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Reportajes internacionales

Indonesien vier Wochen vor der Parlamentswahl

de Sabrina Hackel
Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Optimismus und Desillusionierung – die Gegensätze in den Erwartungshaltungen der indonesischen Bevölkerung könnten nicht größer sein: In Indonesien, mit rund 220 Millionen Menschen die drittgrößte Demokratie de Welt nach Indien und den USA, stehen ab April 2004 zum zweiten Mal nach dem Ende der Suharto-Diktatur 1998 gleich mehrere für die zukünftige Entwicklung des Landes wichtige Wahlen ins Haus, die im Unterschied zum Urnengang von 1999 unter fast völlig veränderten Regeln ablaufen werden. Verlauf und Ergebnisse dieser Wahlen werden richtungsweisend sein für die Beantwortung der Frage, ob Indonesien seine drei größten Zukunftsherausforderungen – wirtschaftliche Erholung, Demokratisierung und staatliche Einheit – erfolgreich meistert oder nicht. Insofern beinflussen die indonesischen Wahlen dieses Jahres auch den weiteren Entwicklungsweg und die Stabilität der gesamten südostasiatischen Region.

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Neben den Wahlen zum Repräsentantenhaus am 5. April werden in diesem Jahr erstmalig in zwei Runden am 5. Juli und 20. September direkte Präsidentschaftswahlen abgehalten. Beide Gewalten, Legislative und Exekutive, erhalten somit eine deutlichere und voneinander unabhängige Legitimitätsgrundlage durch das Volk.

Verändert sind auch die Regeln zur Wahl der Parlamente von der nationalen bis zur lokalen Ebene. Am 5. April werden neben dem Repräsentantenhaus (DPR) auch die Regionalparlamente auf Provinz- und Distriktebene (DPR-D) sowie der durch die vierte Verfassungsänderung im Jahr 2002 neu geschaffene Regionalrat (DPD) gewählt. Insgesamt steigen 7.756 Kandidaten aus 24 politischen Parteien in den Ring. Durch die Ergebnisse eines per Gesetz im vergangenen Jahr eingeführten, strengeren Prüfungsverfahrens der nationalen Wahlkommission Indonesiens (KPU) bezüglich des Organisationsgrades aller Parteien, die sich ursprünglich um die Teilnahmeberechtigung an der nationalen Wahl beworben hatten, wurde die Anzahl der am Ende zugelassenen Parteien gegenüber der Wahl 1999 deutlich reduziert.

Neu ist auch, dass jetzt nicht nur ausschliesslich Parteilisten, sondern erstmals zusätzlich auch einzelne Kandidaten, die unter diesen Parteilisten aufgeführt sind, gewählt werden können. Der Regionalrat (DPD), der künftig die Rolle der höchst unterschiedlichen Regionen Indonesiens bei der Gesetzgebung stärken soll, wird sich sogar gänzlich aus Kandidaten zusammensetzen, die keiner Partei angehören dürfen.

Das „Center for Electoral Reform“ (CETRO) hofft, dass durch das veränderte Wahlsystem Parteien und Wähler bewogen werden können, bei der Nominierung und Wahl von Kandidaten mehr auf persönliche, vor allem charakterliche Qualifikationen zu achten. Im Gegensatz zum früher angewandten Verfahren ist das gesamte Land nunmehr in Wahlbezirke aufgeteilt worden. Zwar wird es dadurch nicht nur einen, sondern möglicherweise sogar mehrere direkt gewählte Abgeordnete pro Stimmbezirk geben, aber immerhin, so CETRO, sei durch die Zuordnung der Kandidaten zu Stimmbezirken der erste Schritt zu einer engeren Beziehung zwischen Wähler und gewähltem Volksvertreter getan worden.

Die große indonesische Nicht-Regierungsorganisation, die sich seit Jahren um die Demokratisierung auch des Wahlsystems im Land kümmert, erhofft sich von dieser rechtlichen Neuerung, dass der Einfluss der Parteiführungen auf das politische Schicksal ihrer Parlamentsabgeordneten verringert wird: Nach geltendem Recht nämlich können derzeit die Parteiführungen durch Entzug der Parteimitgliedschaft auch den Mandatsverlust eines Abgeordneten herbeiführen. Dieses höchst undemokratische Disziplinierungsinstrument war der indonesischen Zivilgesellschaft immer ein Dorn im Auge.

