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KAS/Christiane Stahr

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Flucht aus politischen Gründen in der deutschen und europäischen Zeitgeschichte und Gegenwart

Bericht zum 13. Hohenschönhausen-Forum am 18. November 2021

In Kooperation mit der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen fand am 18. November 2021 das 13. Hohenschönhausen Forum statt. In diesem Jahr befasste sich die Tagung mit dem Thema „Flucht aus politischen Gründen in der deutschen und europäischen Zeitgeschichte und Gegenwart“.

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Zu Beginn begrüßte Dr. Michael Borchard, Leiter der Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste/Archiv für Christich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung, Referenten und Teilnehmer. Das Thema Flucht sei ein vielschichtiges und traumatisierendes Thema, so Borchard. Bezugnehmend auf das Buch des Historikers Andreas Kossert „Flucht – Eine Menschheitsgeschichte“ betonte er, die Bundesrepublik sei wie ein Brennglas: „Flucht wurde hier in beinahe allen Facetten erlebt.“ Zur Flucht gehöre aber auch der Prozess des Ankommens mit all seinen sozialen, politischen und psychischen Folgen, ergänzte er.

In seinem Einführungsvortrag ging Dieter Steinecke, Präsident des Landtags von Sachsen-Anhalt a.D., auf das in der Entschließung der UNO-Menschenrechtskommission vom 17. April 1998 festgeschriebene Recht auf Heimat ein. Der erste Hochkommissar für Menschenrechte José Ayala Lasso habe „das Recht, aus der angestammten Heimat nicht vertrieben zu werden, ein fundamentales Menschenrecht“ genannt. Millionen Menschen litten unter dem nationalsozialistischen Terrorregime. Damit habe jede Betrachtung zum Thema zu beginnen. Rund 250.000 Juden verließen bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs Deutschland – sechs Millionen europäische Juden wurden ermordet. Hitlers verbrecherische Politik kehrte sich am Ende gegen das eigene Volk. Zwischen Oktober 1949 und August 1961 verließen mehr als 2,7 Millionen Menschen die DDR. Es war eine eindeutige Abstimmung mit den Füßen, die für die SED vernichtend war. Sie reagierte mit dem Bau der Berliner Mauer. „Unsere Vergangenheit bürdet uns Verantwortung auf“, so Steinecke. Zur politischen Bildungsarbeit und zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR zähle auch der Besuch von Gedenkstätten, um Geschichte begreifbar zu machen. „Eine der wichtigsten Aufgaben unserer und kommender Generationen sehe ich darin, dafür zu sorgen, dass die Erinnerung an die innerdeutsche Grenze und ihre mörderischen Konsequenzen lebendig bleibt.“

Im ersten Panel befasste sich die Tagung mit dem Thema „Flucht als Folge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“. Es wurde moderiert von Dr. Stefan Donth, Leiter des Zeitzeugenarchivs der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Der Historiker und Politikwissenschaftler Prof. Alexander Gallus (TU Chemnitz) umriss in seinem Vortrag anhand der Biographien der jüdischen Intellektuellen William Schlamm und Kurt Hiller die Folgen der Emigration in den 1930er Jahren. Beide gehörten zum Autorenkreis der Zeitschrift „Die Weltbühne“, die bereits in der Weimarer Republik umstritten war 1933 wurde sie verboten. Während Hiller in der Bundesrepublik zum „bedeutendsten Hitz- und Trotzkopf der deutschen Linken“ (Der Spiegel) avancierte, entwickelte sich Schlamm im amerikanischen Exil zum Konservativen. Trotz dieser gegenläufigen Entwicklung blieben sie sich stets in ihrer antitotalitären Einstellung einig und betonten die Bedeutung des Menschen als Individuum.

Die Direktorin der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, Dr. Gundula Bavendamm, betonte in ihrem Vortrag über die Flucht und Vertreibung der Deutschen zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, dass Flucht stets politische Gründe habe. In Deutschland hatten die Vertreibungen nicht erst 1945, sondern bereits 1933 begonnen, als der jüdischen Bevölkerung systematisch die Lebensgrundlage entzogen wurde. Mit der deutschen Expansion ab 1938/39 setzten sich unter dem Stichwort „Lebensraum im Osten“ Deportationen und Vernichtung gewaltsam fort. Ab 1944 begann die Flucht der Deutschen vor der Roten Armee. Bilder von Frauen, Kindern und alten Männern, die sich mit Trecks über die teils zugefrorene Ostsee retteten, oder der Untergang des Flüchtlingsschiffs „Wilhelm Gustloff“ prägen bis heute die Erinnerungskultur. Weniger bekannt sei, dass auch rund 200.000 Deutsche nach Dänemark evakuiert wurden, wo sie bis Ende der 1940er Jahre in Lagern lebten.

