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Die letzten drei Monate

Für U.S.-Wahlkampf bricht entscheidende Phase an

Aus Sicht vieler nationaler und internationaler Kommentatoren hat Donald Trump kaum noch Chancen auf eine zweite Amtsperiode. In den verbleibenden knapp drei Monaten bis zur Präsidentschaftswahl kann aber noch viel passieren. Denn trotz seiner guten Umfragewerte vermissen viele Wähler bei Joe Biden klare Positionen und Lösungsansätze. Das Wahlkampfteam von Donald Trump unternimmt der-weil alles, damit der U.S.-Präsident seinem Herausforderer nicht länger in die Hände spielt.

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Zusammenfassung:

Die Corona-Pandemie hält die USA weiterhin fest im Griff. Für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt ist eine Erholung noch nicht in Sicht. Donald Trump liegt in den meisten Umfragen deshalb hinter seinem Herausforderer Joe Biden.

Für seine jüngsten Äußerungen zur Entwicklung der Pandemie wurde der Präsident von vielen Medien erneut heftig kritisiert. Biden profitiert im Wahlkampf davon und hat eigene Fehler bis jetzt vermieden. Noch vermissen viele Wähler bei ihm aber ein klares Profil. Mit Spannung wird erwartet, wen Biden als Vizepräsidentin aufstellen will.

Donald Trump hat die Leitung seines Wahlkampfteams ausgetauscht und genießt unter seinen Anhängern immer noch großes Vertrauen. Obwohl er zwischenzeitlich mit neuen Botschaften überrascht hat, wird er trotz schlechter Umfragewerte absehbar an vielen Positionen festhalten.

"Es ist, was es ist"

Die letzten drei Monate vor der Wahl sind geräuschvoll mit einem Videointerview des U.S.-Präsidenten für die Internetseite Axios angebrochen. Das gut halbstündige Gespräch im Weißen Haus wurde am 3. August auf HBO ausgestrahlt. Vox bezeichnete es als „Katastrophe“ mit einer „schwindelerregenden Reihe von Lügen“. Die Washington Post meinte, „Trump scheint tatsächlich nicht zu verstehen, wie schlimm die Pandemie ist“. Die New York Times bezeichnete die Äußerungen des Präsidenten zum Vermächtnis des im Juli verstorbenen demokratischen Kongressabgeordneten und Bürgerrechtlers John Lewis als „verblüffend“ und konstatiert, Trump habe dessen Leistungen „heruntergespielt“. CNN resümierte, „Trump wirkte schlecht vorbereitet, narzisstisch und weit davon entfernt, die Coronavirus-Pandemie unter Kontrolle zu haben“.

Währenddessen titelte die New York Post auf der anderen Seite des Meinungsspektrums: „Präsident Trump sagt, dass COVID-19 in den USA "am niedrigsten in zahlreichen Kategorien" ist“. Fox News reagierte nicht auf die Äußerungen zur Corona-Pandemie, sondern auf die von Trump im Interview zur Todesursache von Jeffrey Epstein aufgeworfene Frage: „War es Selbstmord, wurde er getötet?“, um dann sechs Stunden später in einem weiteren Onlinebericht darauf abzuheben, dass sich der Interviewer, Axios-Reporter Jonathan Swan, nachträglich per Twitter für eine unzutreffende Behauptung zur Briefwahl entschuldigt hat. Ein Blog-Beitrag auf Red State fragte, warum sich der U.S.-Präsident überhaupt zu dem Interview bereiterklärt habe: „Es ist ein politisches Fehlverhalten, Trump vor jemanden zu stellen, von dem die Kampagne weiß, dass er ein feindseliger Interviewer sein wird.“ Und Rush Limbaugh, reichweitenstarker Radiokommentator und – nach eigener Darstellung – „Doktor der Demokratie” in den USA, erklärte seinem Publikum, „Trump ist ein Realist“, nachdem dieser im Interview auf die tägliche Zahl neuer Corona-Opfer mit den Worten reagiert hatte: „Sie sterben, das ist wahr, und es ist, was es ist.“