Nun setzt man darauf, dass die gewählten Abgeordneten eines Stimmbezirks eine größere Bereitschaft entwickeln, sich intensiver als bisher auch mit den Problemen ihrer lokalen Wählerklientel auseinander zu setzen. Dies ist um so nötiger, als das indonesische Repräsentantenhaus auch im sechsten Jahr seit Beginn der politischen Reform noch immer nicht die Notwendigkeit gesehen hat, einen Petitionsausschuss einzurichten, wie es für jedes wirklich demokratische Parlament eine Selbstverständlichkeit ist.

Trotz der erstmals eingeführten Direktwahl des Präsidenten werden die Wahlen zum Repräsentantenhaus durchaus erheblichen Einfluss auf die Bestimmung des künftigen Staatsoberhauptes haben. Das nationale Parlament hat nämlich nach dem Gesetz zur Wahl des Präsidenten das Recht und die Pflicht, Kandidaten für die Präsidentschaftswahl zu nominieren. Dazu bedarf es entweder eines Anteils von drei Prozent der Sitze im Repräsentantenhaus oder fünf Prozent der abgegeben Stimmen für eine Partei – angesichts von rund 150 Millionen Wahlberechtigten keine leichte Aufgabe insbesondere für die kleineren politischen Kräfte.

Anlass zu grossen Spekulationen gab das bisherige Strippenziehen der politischen Kräfte hinsichtlich infrage kommender Präsidentschaftskandidaten. Das Präsidentenwahlgesetz schreibt vor, dass nur Kandidatenduos für die Ämter des Präsidenten und Vizepräsidenten antreten dürfen. Die wenigsten Parteien haben sich bereits auf Kandidaten festgelegt – und umgekehrt. Lediglich Präsidentin Megawati Sukarnoputri und der Sprecher der Beratenden Volksversammlung (MPR), Amien Rais, sind zur Kandidatur fest entschlossen. Anderen potentiellen Bewerbern steht entweder noch die Nominierung durch ihre eigenen Parteien bevor, oder sie werden, sofern sie keiner der grossen politischen Kräfte angehören, erst das Abschneiden der Parteien bei den Wahlen zum Repräsentantenhaus abwarten, bevor sie sich festlegen, ob, und wenn ja, für welche sie antreten werden – so beispielsweise im Fall des Vorsitzenden der größten moslemischen Massenorganisation „Nadhlatul Ulama“ (NU), Hasyim Muzhadi.

Die Zusammensetzung des Parlamens wird für die Effizienz der künftigen Regierungsarbeit entscheidend sein. Die Kammer hat neben ihrer Gesetzgebungs- und Kontrollfunktion auch das Recht, die Mitglieder des Rechnungshofes, der nationalen Wahlkommission und der Menschenrechtskommission zu berufen sowei bei anderen bedeutenden Personalentscheidungen mitzuwirken. Darunter fällt seit neuestem auch die Berufung der Richter des erstmalig in der Geschichte der Republik Indonesien im vergangenen Jahr eingerichteten Verfassungsgerichts. Eine Parlamentsmehrheit, die im Gegensatz zu den politischen Zielsetzungen des Präsidenten steht (das hatte zuletzt in besonders schwerwiegender Form der Vorgänger Megawatis, Abdurrahman Wahid, von 1999 bis 2001 zu spüren bekommen) ist das letzte, was Indonesien in seiner gegenwärtigen Situation gebrauchen kann.

Wer auch immer aus den Wahlgängen des Jahres 2004 als Sieger hervorgehen wird: Es warten eine Reihe gravierender Probleme auf die künftig Regierenden. Vieles davon ist nicht neu und hätte längst wirksamer Lösungen bedurft. Indonesiens Wirtschaft hat sich nach der Krise von 1997/98 noch nicht wieder erholt. Mit nur rund vier Prozent Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2003 wuchs die Wirtschaft des Landes im Vergleich zum Vorjahr zwar leicht an, ihre Leistungsfähigkeit liegt aber dennoch weit unter dem Vorkrisenniveau und vor allem unterhalb jener Wachstumsziele, die zu erreichen nötig wäre, um ausreichend Beschäftigungsmöglichkeiten für die aufgrund der demographischen Entwicklung alljährlich zu Hunderttausenden auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen zu schaffen.

