Publicador de contenidos

Reportajes internacionales

Frankreichs politischer Jahresauftakt 2009

Politische Neujahrswünsche und Regierungsumbildung

Das neue Jahr wird möglicherweise zur schwierigsten Herausforderung der Amtszeit des französischen Staatspräsidenten. Die französische EU-Ratspräsidentschaft, die sich im Zuge der Georgien-Krise und der internationalen Finanzkrise zum Krisenmanagement entwickelt hatte, kann als erfolgreich bewertet werden.

Publicador de contenidos

Nunmehr muss sich die französische Regierung verstärkt den innenpolitischen Aufgaben stellen. Das neu gegründete Ministerium für den „wirtschaftlichen Aufschwung“ muss das Konjunkturpaket in Höhe von 26 Mrd. umsetzen. Auch sollen die innenpolitischen Reformvorhaben trotz Finanzkrise vorangebracht werden. Darüber hinaus haben erste politische Umbesetzungen in der Regierung bereits im Dezember stattgefunden, eine weitere Kabinettsumbildung wurde am 15. Januar vollzogen. Die Europawahlen im Juni werden zum erneuten politischen Test für die Regierungspartei UMP, die sich auf ihrem Parteitag am 24. Januar mit neuem Führungspersonal präsentieren wird. Die erste größere innenpolitische Herausforderung, der sich die Regierung zu Beginn des Jahres stellen muss, ist der für den 29. Januar landesweit angekündigte Generalstreik.

Traditionell beginnt das neue Jahr in Frankreich politisch mit den diversen „voeux“, den Neujahrsansprachen des Staatspräsidenten, des Premierministers sowie der Präsidenten von Nationalversammlung und Senat an die wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen.

Nicolas Sarkozy gibt sich in seiner Neujahrsansprache vom 31. Dezember an die französische Bevölkerung optimistisch: „In einer Krisenzeit, welche die Welt seit langer Zeit nicht erlebt hat, habe ich versucht, Europa zu verändern“ so Sarkozy und ist überzeugt, dass Europa nicht „erdulden, sondern handeln und beschützen“ müsse. Mit seiner gemeinsamen Antwort auf die Finanzkrise, der Lösung der Georgien-Krise, der Gründung der Mittelmeerunion und dem Klima- und Energieabkommen sei der Beweis erbracht, dass dies möglich sei.

Frankreich sei auch in der Lage, die in 2009 bevorstehenden Herausforderungen zu meistern. Nach den Rettungsmaßnahmen zugunsten der Wirtschaft gelte es nunmehr, die Arbeitsplätze zu sichern. Jeder müsse dazu beitragen, die Krise zu überwinden, denn “aus dieser Krise wird eine neue Welt hervorgehen, auf welche wir uns vorbereiten müssen, indem wir mehr arbeiten, mehr investieren, Reformen verfolgen“, da sie „lebenswichtig“ für die Zukunft seien, betont der französische Staatspräsident.

2009 steht in Frankreich die Krankenhausreform, die Erweiterung der Reform der beruflichen Bildung und der Justizreform, die Reform der Gebietskörperschaften sowie die umstrittene Gymnasialreform und die Privatisierung der Post bevor. „Alle Reformen sollen gemeinsam mit Premierminister François Fillon und der Regierung durchgeführt werden, damit Frankreich seinen Platz in der neuen Welt, die entstehen wird, findet“.

Anfang Januar trat bereits das sehr umstrittene Gesetz zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, d.h. die schrittweise Abschaffung der Fernsehwerbung auf den öffentlich-rechtlichen Sendern in Kraft. Die Gesetzesvorlage hatte im Dezember noch zu Kritik in den Reihen der Opposition aber auch in der breiten Öffentlichkeit geführt. Darin war vorgesehen, alle öffentlichen Sender und Beteiligungen in einer staatlichen Holding zusammen zu fassen, deren Präsident vom Staatspräsidenten nominiert werden soll. Eine direkte Unterordnung des Fernsehens unter den Elysee wurde befürchtet.