Von „Katastrophe“ bis „Realist“ - unterschiedlicher könnten die öffentlichen Reaktionen auf das Axios-Gespräch knapp drei Monate vor der Wahl kaum sein. Unter den konservativen Kommentatoren stach mit deutlicher Kritik an dem Interview eigentlich nur Guy Benson hervor. Als Gastgeber einer nach ihm benannten Radiosendung auf Fox News veröffentlichte Benson auf Townhall einen Meinungsbeitrag unter der Überschrift: „'Das können Sie nicht tun:' Trumps schreckliches Interview unterstreicht, warum er verliert“. Zwar hatte Trump zu den Corona-Opfern auch gesagt, die U.S.-Regierung tue alles, was sie könne, „aber“, so Benson, „selbst ein unterdurchschnittlicher Politiker sollte das Bewusstsein haben zu erkennen, dass "es ist, was es ist" nicht die Art von tautologischem Klischee ist, die zum jetzigen Zeitpunkt passt“.

Kein Licht am Ende des Tunnels

Die aktuelle Lage ist in der Tat ernüchternd. Mit beinahe fünf Millionen bestätigten Infektionsfällen und rund 160.000 Toten wütet die Corona-Pandemie in den USA weiterhin stärker als in allen anderen Ländern weltweit. Von einem Tag auf den anderen fielen zuletzt erneut gut 1.300 Menschen dem Virus zum Opfer; damit liegt die Zahl der Todesfälle im Tagesverlauf jetzt wieder bei den erschreckenden Werten von vor zwei Monaten. Die Zahl der Neuinfektionen ist mit rund 53.000 pro Tag aktuell rückläufig; allein 18 U.S.-Bundesstaaten registrierten noch vorletzte Woche aber mehr Neuinfektionen als an allen anderen Tagen seit Ausbruch der Pandemie. Kalifornien, Florida und Texas verzeichnen jetzt mehr Infektionsfälle als der in den ersten Monaten der Krise besonders hart getroffene Bundesstaat New York.

Der kürzliche Hinweis von Donald Trump, „weite Teile“ der USA seien „corona-frei“, ist zwar zutreffend; aber wen dürfte angesichts der dramatischen Gesamtsituation schon trösten, dass die Pandemie in den dünn besiedelten Gegenden von Wyoming oder Nevada naturgemäß weniger Opfer findet als in den städtischen Ballungsräumen und bevölkerungsreicheren Gegenden des Flächenstaates. Selbst auf dem Land steigen vielerorts überdies die Zahlen. In Ohio blieben selbst „kleinste Gemeinden“ nicht länger vom Virus verschont, warnte der republikanische Gouverneur des Bundesstaates, Mike DeWine. „Und wir müssen einfach davon ausgehen, dass das Monster überall ist. Es ist überall.“

21 Bundesstaaten zählen inzwischen zur „roten Zone“ und müssen ihre Vorschriften und Auflagen zur Bekämpfung des Virus wieder verschärfen. Der Präsident aber ist sich seiner Sache sicher. „Wir werden einen Sieg über das Virus erringen, indem wir Amerikas wissenschaftliches Genie entfesseln“, so Trump vor wenigen Tagen beim Besuch einer Biotech-Firma in North Carolina. Mit 1,6 Milliarden U.S.-Dollar staatlicher Förderung arbeitet das Unternehmen unter Hochdruck an der Produktion eines Impfstoffs gegen das Corona-Virus.

Auch für die Wirtschaft hat sich der Abwärtstrend von Anfang April bis Ende Juni fortgesetzt. Das Bruttoinlandsprodukt sank um rund 10 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal des Jahres – der stärkste Einbruch seit Beginn der Aufzeichnungen vor über 70 Jahren. Neben rückläufigen Exporten und Investitionen musste mit einem Minus von fast 35 Prozent vor allem der Konsum erhebliche Einbußen verkraften. Erneut stellten in der letzten Juliwoche weitere 1,2 Millionen U.S.-Bürger einen Erstantrag auf Arbeitslosenhilfe.