Viele Investoren haben sich im Zuge der Asienkrise und der gewaltsamen politischen Umbrüche in Indonesien, die zum Ende der „Neuen Ordnung“ Suhartos („Orde Baru“) führten, aus dem Land zurückgezogen und denken nicht einmal an Rückkehr. Attraktivere Investitionsregionen in Ost- und Südostasien (v.a. die VR China und Vietnam) sowie das keineswegs wieder hergestellte Vertrauen in die politische und ökonomische Stabilitätspolitik der Regierung hielten sie bisher davon ab. Doch selbst, wenn die Investitionen theoretisch im nächsten Jahr zurückkehrten, würde sich dies nach Ansicht indonesischer Wirtschaftswissenschaftler frühestens 2007 durch erfreulichere Wachstumszahlen bemerkbar machen. Grund ist, dass das Land inzwischen dringende wirtschaftliche und politische Reformen in der Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik, im öffentlichen Sektor und vor allem hinsichtlich der Erlangung von Rechtsstaatlichkeit einleiten müsste, wozu bisher entweder der politische Wille oder andere wichtige Voraussetzungen gefehlt haben.

Auch in sozialer Hinsicht muss viel geleistet werden. Die offizielle Arbeitslosenquote lag 2002 bei rund zehn Prozent in einem Land, dessen Bevölkerung zu 30 Prozent jünger als 15 Jahre alt ist; inoffizielle Zahlen sprechen sogar von mehr als 45 Millionen Arbeitslosen. Rund ein Viertel der Indonesier lebt unterhalb der Armutsgrenze.

Neben der stagnierenden Wirtschaft gibt es laut Umfragen noch eine andere grosse Herausforderung, die jedoch ebenfalls nicht erst seit gestern besteht: Die Ausmerzung von KKN, die indonesische Abkürzung für Korruption, Kollusion und Nepotismus. KKN wirksam und erfolgreich zu bekämpfen, sieht jeder dritte Indonesier als Hauptaufgabe der neuen Regierung an. Bedingt durch die schwierige soziale Gesamtsituation der Menschen ist es ihnen allerdings noch immer am wichtigsten, Unterstützung beim täglichen Überlebenskampf zu erhalten. Deshalb steht die Befriedigung von Grundbedürfnissen (vor allem die Arbeitsplatzbeschaffung) ganz oben auf der Prioritätenliste der Wähler. Die Lösungskompetenz, die die Wähler den einzelnen Parteien bei der Bewältigung dieser Probleme zuordnen, sollte daher für das Wahlergebnis entscheidend sein.

Wieviele und welche Parteien ins Parlament einziehen, kann derzeit auch nicht annähernd vorausgesagt werden. Die Ursache hierfür ist in erster Linie das neue Wahlsystem, insbesondere der Zuschnitt der Wahlbezirke. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass es bei der parlamentarischen Beratung dieser Frage eine inoffizielle Hinterzimmer-Koalition der beiden größten Parteien PDI-P und Golkar gegeben habe, um ihre eigenen Interessen zulasten der kleineren Parteien zu schützen. Insbesondere die in Indonesien im Gegensatz zu Deutschland beim Wahlkreiszuschnitt bewusst nicht beachtete gleichmäßige Gewichtung der zur Erlangung eines Parlamentsmandats erforderlichen Wähler- bzw. Stimmenanzahl dürfte sich äußerst nachteilig auf die Wahlergebnisse kleinere Parteien auswirken. Der Sieg der Etablierten scheint somit auf den ersten Blick sicher zu sein. Aber ein zweiter Blick lohnt sich.

Obwohl selbst laut unterschiedlichen demoskopischen Umfragen die Unterstützung für Megawati Sukarnoputri als Präsidentschaftskandidatin im Vergleich zu anderen potentiellen Amtsbewerbern noch immer am höchsten ist, hat ihre Partei PDI-P in den letzten Monaten offensichtlich kräftig an Zustimmung eingebüsst: Erhielt sie 1999 noch 33,7 Prozent der Stimmen, wäre sie - laut Umfragen - im Dezember 2003 lediglich auf einen Anteil von 19 Prozent gekommen. Die PDI-P ist ein besonders markantes Symbol für die Desillusionierung der Wähler.