Ebenso in der Öffentlichkeit debattiert – insbesondere aber bei den Richtergewerkschaften umstritten – sind Teile der geplanten Justizreform. Die Pläne Sarkozys zur Abschaffung des Amtes des unabhängigen Untersuchungsrichters löste vielfältige Proteste aus, es wurde vor einer verstärkten Einflussnahme der politischen Exekutive und einer Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz und der Rechte der Verteidigung gewarnt.

Weiterer Inhalt des umfangreichen Reformpakets für 2009 ist die Ausweitung der Sonntagsarbeit, über die noch Einigung erzielt werden muss. Darüber hinaus wird die in 2008 begonnene Verfassungsreform in Bezug auf die Parlamentsreform in diesem Jahr fortgesetzt; u.a. steht die Überarbeitung der parlamentarischen Geschäftsordnung, in der für jedes Gesetzesvorhaben ein begrenztes Zeitbudget vorgesehen werden soll, auf der Agenda.

Regierungsumbildung

Bereits im Dezember wurde der erste Teil der Regierungsumbildung vollzogen. Als Reaktion auf die Internationale Finanzkrise wurde am 5. Dezember ein Ministerium für den „wirtschaftlichen Aufschwung“ unter Leitung von Patrick Devedjian geschaffen, der dafür sein Amt als UMP-Generalsekretär aufgab. Dieses Ministerium soll die Umsetzung des von der französischen Regierung lancierten Konjunkturprogramms in Höhe von 26 Mrd. Euro gewährleisten und ist direkt dem Amt von Premierminister François Fillon beigeordnet.

In das Amt des UMP-Generalsekretärs wurde Arbeits- und Sozialminister Xavier Bertrand am 8. Dezember kommissarisch berufen; seine offizielle Ernennung erfolgt im Rahmen des UMP-Parteitages am 24. Januar.

Zum Ende der französischen EU-Ratspräsidentschaft wurde der bisherige Europaminister Jean-Pierre Jouyet zum Präsidenten der Obersten französischen Finanzmarktaufsichtsbehörde ernannt. Ihm folgte Bruno Le Maire, UMP-Abgeordneter und einstiger Kabinettsdirektor des ehemaligen Premierministers Dominique de Villepin, in das Amt des Staatssekretärs für Europäische Angelegenheiten (Ministerebene) und Beauftragten für die deutsch-französische Zusammenarbeit. Damit verfolgt Nicolas Sarkozy zwei strategische Ziele: Mit der Berufung eines eindeutigen „Villepinisten“ in die Regierung setzt er seine Politik der „ouverture“ – der politischen Öffnung – nicht nur gegenüber unterschiedlichen parteipolitischen Strömungen, sondern auch gegenüber den unterschiedlichen Flügeln der UMP fort und schwächt damit auch die Gegner in den eigenen Reihen. Darüber hinaus signalisiert Sarkozy – vor dem Hintergrund der wiederholt aufkeimenden deutsch-französischen Diskrepanzen – mit der Berufung von Bruno Le Maire als ausgewiesenem Deutschlandkenner, der über gute Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, einen konstruktiven Beitrag zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen leisten zu wollen.

Am 15. Januar wurde der zweite Teil dieser ersten Phase der Regierungsumbildung vollzogen. Das Amt des Arbeits- und Sozialministers wird vom bisherigen Minister für Immigration und Integration, Brice Hortefeux übernommen. Es wird zudem um den Bereich „städtische Entwicklung“ ergänzt, der bislang noch im Aufgabenbereich von Ministerin Christine Boutin lag, deren Ressort nunmehr auf das Portfolio „Wohnungsbau“ reduziert wurde.

Die Nachfolge von Brice Hortefeux trat Eric Besson – bisheriger Staatssekretär für Zukunftsfragen, Evaluierung der öffentlichen Politik und die Entwicklung der digitalen Wirtschaft an. Besson ist ein Resultat der politischen „ouverture“. Der ehemalige Sprecher der Sozialistischen Partei und nationale Sekretär der PS in Wirtschaftsfragen hatte im Zuge des Präsidentschaftswahlkampfes mit Ségolène Royal gebrochen und war in das Wahlkampfteam von Nicolas Sarkozy aufgenommen worden. Möglicherweise steht am 24. Januar gar seine Berufung zum stellvertretenden Generalsekretär der UMP zur Debatte.