Die Angaben darüber, wie viele Amerikaner seit Ausbruch der Pandemie insgesamt auf Unterstützung angewiesen sind, gehen auseinander. Denn die Anspruchsberechtigten werden aus mehreren Töpfen finanziert. Ein Teil der Antragsteller fällt unter die regulären Arbeitslosenversicherungen der Bundesstaaten, für andere greift die befristete Arbeitslosenhilfe der U.S.-Bundesregierung und wieder andere mussten die vom Kongress nach Ausbruch der Corona-Krise bewilligten Notfallhilfen in Anspruch nehmen. Das U.S.-Arbeitsministerium bezifferte die Gesamtzahl der Personen, die seit Ausbruch der Pandemie bis Anfang Juli in allen Programmen Leistungen beansprucht haben, mit knapp 32 Millionen. Das entspricht etwa jedem fünften Erwerbstätigen in den USA. Das Hilfsprogramm des Kongresses, über das Arbeitslose bisher mit 600 U.S.-Dollar pro Woche unterstützt wurden, ist Ende Juli ausgelaufen und muss zwischen Demokraten und Republikanern neu verhandelt werden. 

Wäre das alles nicht schon schlimm genug, sind von der desolaten Lage am Arbeitsmarkt in dieser Krise vor allem Selbständige und Freiberufler, Hotellerie und Gaststätten, die Tourismusbranche und die Unterhaltungsindustrie sowie Pflegeberufe und Dienstleistungsbetriebe betroffen. Die dort Beschäftigten arbeiten oft für geringes Gehalt und ohne finanzielle Rücklagen im persönlichen Kontakt mit Kunden und können nicht ins „Homeoffice“ ausweichen. In diesen Branchen trifft es insbesondere jüngere Mitarbeiter im Alter zwischen 25 und 34 Jahren, Frauen (vor allem in Teilzeitjobs), Arbeitnehmer ohne Universitätsabschluss und Angehörige der schwarzen, hispanischen und asiatischen Bevölkerungsminderheiten. Alles Wählergruppen also, in denen Donald Trump ohnehin einen schweren Stand hat oder auf deren Unterstützung er für einen Wahlsieg dringend angewiesen ist. Immerhin stellen die ab Anfang der 80er Jahre geborenen „Millennials“ in diesem Jahr zahlenmäßig erstmals die größte Wählergruppe.

In seiner Reaktion auf das Axios-Interview riet Guy Benson allen Anhängern des Präsidenten vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen, „nicht frustriert (zu) sein über diejenigen, die negative Analysen von Trumps Leistung anbieten. Er ist der Präsident und der Kandidat. Er ist im Rückstand“. Es stehe, so Benson, viel auf dem Spiel. „Er (Trump) muss es besser machen. Kann er das?“ Nach den aktuellen Umfragen zweifeln viele Menschen daran.

Biden: bisher kaum Fehler, aber offene Flanken

Im Durchschnitt sind gut 55 Prozent aller U.S.-Amerikaner unzufrieden mit der Leistung des U.S.-Präsidenten – vergleichbar schlecht waren dessen Zustimmungswerte zuletzt Anfang 2019. In North Carolina und Minnesota lag Joe Biden Ende Juli drei Prozent vor Trump, in Pennsylvania 9 Prozent. In Georgia kommen Biden und Trump unter den registrierten Wählern aktuell jeweils auf 47 Prozent Zustimmung. Selbst in Florida – einem der wichtigsten „Swing States“ für die Wahl – sieht es für den U.S.-Präsidenten momentan kritisch aus. 

Zwar wurde Joe Biden in den letzten Wochen wiederholt dafür kritisiert, sich im Wahlkampf (anders als Barack Obama) lange Zeit sehr zurückgehalten und Donald Trump nicht attackiert zu haben; im Ergebnis der Umfragen ist seine Strategie bis jetzt aber aufgegangen: Keine eigenen Fehler machen und darauf vertrauen, dass der U.S.-Präsident sich selbst möglichst weit ins Abseits befördert. Trump hat seinem demokratischen Herausforderer dabei bis zuletzt verlässlich in die Hände gespielt. Wer, wie letzte Woche im Weißen Haus vor Journalisten, selbst fragt, warum die eigenen Zustimmungswerte niedriger sind als die des Immunologen Anthony Fauci, und als Antwort gleich mitliefert, „(…) niemand mag mich. Es kann nur an meiner Persönlichkeit liegen. Das ist alles“, muss sich jedenfalls nicht wundern, dass selbst Fox News daraus eine Schlagzeile bastelt.

