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Reportajes internacionales

Keine Spur von Sommerpause

de Frank Priess

Die Parteien mobilisieren für ein Wahljahr

Von einem "Weihnachtsgeschenk in Höhe von 39,7 Milliarden Dollar" für Argentinien spricht die Wirtschaftszeitschrift "Business Week" und meint die "Panzerung" (`blindaje´) durch ein Paket von Beistandkrediten, das das Land noch vor der Jahreswende mit den internationalen Finanzorganisationen und anderen Geldgebern unter Dach und Fach bringen konnte. Argentinien sicherte sich damit die Zahlungsfähigkeit für die Bedienung der beträchtlichen Auslandsschulden und zur Finanzierung eines veritablen Haushaltsdefizits, das 2001 rund 6,7 Milliarden Dollar erreichen soll. `Blindaje 2001´ ist seitdem das Leitmotiv, unter das die Regierung ihren Feldzug zur Wiedergewinnung öffentlichen Vertrauens gestellt hat. Plakate und Fernsehspots versuchen, den Bürgern die frohe Botschaft einzuhämmern: "Panzerung 2001: Argentinien wächst ohne Risiko".

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Von einem "Konsum ohne Angst" spricht sogar Wirtschaftsminister José Luis Machinea und hofft, über gesteigertes Verbrauchervertrauen die seit rund zwei Jahren in Rezession befindliche Wirtschaft ankurbeln zu können.

"Die Voraussetzungen für wirtschaftliche Erholung sind da. Jetzt kommt es auf die Politiker an". Diese Einschätzung des einflussreichen Wirtschaftsberaters Miguel Angel Broda macht allerdings deutlich, dass es mit Um- und Neuverschuldung allein nicht getan ist. Innere Reformen in vielen Bereichen stehen aus, nachdem die Regierung de la Rúa ihr erstes Amtsjahr nach übereinstimmender Meinung vieler Beobachter mehr oder weniger vertan hat: Keine Strukturreformen in der Wirtschaft, keine Modernisierung der Staatsverwaltung, keine Kostensenkungen für die Unternehmen, stattdessen steigende Steuerlasten, eine höhere Arbeitslosigkeit und Nullwachstum. Die Bilanz von FAZ-Korrespondent Carl Moses: "Argentinien hat wirtschaftlich viel Zeit verloren."

Folgerichtig bastelt daher auch Präsident Fernando de la Rúa an einem neuen "Macherimage": Gleich 26 Dekrete unterzeichnete er allein am 25. Januar, darunter Vorhaben zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, zur Modernisierung des Staates und zur Schaffung eines staatlichen "Multimediums" aus dem Fernsehkanal 7, `Radio Nacional´ und der Nachrichtenagentur TELAM. Schon vorher hatte er per Dekret, eigentlich ein Instrument, dessen Nutzung seine Partei gerade an de la Rúas Vorgänger Carlos Menem immer kritisiert hatte, eine Reform der Altersversicherung und eine Deregulierung im Sozialversicherungsbereich ins Werk gesetzt. Diese Pläne aber - sie beinhalten eine Heraufsetzung des Rentenalters für Frauen, geringere Staatszuschüsse für Basisrenten und den Ersatz staatlicher Rentenkassen durch private Versicherungsträger - stoßen nach wie vor auf heftige Kritik, nicht nur bei den oppositionellen Peronisten.

Auch die Abgeordneten des Koalitionspartners FREPASO haben angekündigt, diese Vorhaben nach dem Ende der Sommerpause zu Fall bringen zu wollen. Stimmt nämlich das Abgeordnetenhaus mit Mehrheit gegen ein Präsidialdekret, verliert es seine Gültigkeit. Auszuschließen ist dies jedenfalls nicht.

Einmal mehr zeigt sich daran, wie fragil das Regierungsbündnis letztlich ist. Geboren als "Anti-Koalition" gegen Carlos Menem und die dominanten Peronisten, war der Vorrat an Gemeinsamkeiten von Anfang an gering. "Moralische Erneuerung und Marktwirtschaft mit sozialem Antlitz" lautete der kleine gemeinsame Nenner, der sich schon bald als Wahlkampfrhetorik entpuppte. Vor allem die Linkspartei FREPASO musste eine Kröte nach der anderen schlucken. Viele ihrer Abgeordneten und Anhänger sehen zwischen dem jetzigen Wirtschaftskurs und dem der Vorgänger kaum einen Unterschied.

Im Umfeld des Korruptionsskandals bei der Abstimmung über die Arbeitsgesetzgebung, der Regierung und Senat voll erfasste, zerbrach dann auch noch der Anschein moralischer Überlegenheit. Abspaltungen und schließlich sogar der Rücktritt des Parteivorsitzenden vom Amt des Vize-Präsidenten waren die Folge. Die Zeitschrift "Noticias" ging in ihrer Ausgabe vom 27. Januar soweit, einen Artikel über den Zustand der Allianz mit einem Grabstein zu bebildern und zu titeln: "Es bleibt nur der Markenname".