Auf den Posten von Eric Besson folgte Nathalie Kosciusko-Morizet, die bisherige Staatssekretärin für Umweltfragen, deren Nachfolge bislang noch nicht geregelt wurde.

Das Portfolio von Martin Hirsch, ebenfalls Kandidat der „ouverture“, bisheriger Hoher Kommissar für Solidarität und Armutsbekämpfung wurde um den Bereich Jugend erweitert. Das Hauptziel besteht darin, der Jugend neue Perspektiven zu bieten und vor allem die hohe Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Eine zweite Etappe der Regierungsumbildung steht im Vorfeld der Europawahlen für Mai bevor.

Bewertung und Ausblick

Entgegen aller in den Medien viel diskutierten Diskrepanzen zwischen Staatspräsident und Premierminister – eines hat der Jahresbeginn 2009 verdeutlicht: François Fillon bleibt im Amt – zumindest mittelfristig. Der französische Staatspräsident hat ihm in seiner Neujahrsansprache sein Vertrauen ausgesprochen und ausdrücklich erklärt, die Reformen gemeinsam mit ihm umsetzen zu wollen. Das bedeutet nicht etwa, dass sich Nicolas Sarkozy plötzlich an den Grundsatz der V. Republik – „Die Regierung bestimmt und führt die Leitlinien der Politik durch“ – hält. Nicolas Sarkozy wird weiterhin der „Hyperpräsident“ sein, der die Rolle des Staatspräsidenten und Premierministers gleichzeitig ausübt; aber er hat erkannt, dass es in diesen Krisenzeiten ratsam ist, einen Regierungschef an seiner Seite zu haben, der ihn bei der Umsetzung der Politik unterstützt.

Bei aller Kritik der Opposition und verschiedener Medien an der Kabinettsumbildung als „non-event“ bzw. als reine „technische Anpassung“, wurden dennoch deutliche politische Zeichen gesetzt: In der Beförderung seines engsten politischen Freundes Brice Hortefeux zum Arbeits- und Sozialminister, erklimmt dieser die Vorstufe zum Premierministeramt – ein politischer Testlauf beginnt. Die Berufung Xavier Bertrands an die Spitze der UMP, nachdem Patrick Devedjian zum Minister für den „wirtschaftlichen Aufschwung“ „weggelobt“ wurde, korrigiert einen fatalen Fehler, der nach dem Wahlsieg Nicolas Sarkozys begangen wurde. Die UMP, die sich im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen als erfolgreiche Wahlmaschinerie erwiesen hatte, konnte unter der Führung Devedjians ihrer Rolle als Programmpartei zur Erarbeitung der inhaltlichen Grundlagen für die diversen Reformprojekte nicht gerecht werden.

Von dieser schwachen Position der Partei hat der UMP-Fraktionsvorsitzende, Jean-François Copé in den letzten eineinhalb Jahren profitiert und der Fraktion zu einer starken Stellung innerhalb der Nationalversammlung verholfen. Dabei waren zwei Parallelentwicklungen hilfreich: die Schwächung der Position des Premierministers, der normalerweise in engerer Verbindung zum Parlament steht, bedingt durch die herausgehobene Stellung des Staatspräsidenten in der Person Sarkozys sowie die Verfassungsreform, die dem Parlament eine stärkere Rolle zuweist. Worauf man sich allerdings in Zukunft einzustellen hat, ist das Match Bertrand contra Copé.

Ebenfalls deutlich an der Kabinettsumbildung wird die Verstetigung der „ouverture“, der politischen Öffnung nach links. Wenn auch der ursprünglich aus dem sozialistischen Lager kommende Jean-Pierre Jouyet zum Ende der EU-Ratspräsidentschaft die Regierung verlassen hat, so wurde der abtrünnige Sozialist Eric Besson vom Staatssekretär zum Minister für ein nicht gerade unwesentliches Ressort befördert. Und Martin Hirsch – ebenfalls aus dem Lager der Linken – erfährt eine Erweiterung seines Aufgabenbereichs.