Unterdessen konnte sich Biden in seiner Heimatstadt Wilmington im Bundesstaat Delaware zeitgleich getrost darauf konzentrieren, in einer Rede mit anschließender Pressekonferenz (erst die dritte innerhalb der letzten vier Monate) zu erläutern, mit welchen wirtschaftspolitischen Maßnahmen er als Präsident die Benachteiligung der Minderheiten bekämpfen wolle. Für eine klare inhaltliche Positionierung muss Biden aber rasch nachlegen.

Mit Blick auf die Wähler unter den Bevölkerungsminderheiten wird der Wahlkampfstratege Cornell Belcher mit den Worten zitiert: "Die Dems (Demokraten) müssen ihnen etwas geben, wofür sie stimmen können, nicht einfach dagegen.“ „Latinos“ beispielsweise hätten „keine stark ausgeprägte Meinung darüber, wer (Biden) ist", meint Stephanie Valencia von Equis Research. In Florida musste sich das Wahlkampfteam der Demokraten überdies den Vorwurf gefallen lassen, die „hispanische Stimme (zu) unterdrücken“. Nach Medienberichten unterzeichneten mehr als 90 Wahlkampfhelfer einen Brief an die Parteiführung, in dem neben einem Mangel an Infrastruktur eine „giftige“ Arbeitskultur kritisiert wird. Zuvor waren Bedenken davor laut geworden, dass die Demokraten in Florida einige der Fehler wiederholen könnten, die vor vier Jahren bereits den Wahlkampf von Hillary Clinton gekennzeichnet hatten.

Kopfschmerzen bereitet auch der Haustür-Wahlkampf. Das „Progressive Turnout Project“ musste diesen zuletzt bis auf weiteres einstellen, nachdem sich einige Helfer dabei mit dem Corona-Virus angesteckt hatten. Damit sich möglichst viele U.S.-Bürger als Wähler registrieren, ist das persönliche Gespräch mit den Wahlkampfhelfern an der Türschwelle aber überaus wichtig. Das gilt für diese Kampagne noch stärker als in früheren Wahljahren. Denn zur Vermeidung von Ansteckungsrisiken werden viele U.S.-Bürger ihre Stimme nicht erst am 3. November persönlich an der Wahlurne, sondern bereits in den Wochen zuvor per Briefwahl abgeben.

Am Beispiel von Pennsylvania wird deutlich, warum die Demokraten trotz des jüngsten Rückschlags beim Haustür-Wahlkampf alle Anstrengungen unternehmen müssen, damit sich möglichst viele Wähler registrieren: 2016 hatte Donald Trump in dem „Swing State“ mit weniger als einem Prozent Vorsprung gewonnen, obwohl sich für die Demokraten damals 936.000 Wähler mehr registriert hatten als für die Republikaner. Zwar liegen die Demokraten bei den registrierten Wählern auch in diesem Jahr weiterhin vorne; der Vorsprung ist aber geringer. Denn während die Partei in Pennsylvania nach Medienberichten bis Ende Juli nur 30.000 neue Anhänger gewinnen konnte, haben die Republikaner 165.000 Bürger dazu motivieren können, sich für die Wahl zu registrieren.

Derzeit ist überdies nur schwer absehbar, wie sich die anhaltenden Proteste nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd in den nächsten Monaten auf die Zustimmungswerte für Joe Biden auswirken werden. Oakland in Kalifornien stand dabei zuletzt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. "Ich bin wütend“, erklärte Libby Schaaf, demokratische Bürgermeisterin der Stadt, „dass Oakland möglicherweise direkt in die verdrehte Wahlkampfstrategie von Donald Trump eingegriffen hat." Die Bilder „einer verwüsteten Innenstadt“ seien “genau das“, was Trump wolle, „um seine Basis aufzupeitschen“.

