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Reportajes internacionales

Israel nach der Militäroperation gegen die Hamas im Gazastreifen

Am 18. Januar 2009 wurden offiziell die Kampfhandlungen gegen die radikalislamische Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen eingestellt. Für eine umfassende Analyse der Auswirkungen dieser Militäroperation ist es noch zu früh. Auf vielen Ebenen, d.h. militärisch, politisch, in den Medien, auch juristisch, dauern die Auseinandersetzungen noch an. Dennoch lassen sich erste Auswirkungen erkennen, die hier analysiert werden sollen. Unmittelbare Auswirkungen hat der Krieg auf die am 10. Februar 2009 anstehende Knessetwahl in Israel.

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Immer noch werden fast täglich Raketen – auch mit längerer Reichweite – aus dem Gazastreifen auf den Süden Israels abgefeuert. Zwar wird für den jüngsten Raketenbeschuss nicht direkt die Hamas verantwortlich gemacht, sondern andere radikale Gruppen wie die der Fatah nahe stehenden Al-Aqsa Brigaden. Von Kommentatoren wird davon ausgegangen, dass dieser Raketenbeschuss nicht grundsätzlich das Ende der Kampfhandlungen in Frage stellt. Vielmehr teste die Hamas – die letztlich de facto die Macht im Gazastreifen hat - die Grenzen aus, bevor ein formales Waffenruheabkommen geschlossen ist. Die Hamas kann zudem wahrscheinlich mit Recht davon ausgehen, dass es vor den israelischen Parlamentswahlen in wenigen Tagen keine größeren Militäroperationen der israelischen Armee im Gazastreifen geben wird.

Unter ägyptischer Vermittlung werden gegenwärtig die Einzelheiten einer Waffenruhe ausgehandelt. Die Hamas legt dabei vor allem Wert auf die Öffnung der Grenzübergänge und den freien Warenverkehr, um so den Wiederaufbau zu ermöglichen. Die Hamas braucht für den Wiederaufbau, auch die Konsolidierung ihrer Macht möglichst schnell eine Waffenruhe. Allerdings will sie sich auf eine Waffenruhe nur für maximal ein Jahr einlassen.

Für Israel ist eine Einigung nicht denkbar, wenn sie nicht auch um Freilassung des vor zweieinhalb Jahren entführten Soldaten Gilad Shalit umfasst. Die Hamas hatte die Verknüpfung der Grenzöffnung mit dem Schicksal von Gilad Shalit lange abgelehnt. Offenbar werden aber jetzt konkrete Verhandlungen um den Preis für Shalit geführt. Dabei geht es u. a. um die Freilassung von Gefangenen der Hamas aus israelischen Gefängnissen, aber auch um den Umfang der Liste von Waren, welche in den Gazastreifen gelassen werden. Es wird erwartet, dass eine Einigung bevorsteht, auch wenn eher unwahrscheinlich ist, dass Shalit noch vor den Wahlen freigelassen wird – eher wohl noch vor dem Ende der Amtszeit Olmerts. Sollte jedoch Gilat Shalit noch vor den Wahlen freikommen, könnte das Wahlergebnis davon noch einmal wesentlich beeinflusst werden.

Auch die Organisation des Wiederaufbaus in Gaza ist noch nicht geklärt. Aus israelischer Perspektive geht es vor allem darum, der Hamas nicht zu ermöglichen, aus dem Wiederaufbau politisches Kapital zu schlagen sowie die militärische Infrastruktur wieder aufzubauen. Die Steuerung der Finanzierung, etwa die angestrebte Abwicklung der internationalen Hilfsgelder über die Palästinensische Autonomiebehörde Mahmud Abbas’ ist dabei nur ein Element, die Steuerung der konkreten Belieferung mit Gütern, vor allem auch Baumaterial, ein mindestens genauso wichtiges.