Derzeit versucht der Präsident, diese internen Fronten innerhalb der Regierungskoalition zu begradigen. Die Einrichtung eines "Koalitionsausschusses" - ihm gehören der UCR-Parteivorsitzende, Ex-Präsident Raúl Alfonsín, FREPASO-Chef und Ex-Vizepräsident Carlos Alvarez sowie die Kabinettschef Chrystian Colombo, Innenminister Federico Storani und Wirtschaftsminister José Luis Machinea an - soll das permanente Meinungschaos der Seinen unter Kontrolle zu bringen.

Vor allem geht es wohl darum, den rebellischen Carlos Alvarez - er löste mit seinem Rücktritt eine schwere Krise im Herbst des vergangenen Jahres aus - wieder einzubinden. Ob das allerdings gelingt, ist mehr als fraglich. Schließlich stehen im Jahr 2000 wichtige Wahlen an.

Die Logik eines Wahljahres

Dabei holt ausgerechnet der Senatsskandal, den manche schon für "vergessen" hielten, die politischen Akteure ein. Die Staatsanwälte Eduardo Freiler und Federico Delgado nämlich wollen sich mit der Entscheidung von Richter Carlos Liporaci, keine Anklage zu erheben, nicht abfinden: Sieben oder acht der in ihren Augen verdächtigen Senatoren sollen vor den Kadi.

Gleichzeitig geben sie sich überzeugt, dass die Korruptionsgelder aus den Kassen des Geheimdienstes SIDE geflossen sind, der seinerzeit vom engen Freund des Präsidenten Fernando de la Rúa, Fernando de Santibañes, geleitet wurde. Die Verwendung von 6,5 Millionen Dollar, die zwei SIDE-Mitarbeiter am 11. und 13. April per Scheck abgehoben haben, kommen dafür offenbar besonders in Frage.

Die Entscheidung über die Anfechtung der Richterentscheidung liegt nun bei den Richtern Luisa Riva Aramayo und Horacio Vigliani, Mitgliedern des 1. Senats des Bundesgerichts in Buenos Aires. Der Ausgang ist derzeit offen.

Diese Wendung dürfte nicht ohne Einfluss auf die Wiederwahlwünsche einiger der Senatoren bleiben, die auf der Liste der Staatsanwälte stehen. Nach der Entscheidung Liporacis hatten sie sich sofort in den internen Wahlkampf ihrer Parteien gestürzt, um im Oktober erneut einen Sitz im Oberhaus zu gewinnen.

Das wiederum hatte den ehemaligen Vizepräsidenten Carlos Alvarez - er war ja nicht zuletzt wegen der Indifferenz des Präsidenten und der Regierung im Senatsskandal zurückgetreten - so aufgebracht, dass er den kurz zuvor geschlossenen Burgfrieden in der Regierungsallianz gleich wieder brach und vor allem die fraglichen Senatoren des Koalitionspartners UCR zum Verzicht auf ihre Bemühungen aufforderte.

Nach seiner Ansicht ist ein Wiedergewinn der Glaubwürdigkeit des Senats nur durch eine "Neugründung" und einen "ethischen Vertrag" möglich. Für Alvarez ist all dies von besonderer Bedeutung, da er von verschiedenen Seiten und gerade auch vom Präsidenten zu einer Kandidatur für den Senat im Hauptstadtbezirk Buenos Aires gedrängt wird. Dies könnte er glaubwürdig aber nur vertreten, wenn sich im Senat tatsächlich etwas änderte.

Derzeit sind alle Parteien auf der Suche nach der besten Positionierung, zum Teil mit interessanten Neuformationen und Ambitionen. Augenblicklich sehen Umfragen die Peronisten in den wichtigsten Provinzen des Landes - Buenos Aires, Córdoba und Santa Fé - klar vorn, obwohl noch nirgendwo ein klares Kandidatenbild existiert.

Als Strategie dürfte der PJ eine "Provinzialisierung" der landesweiten Wahlen dienen, die es ihr erlaubt, die Arbeit und die Personen ihrer erfolgreichen Gouverneure in den Fordergrund zu stellen, die hohe Zustimmungswerte genießen. Gleiches gilt wohl für die Provinzen La Pampa, Salta, La Rioja, Formosa, San Luis, Jujuy und Santa Cruz.

Pro Provinz sind drei Senatoren erstmals direkt vom Volk zu wählen, wobei die Liste mit den meisten Stimmen zwei Vertreter entsendet und die stärkste Minderheitenliste den verbleibenden Platz erhält. Gleichzeitig steht zudem die Neuwahl der Hälfte der Sitze des Abgeordnetenhauses an, was in beiden Kammern zu Machtverschiebungen führen könnte.

Die Personisten müssen ihre solide Senatsmehrheit verteidigen, für die Allianz-Parteien gilt ein gleiches für das Repräsentantenhaus. Das Hauptaugenmerk allerdings richtet sich bisher auf die sehr viel stärker personalisierte Senatswahl.