Gegenwind und verbindliche Forderungen drohen Joe Biden aber auch aus den eigenen Reihen. Für den 20. August hat sich in Milwaukee, zeitgleich zum (virtuellen) Nominierungsparteitag der Partei, ein „March on the Democratic National Convention (DNC)“ angekündigt. Anfänglich habe sich die Demonstration zum Ziel gesetzt, Donald Trump abzuwählen, erläuterte Ryan Hamann, einer der Organisatoren. "Aber wir müssen auch klar und deutlich fordern, dass Joe Biden und die Demokraten diese Killer-Cops stoppen, die in von den Demokraten kontrollierten Städten wie hier in Milwaukee operieren.“ Hamann ruft nach einer „Volksbewegung“ vor allem „gegen Polizeiverbrechen und für eine gemeinschaftliche Kontrolle der Polizei". Joe Biden will nach Medienberichten vom Mittwoch zwar nicht persönlich am Parteitag teilnehmen, sondern sich für seine Nominierungsrede per Video aus seinem Haus in Delaware zuschalten; die Forderungen der Demonstranten in Milwaukee werden ihn aber auch auf diesem Wege erreichen.

Darüber hinaus richten sich alle Augen natürlich darauf, welche Kandidatin Biden für das Amt des Vizepräsidenten benennen wird. Die Entscheidung wird mit Spannung bereits seit Tagen erwartet und soll nach letzten Meldungen nächste Woche fallen. Axios glaubt zu wissen, dass Biden sich voraussichtlich entweder für Kamala Harris, Senatorin aus Kalifornien, oder Susan Rice, frühere nationale Sicherheitsberaterin unter Präsident Obama, entscheiden werde. Noch vor Tagen zählte auch die kalifornische Kongressabgeordnete Karen Bass dem Vernehmen nach zu den Favoritinnen für die Kandidatur. Seitdem stand Bass wegen früherer politischer Äußerungen aber in der Kritik. Ganz gleich, für wen sich Joe Biden in den nächsten Tagen letztlich entscheiden wird – allen Flügeln und Anhängern der demokratischen Partei dürfte er es nicht recht machen.

Um in den nächsten Monaten möglichst viele Wähler zu gewinnen, will das Wahlkampfteam der Demokraten in 15 Bundesstaaten beeindruckende 280 Millionen U.S.-Dollar für TV- und Onlinewerbung ausgeben. Schwerpunkte sind Arizona, Florida, Michigan, Pennsylvania, North Carolina und Wisconsin, daneben Georgia, Iowa, Texas und Ohio. Fünf Bundesstaaten, in denen die Demokraten ihre 2016 erzielten, zum Teil aber nur sehr knappen Mehrheiten verteidigen müssen (Colorado, Minnesota, Nevada, New Hampshire und Virginia), sollen ebenfalls reichlich mit Werbung bedient werden.

Damit seine guten Zustimmungswerte über die nächsten Monate nicht fallen, muss Joe Biden viel Überzeugungsarbeit aber auch im Gespräch mit Journalisten leisten. In seiner Reaktion auf das Axios-Gespräch mit Donald Trump hat Guy Benson die Anhänger des Präsidenten davor gewarnt, den Interviewer Jonathan Swan für dessen kritische Fragen zu geißeln, denn auch Biden werde sich „strengen Kreuzverhören unterziehen“ müssen. Dem Demokraten steht so manche Bewährungsprobe also erst noch bevor. Und Biden zählt in den USA keineswegs zu den Politikern, die vor der Kamera durchgängig punkten.

Trump: „Rückwärtsgang“ eingelegt?

Im schnelllebigen Washington vergeht kein Tag ohne neue politische Gesprächsthemen. Losgelöst vom jeweiligen Diskussionsgegenstand, lautet die in den Kaffeepausen und auf den Abendempfängen ständig wiederkehrende Frage: Wer sagt dem Präsidenten, was er sagen soll, und auf wen hört er? Viele der seit 2017 für das Weiße Haus und die Ministerien diskutierten Namen gehören längst der Vergangenheit an. Welcher Journalist beständig das Ohr des Präsidenten findet, ist auch nicht sicher. Und ob das, was in den jüngsten Buchpublikationen über Trump zu lesen ist, in allen Details stimmt, lässt sich kaum überprüfen. Fest steht, dass die Äußerungen und Twitter-Meldungen aus dem Oval Office selbst langjährige Beobachter regelmäßig überraschen und irritieren. Das galt für das Interview mit Axios diese Woche ebenso wie für den Tweet des Präsidenten über eine Verschiebung des Wahltermins nur wenige Tage zuvor. Auch führende Republikaner haben den als Frage formulierten Vorstoß postwendend abgelehnt.