Zur Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen aus dem deutschen Osten in der Bundesrepublik und in der DDR referierte der Würzburger Historiker Prof. Matthias Stickler. Während man in der Bundesrepublik vom „Aufstieg des 5. Standes“ gesprochen habe, seien in der DDR Assimilation und Repression im Vordergrund gestanden. Obwohl die Integration ein mühsamer Prozess war, werde sie heute in der Bundesrepublik als Erfolgsgeschichte gefeiert, erklärte Stickler. Die DDR nutze die Eingliederung für gesellschaftliche Veränderungen und Enteignungen. Eine eigenständige Organisation wurde den „Umsiedler“ genannten Vertriebenen in der DDR verboten. Während in der Bundesrepublik das Narrativ der erfolgreichen Integration vorherrschte, gab es dies in der DDR nicht.

Das zweite Panel behandelte Flucht im Kontext der deutschen Teilung und des Mauerbaus. Wie Moderator Dr. Helge Heidemeyer, Vorstand und Direktor der Gedenkstätte Berlin-Höhenschönhausen, zu Beginn hervorhob, stehen die Zäsuren der DDR-Geschichte in einem engen Zusammenhang mit dem Thema Flucht. Hieran anknüpfend, beschrieb Dr. Dierk Hoffmann vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin zunächst die Vorgeschichte und die Entscheidungsprozesse in Moskau und Ost-Berlin, die schließlich zum Mauerbau am 13. August 1961 führten. Im frühen Kalten Krieg war die ehemalige deutsche Reichshauptstadt der zentrale Krisenherd in Europa, wie die Berlin-Krisen 1948 und seit 1958 verdeutlichten. Bis zum Mauerbau verließen rund 2,75 Millionen Menschen die DDR, darunter viele junge Menschen. Die Entscheidung fiel schließlich auf einer Tagung der Warschauer-Pakt-Staaten am 3. August 1961. Die Initiative ging eindeutig von der SED-Führung aus.

Bis zum Mauerbau war das Notaufnahmelager in Berlin-Marienfelde die zentrale Anlaufstelle für Flüchtlinge aus der DDR und Ost-Berlin. Über die Geschichte dieses deutschen Erinnerungsortes referierte die Leiterin der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde, Dr. Bettina Effner. Im Jahre 1952 eröffnet, wurde Marienfelde als „Tor der Freiheit“ zu einem Symbol im frühen Kalten Krieg. Im Anschluss ging Effner auf die Modalitäten des Aufnahmeverfahrens ein. Der Flucht musste eine Bedrohung für Leib und Leben oder andere politische Gründe zugrunde liegen. Anders als bei den Flüchtlingen und Vertriebenen aus den deutschen Ostgebieten wurde kein kollektiver Vertreibungsgrund vorausgesetzt. Abgelehnte Personen wurden nicht in die DDR zurückgeschickt.

Sodann referierte Dr. Maria Nooke, Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, über gescheiterte Fluchtversuche und die Toten an der Berliner Mauer. 140 Menschen kamen an der Berliner Mauer ums Leben. Darunter waren 101 Flüchtlinge, die beim Fluchtversuch erschossen wurden oder verunglückten, zudem 30 Menschen aus Ost und West sowie ein sowjetischer Soldat ohne Fluchtabsicht. Hinzu kamen acht getötete DDR-Grenzsoldaten. Die größte Zahl an Opfern gab es mit 90 Personen in den 1960er Jahren, in den 1970er Jahren waren es 33 und in den 1980er Jahren noch 17 Todesopfer.

Mit seinem Vortrag über den zentralen Beitrag der DDR-Ausreisebewegung zur Destabilisierung der SED-Diktatur schloss Dr. Roger Engelmann vom Stasi-Unterlagen-Archiv im Bundesarchiv an die Ausführungen Nookes an. Die Fluchtbewegung verstärkte sich ab Ende der 1950er Jahre in der zweiten Berlin-Krise, als die Befürchtungen vor einer möglichen Abriegelung Ost-Berlins zunahmen. Vor allem Junge und Gebildete verließen das Land, so dass sich die SED im August 1961 zum Handeln entschloss. In den 1980er Jahren stellte die stark steigende Zahl der Ausreiseanträge das SED-Regime dann vor ein immer größer werdendes Problem, „es war sehr viel Druck im Kessel“, so Engelmann. Von hier aus war der Weg nicht mehr fern bis zu den Ereignissen im Sommer und Herbst 1989. 