Unmittelbare Auswirkung hat die Militäroperation auf die anstehenden Parlamentswahlen in Israel in der nächsten Woche. Der große Gewinner war zunächst Ehud Barak: seine Umfragewerte und die der Arbeitspartei haben sich von unter 10 Mandaten vor dem Krieg auf gegenwärtig je nach Umfrage bis zu 17 Mandaten wesentlich verbessert. Auch die Umfragewerte des Likud konnten profitieren. Benjamin Netanjahu vertritt die Auffassung, dass die Militäroperation bis zur Vernichtung der militärischen Infrastruktur und Verdrängung der Hamas von der Macht im Gazastreifen hätte weitergehen müssen.

Verloren hat dagegen Kadima: Tzipi Livni ist es nicht gelungen, ihre wichtige Rolle bei den sicherheitspolitischen Entscheidungsprozessen während der Militäroperation gegenüber der Öffentlichkeit deutlich zu machen und damit sicherheitspolitische Kompetenz zu zeigen. Dies wurde bereits vor der Militäroperation als eine ihrer Schwachstellen gesehen. Auch das von ihr wesentlich gestaltete diplomatische Ende der Operation in Gaza konnte sie nicht für sich nutzen. Dies hat u. a. dazu geführt, dass sie seit den letzten Tagen im Wahlkampf vor allem auf eine Friedensagenda setzt. Auf der Sicherheitskonferenz in Herzelija Anfang Februar, die bekanntermaßen der Ort von Politikern für wichtige politische Ankündigungen und jetzt Bühne auch für den Wahlkampf ist, hat Livni ganz klar auf eine Friedensagenda gesetzt. Kommentatoren erklären dies damit, dass sie sich in der sicherheitspolitischen Auseinandersetzung gegenüber den Herausforderern Benjamin Netanjahu und Ehud Barak offenbar kaum profilieren konnte und nun ein anderen Akzent setzt. Diese neue Akzentsetzung kam aber nach der Auffassung von Kommentatoren (zu) spät – erst nachdem sie die Profilierung über ihre Rolle bei der Militäraktion versucht hatte. Außerdem ist mehr als unklar, ob in der Situation, in welcher noch Raketen auf den Süden Israels fallen, eine solche Botschaft bei den Wählern positiv ankommen kann.

An Unterstützung gewonnen hat auch die rechtsnationale Partei Israel Beteinu mit Parteiführer Avigdor Liebermann. Liebermann profitiert offenbar davon, dass von vielen nach dem jahrelangen Raketenbeschuss durch radikale Palästinensergruppen nicht Zurückhaltung, sondern eine harte Haltung und ein militärisches Vorgehen als Lösung gegen Terror angesehen werden. Auch der Raketenbeschuss der vergangenen Tage auf den Süden Israels hatte Liebermann noch einmal weitere Unterstützung eingebracht. Zusätzliche Punkte dürfte Liebermann eingebracht haben, dass er von den Arabern in Israel klare Loyalitätszeichen gegenüber dem israelischen Staat fordert und davon die Staatsbürgerschaft abhängig machte.

Der Gazakrieg verschärfte die ohnehin sehr angespannten Beziehungen zwischen Juden und Arabern in Israel. Die zentrale Wahlkommission hatte die arabischen Parteien von der Wahl ausgeschlossen. Arabische Knessetabgeordnete hatten den Staat Israel als jüdischen Staat abgelehnt, bewaffneten Kampf gegen Israel unterstützt und die israelische Regierung emotional und besonders aggressiv angriffen. Das Oberste Gericht hat diesen Ausschluss zwar inzwischen wieder aufgehoben – diese Auseinandersetzung vertiefte aber die Spannungen zwischen Juden und Arabern in Israel noch einmal dramatisch.

Außenpolitisch leidet vor allem die traditionell gute Beziehung Israels mit der Türkei unter dem Gazakrieg, nachdem sich Erdogan mehrfach anti-israelisch geäußert hatte und auf dem Wirtschaftsforum in Davos das Panel mit Präsident Shimon Peres unter Protest verließ. Beide Seiten sind derzeit bemüht, die Beziehungen wieder zu normalisieren. Die Kommentare in Israel schwanken von Interpretationen mit Hinweis auf interne Auseinandersetzungen und Wahlen in der Türkei bis hin zur Neuausrichtung der Politik der Türkei mit stärkerer Orientierung nach Osten.