In den Wochen zuvor hatte eine Reihe nationaler und internationaler Medien bereits gemutmaßt, dass Trump alsbald dazu übergehen könnte, den „Rückwärtsgang“ einzulegen und seine Botschaften zu ändern. Grund dafür war, dass der Präsident seinen Wahlkampfmanager Brad Parscale im Juli gegen Bill Stepien ausgetauscht hatte. Stepien gilt im Unterschied zu seinem Vorgänger als jemand, der bevorzugt im Hintergrund agiert und nur ungerne im Rampenlicht steht. Außerdem soll der neue Wahlkampfmanager geradezu obsessiv auf der Basis von Datenanalysen arbeiten. Kaum im Amt, hat Stepien umgehend sowohl die Finanzierung als auch die Organisation der Kampagne überprüft. Während zur Neujustierung der Wahlkampfstrategie die TV-Werbung für Donald Trump Ende letzten Monats vorübergehend ausgesetzt wurde, konnten die Republikaner und das Team des Präsidenten allein im Juli den Rekordbetrag von 165 Millionen U.S.-Dollar an Spenden akquirieren.

Plötzlich war Trump dann mit Mundschutz zu sehen und ließ er per Twitter wissen, „viele Menschen sagen, es sei patriotisch, eine Gesichtsmaske zu tragen“, wenn man keinen Abstand halten könne. Wenig später räumte er entgegen früherer Äußerungen ein, dass eine Rückkehr zum regulären Schulbetrieb in den vom Corona-Virus besonders hart getroffenen Wohnbezirken "möglicherweise um einige Wochen verschoben werden" müsse. Seit Juli veranstaltet der Präsident im Weißen Haus überdies wieder regelmäßige Pressekonferenzen über die aktuelle Entwicklung der Pandemie. Außerdem hat Trump den für Jacksonville in Florida als Großveranstaltung vorgesehenen Teil des Nominierungsparteitags der Republikaner Ende Juli abgesagt. Der andere Teil soll nach derzeitigem Stand mit nur etwas über 300 Teilnehmern und wohl ohne Presse in gut zwei Wochen in Charlotte (North Carolina) stattfinden. Erst diese Woche unterzeichnete Trump den „Great American Outdoors Act“. Das Gesetz unterstützt Naturschutzprojekte und Nationalparks mit Milliardenbeträgen – auch nicht gerade ein Thema, das für den Präsidenten bis jetzt im Mittelpunkt stand. Die Briefwahl in Florida nannte Trump zur allseitigen Überraschung am Dienstag „sicher und bewährt“. Das Verfahren sei, so der Präsident, „bereinigt worden (wir haben die Änderungsversuche der Demokraten vereitelt), deshalb fordere ich alle in Florida auf, eine Abstimmung per Post zu beantragen!“

Florida gehört neben Arizona, North Carolina und Georgia zu den Bundesstaaten, in denen für Donald Trump inzwischen auch wieder Wahlwerbung geschaltet wird. Dafür soll vor allem das Frühstücksfernsehen genutzt werden. Auf der Basis der vorliegenden Daten rechnet das Wahlkampfteam des Präsidenten unter den Zuschauern der morgendlichen Sendungen mit vergleichsweise hohem Zuspruch. "Wir haben unsere Strategie hinsichtlich der Werbeausgaben klug angepasst“, erklärte Bill Stepien, weil „die Wähler Briefwahlzettel auf ihren Küchentischen haben“ und damit viele Stimmen bereits vor dem 3. November abgegeben werden.