So wie Megawati 1999 als Hoffnungsträgerin der sogenannten „kleinen Leute“ galt, hatten viele damals aus der Erwartung heraus PDI-P gewählt, diese Partei würde sich der Probleme breiter Bevölkerungsschichten annehmen und einen konsequenten Kampf gegen die allgemeine Korruption führen. Stattdessen haben sowohl Präsidentin als auch Partei durch eine Reihe unpopulärer Schritte und Entscheidungen Sympathien verloren. Die Frustration ist insbesondere auch unter den Parteikadern spürbar, nachdem Megawati vornehmlich im letzten Jahr bei vielen Gelegenheiten nicht mehr im Stande war, sowohl der Basis als auch den Mandatsträgern ihre Sach- und vor allem Personalentscheidungen überzeugend zu vermitteln. Nachteilig wirkt sich aus, dass die PDI-P innerhalb des Parteienspektrums keinesfalls mehr das Image einer vom Korruptionsverdacht freien Partei trägt und sich deshalb auch nicht mehr politisch-ethisch profilieren kann. Das führende indonesische Nachrichtenmagazin „Tempo“ bezeichnete die PDI-P jüngst als „Megawati-Fanclub“, der ohne seine Vorsitzende überhaupt nicht lebensfähig sei.

Und auch die Präsidentin selbst bezieht ihr trotz allem noch überwiegend positives Image keineswegs aus persönlichem Charisma bzw. politischer Strahlkraft. Beides spricht ihr ein Grossteil der in der Regel nicht besonders gut ausgebildeten Bevölkerung nur aufgrund der Tatsache zu, dass sie Tocher von „Bung Karno“ ist, eine respektvolle Anrede für ihren Vater und Staatsgründer, Präsident Sukarno, der im Ruf stand, die Volksmassen durch engagierte und emotionale Reden in seinen Bann zu ziehen. Wer die Präsidentin jedoch bei ihren öffentlichen Auftritten selbst erlebt, wird feststellen müssen, dass Charisma und Redetalent offensichtlich nicht zu den Dingen gehören, die ihr Vater ihr vererbt hat.

Golkar, die ehemalige Staatspartei unter Suharto, gilt zum jetzigen Zeitpunkt als Favorit für die Parlamentswahlen im April. Obwohl Golkar auch im derzeitigen Multiparteien-Kabinett auf Schlüsselpositionen politische Mitverantwortung trägt, ist es der Partei offensichtlich gelungen, nicht in den Strudel negativer Wahrnehmung des grossen Koalitionspartners PDI-P hineingezogen zu werden. Immerhin haben bei mehren Umfragen die Indonesier dieser Partei hinsichtlich solcher Probleme wie wirtschaftlicher Stagnation, Arbeitslosigkeit und Rechtsreform die größte Problemlösungskompetenz zugeschrieben.

Belastet ist die Partei allerdings durch ihre Rolle als politisches Vehikel während der Diktatur und der Verwicklung mehrerer damaliger wie heutiger Amtsträger in undurchsichtige Vorgänge; nicht umsonst glauben nur wenige Indonesier ernsthaft, dass Golkar imstande sein könnte, das Dauerproblem KKN in den Griff zu bekommen. Jedoch profitiert Golkar besonders bei den sozial schwachen Schichten der Gesellschaft von der Unzufriedenheit mit der PDI-P, was wiederum beweist, wie sehr die Partei des Staatsoberhauptes in einem Präsidialsystem mit den Erfolgen und Misserfolgen der obersten Führungspersönlichkeit verbunden wird, selbst dann, wenn wie im Fall von Megawati und PDI-P von einer festen Verwurzelung der Vorsitzenden im Mitgliedergefüge ihrer Partei nicht unbedingt gesprochen werden kann.