Jedem neuen politischen Problem wurde somit ein neues Ministerium gewidmet, der Finanzkrise das Ministerium für den wirtschaftlichen Aufschwung, den Problemen der Jugend ein Hohes Kommissariat für die die Jugend. Die Regierung besteht derzeit aus 38 Mitgliedern, davon 17 Minister, 20 Staatssekretäre und ein Hoher Kommissar. Die Erhöhung der Anzahl der Ministerien ist aber noch nicht notwendigerweise die Lösung der Probleme und nicht gleichbedeutend mit der schnelleren Umsetzung der Reformen.

Während Nicolas Sarkozy seine Neujahrsansprache hielt, wurden in der Sylvesternacht in den Vorstädten der französischen Metropolen 1147 Autos angezündet – ein deutliches Zeichen für nur eines der ungelösten Probleme in Frankreich, nämlich die weiterhin prekäre Situation in den Banlieues. Hinzu kommen in jüngster Zeit verstärkt antisemitische Übergriffe aber auch Angriffe auf Moscheen seit Beginn der israelischen Offensive im Gaza-Streifen. Jüdisch-muslimische Spannungen in den Vororten nehmen zu. Wenn auch die Regierung die antisemitischen Aktionen als Einzeltaten und nicht als organisierte Angriffe deklariert, so ist man sich des Eskalationspotentials durchaus bewusst. In Frankreich leben ca. 5 Mio Muslime (mehr als in jedem anderen europäischen Land) und ca. 500.000 Juden. Die Spannungen zwischen beiden Gruppen haben sich „deutlich verschärft“ musste auch Innenministerin Michèle Alliot-Marie eingestehen.

Die Regierung ist gezwungen, schnell zu handeln, um nicht gleich zu Beginn des Jahres eine breite Protestwelle in Reaktion auf die sozialen Auswirkungen der Wirtschaftskrise einerseits oder einen „Import des israelischen-palästinensischen Konflikts“ – im Sinne eines erhöhten Gewaltpotentials – andererseits zu erfahren. Die meisten Gewerkschaften des Landes haben zu einem „branchenübergreifenden Aktionstag zur Verteidigung der Arbeitsstellen, der Löhne, der Kaufkraft, der Sozialversicherung und des öffentlichen Dienstes vor der Wirtschaftskrise“ aufgerufen. Besonders im Transport- und Gesundheitswesen, unter den Lehrern, Schülern und Studenten sowie unter den Rentnern und Arbeitslosen aber auch im privaten Sektor ist davon auszugehen, dass diesem Aufruf zum Generalstreik am 29. Januar zahlreich Folge geleistet wird. Damit könnte Frankreich erneut von einer nationalen Paralyse und Blockade des Reformprozesses bedroht sein.

Ein Vorteil für die Regierung bleibt: die politische Opposition ist de facto non existent. Die Sozialistische Partei (PS) hat sich auf ihrem Parteitag im November in Reims, der der Einigung der unterschiedlichen Partei-Strömungen dienen sollte, faktisch gespalten. Die extrem Rechte Le Pens ist seit der letzten Präsidentschaftswahl politisch bedeutungslos. Politische Gegner hat Nicolas Sarkozy demnach nicht zu fürchten – weder aus den eigenen Reihen noch seitens der Opposition.

Compartir

Publicador de contenidos

comment-portlet

Publicador de contenidos

Proporcionado por

Auslandsbüro Frankreich

Publicador de contenidos

Sobre esta serie

La Fundación Konrad Adenauer está representada con oficina propia en unos 70 países en cinco continentes . Los empleados del extranjero pueden informar in situ de primera mano sobre acontecimientos actuales y desarrollos a largo plazo en su país de emplazamiento. En los "informes de países", ellos ofrecen de forma exclusiva a los usuarios de la página web de la fundación Konrad Adenauer análisis, informaciones de trasfondo y evaluaciones.

Obtener información sobre pedidos

erscheinungsort

Sankt Augustin Deutschland