Auch in Bezug auf die Friedensverhandlungen mit Mahmud Abbas sind die Auswirkungen noch nicht voll absehbar. Allerdings hat der Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen noch einmal die Spaltung der Palästinenser vor Augen geführt. Ohne eine neuerliche Einigung zwischen den verfeindeten Gruppen, vor allem zwischen der Hamas und der Fatah, wird es langfristig keine Aussicht auf die Gründung eines palästinensischen Staates geben.

Eine Einigung der Fatah mit der Hamas und einer möglichen Beteiligung an einer gemeinsamen Regierung – die derzeit nicht absehbar ist – würde dann aber auch grundsätzlich den Umgang mit der Hamas neu zur Disposition stellen. Israel will eine langfristige Legitimierung der Hamas in jedem Fall verhindern.

Auch wenn die demokratische Legitimierung der Präsidentschaft von Mahmud Abbas seit dem 9. Januar 2009 als umstritten gilt, so herrscht in Israel eine pragmatische Haltung dazu vor: wichtiger ist die politische Entscheidung, nicht mit der Hamas, sondern mit dem als moderat geltenden Abbas weiter zu verhandeln, als (verfassungs-)rechtliche Fragen, die vor allem als innerpalästinensisches Problem angesehen werden.

Auch aus israelischer Perspektive ist deshalb ein Problem, dass vor allem die Hamas vom Gazakrieg profitiert hat. Dies wird durch aktuelle Umfragen in den palästinensischen Gebieten, inkl. Gaza unterstützt: Wenn heute Wahlen wären, würde die Hamas nach einer Umfrage des Jerusalem Media and Communications Centre vom 4.2.2009 immerhin 28.6 Prozent der Stimmen erhalten, gegenüber 27.9 der Fatah - wobei die Hamas nach dieser Umfrage stärkere Unterstützung im Westjordanland als im Gazastreifen erhält. Dies dürfte zukünftige Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern nicht einfacher machen.

Eine Mehrheit der Israelis hat zwar in allen Umfragen der vergangenen Monate nach wie vor mit großer Mehrheit einer Zwei-Staaten-Lösung, d.h. der Schaffung eines palästinensischen Staates zugestimmt. Mit dem Gazakrieg stieg jedoch die allgemeine Skepsis, ob dies in absehbarer Zeit realisierbar ist.

Der Annapolis-Prozess des vergangenen Jahres sollte dazu dienen, die Palästinensische Autonomieverwaltung durch intensive Verhandlungen zu stärken und die Hamas durch den Abbruch der Kontakte zu schwächen. Nun verstärkt sich der Eindruck, als habe die Hamas es geschafft, den Annapolis-Prozess endgültig von der Agenda zu verdrängen.

Auf internationaler Ebene gibt es Bewegung in der Frage des Umgangs mit der Hamas. So wird etwa von europäischer Seite, insbesondere vom EU-Außenbeauftragten Xavier Solana, ein Dialog mit der Hamas nicht mehr kategorisch ausgeschlossen. Der Sondergesandte des Quartetts, Toni Blair, hatte bereits einen Dialog mit der Hamas in Aussicht gestellt. Die neue US-amerikanische Außenministerin Hillary Clinton hat zwar erst kürzlich noch einmal auf die drei vom Quartett aufgestellten Kriterien im Umgang mit der Hamas als weiterhin relevant hingewiesen. Allerdings wartet man hier nach dem Besuch des Nahostgesandten George Mitchell noch auf die Formulierung der Nahost-Politik der neuen US-Administration.

Mit verstärkt wachsender Sorge wird nach der Militäroperation gegen die Hamas, die als vom Iran unterstützt gilt, auf die Bemühungen des Iran nach nuklearer Bewaffnung geschaut. Die Ankündigung Obamas, mit dem Iran reden zu wollen, stößt hier auf Skepsis mit Hinweis darauf, dass die Gespräche der Europäer seit fünfeinhalb Jahren keine klaren Ergebnisse erbracht hätten. - Terror, nun auch potentiell nuklear bewaffneter Terror, wird noch einmal verstärkt als größte Bedrohung Israels angesehen.

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Dr. Alexander Brakel

Alexander.Brakel@kas.de

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Auslandsbüro Israel

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