Dass Megawati trotz all ihrer persönlichen Defizite und politischen Fehler gleichwohl als Einzelperson und Präsidentin eine noch immer unerreicht hohe Wertschätzung genießt, dürfte letztendlich auch in der Neigung der Indonesier begründet liegen, sich nicht unbedingt intensiv mit den Leistungsbilanzen von Politikern und Parteien auseinandersetzen zu wollen. Dazu wird im größten Inselarchipel der Welt traditionell die Beziehung zwischen Wähler und Gewähltem noch immer noch viel zu sehr von paternalistischen Aspekten beeinflusst, und zumindestens die Rolle als „Mutter der Nation“ hat Megawati bisher zufriedenstellend gespielt.

Wie alle Wahlkämpfe weltweit weist auch dieser bemerkenswerte Farbtupfer auf. Dazu zählt unter anderem, dass sich die alten Kräfte der „Neuen Ordnung“ auf die politische Bühne zurückbegeben haben. Unzufriedenheit mit dem Verlauf des Demokratisierungs- und Reformprozesses haben die Nostalgie für die „guten alten Zeiten“ steigen lassen. SARS verbreitete sich rapide, was im politischen Indonesien allerdings „Sindrom Aku Rindu Suharto“ („Ich vermisse Suharto“-Syndrom) heisst. Anzeichen dafür, dass die Suharto-Familie und ihre Anhängerschaft noch keinesfalls gänzlich in der Versenkung verschwunden sind, ist die Gründung der „National Functional Party“ (PKPB), die, so will es das Nachrichtenmagazin „Tempo“ wissen, auf eine Initiative des Ex-Dikators zurück geht.

Die „alte Golkar“, wie der Parteivorsitzende und ehemalige Armeechef Hartono seine Organisation in Abgrenzung zur Regierungspartei Golkar nennt, rechnet vor allem mit Unterstützung durch zwei Wählergruppen: ehemalige hochrangige Golkar-Funktionäre und Angehörige des noch immer einflussreichen Militärs. Auch eine Reihe von Verbänden und Organisationen, die politisch aus der Zeit der „Orde Baru“ stammen, hofft die Parteispitze für sich zu gewinnen. Kaum jemand zweifelt daran, dass die Nähe der PKPB zum „inneren Kreis von Cendana“ (so heisst die Strasse im Zentrum Jakartas, wo der greise Ex-Präsident lebt) der Partei eine gesicherte Finanzierung und gute Kontakte zu noch immer einflussreichen Kräften im Land sichern wird. Ob die ins Gespräch gebrachte Präsidentschaftskandidatur der früher allmächtigen, ältesten Suharto-Tochter Siti Hardianti Rukmana („Tutud“) mehr als ein Public Relations-Gag ist oder ihr tatsächlich nennenswerte Unterstützung einbringt, wird sich erst am Wahltag zeigen.

Eine Unbekannte sowohl hinsichtlich des Ausgangs der Parlaments- als auch der Präsidentschaftswahlen bleiben sowohl die religiösen Parteien als auch ihre Spitzenpolitiker. Unstrittig ist, dass der politische Islam auch weiterhin eine bedeutende Rolle in Indonesien spielen wird, selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass diejenigen islamischen Parteien, welche das islamische Recht Scharia in der Verfassung verankert sehen wollten, mit dieser in der Vergangenheit bereits mehrfach erhobenen Forderung auch in der abgelaufenen Wahlperiode erneut gescheitert sind.

Ohne den 11. September 2001 und die US-Interventionen in Afghanistan und im Irak – letztere stiessen in Indonesien auf besonders heftige Ablehnung und Kritik – hätten die Vertreter der religiösen Parteien deutlich weniger Gelegenheit zur Profilierung gehabt als ohnehin schon. Nach weit verbreiteter Auffassung konnten sie sich weder durch außergewöhnliche politische Leistungen noch durch besonders effektive Wahrnehmung moslemischer Sonderinteressen auszeichnen, sofern man einmal von einem nationalen Bildungsgesetz absieht, das vordergründig den Interessen der moslemischen Bevölkerungsmehrheit entgegenkommt.