Im „Swing State“ Michigan haben die Republikaner ihr Engagement im Gegensatz zu den Demokraten zumindest vorerst hingegen deutlich zurückgefahren. Statt auf TV- und Radiowerbung setzt die Kampagne des Präsidenten dort auf Telefonanrufe und „Tele-Rallies“. Auch Wisconsin, Arizona, North Carolina und Iowa sind dafür bisher im Visier. Bill Stepien hat für Trump bis Ende Juli bereits fünf solcher „Tele-Rallies“ organisiert, mit denen nach eigenen Angaben „Zehntausende“ Haushalte erreicht werden konnten.

Stepien wird schon jetzt nachgesagt, er habe geholfen, „die Botschaft des Präsidenten zu kalibrieren, damit sie die richtigen Wähler zur richtigen Zeit erreicht“. Ob das trotz der oben genannten Beispiele und vor dem Hintergrund des Axios-Interviews wirklich stimmt, müssen die nächsten Wochen erst noch zeigen. In einem fast einstündigen (per Telefon geführten) Interview für die TV-Sendung „Fox & Friends“ vertrat Trump am Mittwoch erneut die Auffassung: "Diese Sache (das Corona-Virus) wird verschwinden. Es wird verschwinden, wie die Dinge verschwinden, und meine Ansicht ist, dass die Schulen geöffnet werden sollten.“ Kinder, so der Präsident weiter, seien „fast - und ich würde fast sagen, definitiv - aber fast immun gegen diese Krankheit (…) Ich weiß nicht, ich hasse es, das Wort "völlig" zu benutzen, denn in den Nachrichten wird es heißen: "Oh, er (…) hätte dieses Wort nicht benutzen sollen", aber Tatsache ist, dass sie praktisch immun gegen dieses Problem sind, und wir müssen unsere Schulen öffnen.“

Das Wahlkampfteam des Präsidenten hat die Videopassage im Internet verbreitet. Twitter und Facebook haben den Beitrag anschließend gelöscht, weil er, so die Begründung eines Facebook-Sprechers, „eine Verletzung unserer Richtlinien bezüglich schädlicher COVID-Fehlinformationen darstellt“. Brian Kilmeade, einer der Moderatoren von "Fox & Friends" kritisierte die Entscheidung von Twitter und Facebook als "Big Tech gegen das Weiße Haus". Diese sei „absolut unglaublich“, fuhr Kilmeade fort. „All diese großartigen Ärzte im Silicon Valley werden entscheiden, was richtig und was falsch ist.“

So mancher Kritiker des Präsidenten dürfte Schwierigkeiten haben nachzuvollziehen, was an den Untersuchungsergebnissen der Ärzte über die Ansteckungsrisiken für Kinder falsch sein sollte. Unter den Anhängern der Republikaner ist das anders. Nach einer in dieser Woche veröffentlichten NBC News-Umfrage geben in dieser Wählergruppe nur knapp ein Drittel aller Befragten an, dem Immunologen Anthony Fauci zu vertrauen. Die U.S.-amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC liegt mit 38 Prozent knapp darüber. Donald Trump findet mit seinen Äußerungen über Covid-19 unter den eigenen Wählern hingegen fast 70 Prozent Vertrauen. Nach dieser Umfrage ist der Anteil derer, die jederzeit bereit sind einen Mundschutz zu tragen, sobald sie das Haus verlassen oder auf andere Menschen treffen, unter den Anhängern der Republikaner (48 %) ebenfalls deutlich kleiner als bei den Demokraten (85 %). Nach einer von der New York Times Ende Juli veröffentlichten Umfrage sind letztere auch deutlich unsicherer als die republikanischen Wähler, wenn es darum geht, derzeit in einem Restaurant zu essen, ins Kino zu gehen, in einem Flugzeug zu sitzen oder an einem Konzert teilzunehmen.

Für das Wahlkampfteam unter Leitung von Bill Stepien dürften das polarisierte Meinungsbild und die Fortschritte bei der Wählerregistrierung vor allem in den wichtigen „Swing States“ derzeit wichtiger sein als die durchschnittlichen Zustimmungswerte für den Präsidenten. Der Umstand, dass die große Mehrheit der republikanischen Wähler bei Covid-19 immer noch in Donald Trump vertraut, spricht nicht dafür, dass dieser alsbald einen „Rückwärtsgang“ einlegen könnte.

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Leiter des Auslandsbüros in Washington, D.C.

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