Den Auftakt zur gegenwartsbezogenen Diskussionsrunde über Flucht als Herausforderung der internationalen Politik im 21. Jahrhundert bildete der Impulsvortrag von Prof. Gillian Triggs, Assistant High Commissioner for Protection beim Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR. Sie würdigte die vor 70 Jahren verabschiedete Genfer Flüchtlingskonvention. Die Gewährung politischen Schutzes sei eine lange anerkanntes Prinzip, dessen Wurzeln sich bis in das antike Griechenland zurückverfolgen ließen. Doch erst die Allgemeine Deklaration der Menschenrechte 1948 und die Flüchtlingskonvention boten einen anerkannten und globalen Schutzrahmen. Als aktuelle Flüchtlingskrisen hob Triggs Syrien, Eritrea, Afghanistan und Myanmar hervor. Neue Fluchtgefahren drohten infolge des Klimawandels Sie zeigte sich optimistisch, dass durch den 2018 von 181 Staaten verabschiedeten „Global Compact on Refugees“ die Situation der Flüchtlinge weiter verbessert werde.         

Im Anschluss diskutierten unter der Moderation von Herrn Dr. Borchard neben Frau Triggs die Germanistin und Buchautorin Prof. Marina Münkler sowie die Bundestagsabgeordneten Linda Teuteberg (FDP), Dr. Karamba Diaby (SPD) und Thorsten Frei (CDU/CSU). Herr Borchard unterstrich die besondere Aktualität des Themas. Zunächst wurde die Situation an der Grenze zwischen Belarus und Polen diskutiert. Frau Münkler betonte, die Menschen an der Grenze von Belarus und anderswo hätten im Rahmen eines Verfahrens das Recht, ihre Fluchtgründe vorzubringen, dieses Recht müsse ihnen gewährt werden. Bundeskanzlerin Merkel habe richtig gehandelt, als sie mit dem weißrussischen Diktator Lukaschenko Kontakt aufnahm, um die Situation der Flüchtlinge zu verbessern.

Frau Teuteberg betonte, Polen habe in der aktuellen Situation die volle Unterstützung Deutschlands und der EU verdient. Beim Verhalten der Menschen, die die Grenze zu Polen zu überwinden versuchen, handele es sich nicht um das friedliche Vorbringen von Asylgründen. Herr Frei, von Herrn Dr. Borchard nach dem Verhältnis von Humanität und Ordnung befragt, erläuterte, es  müsse konstatiert werden, dass man unter deutscher Ratspräsidentschaft bei der europaweiten Verteilung von Flüchtlingen nicht vorangekommen. Es sei illusionär, wie von linker Seite vorgeschlagen, nun in Belarus gestrandete Flüchtlinge aufzunehmen und das zugleich als Ausnahme darzustellen. Es handele sich bei diesen Personen nicht um Flüchtlinge, sondern um Migranten. An der Trennung zwischen Asyl- und Migrationspolitik müsse unbedingt festgehalten werden. Auf diese Aussagen entgegnete Herr Diaby, Deutschland sei zur Humanität verpflichtet. Die neue Ampel-Koalition werde eine Kehrtwende in der Migrationspolitik vollziehen und ein modernes Einwanderungsrecht schaffen.

Ebenfalls kontrovers diskutiert wurde die Unterscheidung zwischen Flucht aus politischen Gründen und Arbeitsmigration. Herr Frei sprach sich dagegen aus, dass abgelehnte Asylbewerber oder Personen, die falsche Angaben zu ihren Fluchtgründen machten, über den sogenannten „Spurwechsel“ doch noch in den Arbeitsmarkt gelangten und dadurch ein nachträgliches Bleiberecht erhielten. Dem widersprachen Frau Münkler und Herr Diaby, Frau Teuteberg nahm eine Mittelposition ein. Aus Perspektive des UNHCR betonte Frau Triggs, die Arbeitssuche sei nicht die Motivation der Flüchtlinge, die aus politischen Gründen ihre Heimat verließen. Gleichwohl sei es wichtig, auch in den Aufnahmeländern Beschäftigungsmöglichkeiten für anerkannte Flüchtlinge zu schaffen.

In seinem Schlusswort hob Herr Dr. Heidemeyer hervor, ausgehend vom Mauerbau vor 60 Jahren habe das Hohenschönhausen-Forum einen weiten Bogen gespannt. Der Machtanspruch des SED-Regimes habe sich auf alle Lebensbereiche erstreckt, auch auf die Bewegungsfreiheit. Im Rahmen dieser Veranstaltung sei es gelungen, Politik und Wissenschaft zusammenzuführen. Als Ergebnisse aus seiner Sicht hielt er fest:

  1. Der Wunsch nach Freiheit bildet die wichtigste Motivation, um zu fliehen, 
  2. Widerstände gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in den Aufnahmeländern  sind die Regel und müssen durch gesellschaftliches Aushandeln beseitigt werden,
  3. Einwanderung sollte generell als Chance begriffen werden.

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Dr. Philip Rosin

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