Vor diesem Hintergrund muss beispielsweise das Ziel eines 20-prozentigen Stimmenanteils, das sich Vize-Präsident Hamzah Haz für die von ihm geführte PPP gesetzt hat, als äußert ambitioniert bewertet werden. Haz hat durch seine Amtsführung als Vizepräsident unter Megawati das Voruteil bestätigt, dass diese Position weitgehend machtlos ist. Dieses Manko versuchte er des öfteren durch provokative, gegen die USA, den Westen und Nicht-Moslems gerichtete Äußerungen wettzumachen, die ihm erhebliche, dem Image Indonesiens in der Welt gleichwohl nicht immer zuträgliche Publicity eintrugen.

Die noch immer offiziell nicht bestrittenen Präsidentschaftsambitionen des früheren Staatschefs Abdurrahman Wahid („Gus Dur“) verwundern nicht nur ausländische Beobachter, sondern zunehmend auch viele Indonesier, die seine turbulente, um nicht zu sagen chaotische Amtszeit (1999-2001), die von zahlreichen innenpolitischen Konflikten geprägt war, noch nicht vergessen haben. Körperlich stark behindert, wird er schon allein als physisch ungeeignet für das strapaziöse Amt befunden.

Trotzdem bleibt seine Partei PKB beim Wettbewerb um die Stimmen besonders der in Java lebenden Moslems ein wichtiger Faktor. Die Partei war und ist der politische Fortsatz der größten moslemischen Massenorganisation des Landes, „Nahdlatul Ulama“ (NU) mit ca. 40 Millionen Mitgliedern. Allerdings, so belegen demoskopische Untersuchungen immer wieder, wählen nicht alle Moslems automatisch religiöse Parteien, sondern viele von ihnen haben ihre politische Heimat bei den sogenannten nationalen Parteien PDIP und Golkar.

Für den Sprecher der Beratenden Volksversammlung (MPR, im bisherigen Staatsaufbau das oberste Verfassungsorgan des Landes), Amien Rais, dürften die diesjährigen Präsidentschaftswahlen eine Wegscheide in seiner politischen Karriere bedeuten. Schon 1999 waren er und seine Partei PAN mit grossen Hoffnungen angetreten, aber im Endeffekt viel zu kurz gesprungen. PAN wurde eine sieben-Prozent-Partei, und Rais blieb bei der Besetzung vom Präsidenten- und Vizepräsidentenamt aussen vor. Auch wenn ihm sein derzeitiges Staatsamt viel Gelegenheit zur öffentlichkeitswirksamen Auftritten gegeben hat, ist er bis heute den Beweis schuldig geblieben, dass er die Volksmassen politisch effektiv für sich mobilisieren kann. Erreichen er und seine Partei diesmal keine überzeugenderen Ergebnisse als 1999, ist kaum vorstellbar, dass er seine ambitionierten Karrierehoffnungen in Zukunft noch verwirklichen kann.

Sorgen bereitet der KPU, dass das neue Wahlsystem noch weitgehend unbekannt ist. Die Wahlkommission, deren Aufgabe es ist, sich um die Sozialisierung der neuen Wahlverfahren zu kümmern, war in den vergangenen Wochen weit mehr mit administrativen und technischen Dingen beschäftigt, so z.B. der noch immer nicht gewährleisteten Verfügbarkeit vorschriftsmäßiger Wahlurnen und Stimmzettel in allen Wahlbezirken. Abgesehen von solchen Aspekten, die unter normalen Umständen bereits vor Monaten hätten geklärt werden können, steht aufgrund der spürbaren Politik(er)verdrossenheit der Indonesier ein grosses Fragezeichen hinter der Wahlbeteiligung. Besorgniserregend ist auch die Aussicht auf den v.a. aufgrund der Unklarheiten im Umgang mit dem neuen Wahlsystem zu erwartenden hohen Anteil ungültiger Stimmen.

Mit Blick auf die in Indonesien traditionell von z.T. gewalttätigen Auseinandersetzungen begleiteten Wahlkämpfe hat die Nationale Wahlkommission die Periode des „heissen“ Wahlkampfs auf den Zeitraum vom 11. März bis 01. April beschränkt. Danach folgt eine dreitägige „stille Zeit“. Es bleibt zu hoffen, dass die Indonesier v.a. sie zur Besinnung auf eine weitsichtige Wahlentscheidung nutzen.

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