung, dass Brasilien in erster Linie dem Südamerikanischen Kontinent verpflichtet sei, während es sich aber weiterhin auch an internationalen Missionen beteiligen würde, wenn sie die Gelegenheit böte.
Offizielle Vertreter ihrer jeweiligen Institutionen präsentierten ihre Positionen und im Anschluss daran begannen die Konferenzdebatten. Die Veranstaltung wurde in 5 thematische Diskussionsrunden unterteilt. Diese behandelten diverse Schlüsselfelder der Weltsicherheitspolitik: Konfiguration des internationalen Systems; das Konzept der staatlichen Souveränität, Territorien und Nationalstaaten; regionale und globale Perspektiven in Bezug auf unkonventionelle Kriegsführung; Aussichten für gemeinsame Anstrengungen in der Weltsicherheitspolitik; und Energiesicherheit in einer vernetzten Welt. Diese bildeten einige der Ausgangspunkte für viele eifrige Debatten. Internationale Experten debattierten energisch im Talkshow-Stil, welcher für mehr informellen Austausch sorgte, als vorbereitete Reden. Viel mehr noch wurde dem Publikum so die Möglichkeit gegeben, sich zusätzlich zu Moderator und Sprechen aktiv an den Diskussionen zu beteiligen.
Zum ersten Mal war es möglich, von jedem internetfähigen Gerät aus an der Konferenz per Streaming über den Link forte2015.com teilzunehmen. Die Videoaufnahmen werden derzeit bearbeitet und werden zu gegebener Zeit auf dieser Website veröffentlicht.
Sobre esta serie
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