In der Provinz Buenos Aires ist davon auszugehen, dass Ex-Präsidentschaftskandidat Eduardo Duhalde sich um einen Senatorenposten bewirbt. Ein Gesetz zur gleichberechtigten Berücksichtigung von Frauen - ein "cupo feminino" soll ihnen die Hälfte der Kandidaturen sichern - zwingt ihn, sich nach einer Partnerin für die sogenannte "formula" umzusehen.

Als aussichtsreich gelten die ehemaligen Bildungsministerin der Provinz, Gianettasio, die Abgeordnete Mabel Müller, aber auch der ehemaligen Bildungsministerin Menems, Susana Decibe, werden Außenseiterchancen eingeräumt. Auf Seiten der Allianz spricht nach wie vor vieles für die Kandidatur des Ex-Präsidenten Raúl Alfonsín. Mit Spannung erwartet man auch das Abschneiden des "Polo Social" des Geistlichen Luis Farinello, der Protestwähler vornehmlich aus dem Spektrum sozial Benachteiligter um sich schart und um einen Sitz im Abgeordnetenhaus kämpft. Da seine Gruppierung nicht die Absicht hat, Kandidaten für die Senatswahl aufzustellen, braucht er den sogenannten "corte de boleta", ein Stimmensplitting, um erfolgreich abzuschneiden. Dies wird ihm bisher durchaus zugetraut.

Der "cupo feminino" zeitigt derzeit noch einen Nebeneffekt mit starkem "Familiencharakter": In zahlreichen Provinzen rekrutieren sich die weiblichen Kandidaten aus dem persönlichen Umfeld bedeutender Männer des Departments: So wird Senator Eduardo Menem in La Rioja bei seiner Kandidatur um eine Wiederwahl von der Schwester des Gouverneurs der Provinz, Ada Mercedes Maza begleitet.

In Córdoba gehen zahlreiche Beobachter von der Senatskandidatur von Olga Riutort aus, Ehefrau von Gouverneur José Manuel de la Sota. Für die Provinzen Neuquen und Santa Cruz sind weibliche Familienmitglieder der Gouverneure schon jetzt in Abgeordnetenhaus und Senat vertreten. Die Wahlvorschrift führt zudem zu Problemen in den Distrikten, wo sich für eine Partei zwei prominente Senatoren zur Wiederwahl stellen wollen, wie zum Beispiel in La Rioja: Nachdem die peronistische "formula" mit Menem und Maza ausgeschöpft ist, bleibt dem bisherigen PJ-Senator Jorge Yoma nur, sich außerhalb der Partei mit einer eigenen Liste zu bewerben, für die er derzeit Verbündete sucht.

Hauptstadtpanorama

Neben der Frage, ob Carlos Alvarez für die Allianz im Hauptstadtdistrikt ins Rennen geht und ob er dabei von Vizebürgermeisterin Cecilia Felgueras begleitet wird, konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Medien ganz besonders auf die dort eigentlich als chancenlos eingestuften Peronisten: Als ein möglicher Kandidat gilt der Präsident des argentinischen Fußballmeisters "Boca Juniors", Mauricio Macri, Spross einer der wichtigsten argentinischen Unternehmerfamilien. Gleichzeitig aber mehren sich die Versuche, den ehemaligen Innenminister der Menem-Regierung, Gustavo Béliz, zu einer Rückkehr in die Reihen der PJ zu überreden und ihn bei der Senatswahl ins Rennen zu schicken.

Vor allem der Sektor um Provinzgouverneur Carlos Ruckauf und den Ex-Präsidentschaftskandidaten Eduardo Duhalde ist an dieser Wendung interessiert und bemüht sich seit Monaten um eine Annäherung.

Ein wichtiges Nebenmotiv dürfte dabei zudem die parteiinterne Auseinandersetzung mit Carlos Menem sein, die mit unverminderter Heftigkeit andauert. Béliz selbst, dessen Gruppierung "Nueva Dirigencia" wohl allein und reduziert auf den Hauptstadtdistrikt wenig Entwicklungschancen hat und als Juniorpartner von Domingo Cavallos "Acción por la República" bei den Bürgermeisterwahlen des vergangenen Jahres scheiterte, scheint dem Angebot keineswegs abgeneigt zu sein. Ob er allerdings die zerstrittenen Peronisten der Hauptstadt hinter seiner Person versammeln könnte und ob das dann zumindest zur stärksten Minderheitenposition und für einen Senatssitz reichte, darf bezweifelt werden.

Auch knüpft Béliz Bedingungen an eine Rückkehr: "Wenn es innerhalb des Peronismus zu größerer Transparenz kommt, könnte man über ein Zusammengehen reden, momentan aber lässt sich darüber keine Entscheidung treffen." Kommt keines dieser Arrangements zustande, bliebe der PJ wohl nur, eine Kandidatur von Irma Roy zu unterstützen, die sich, obwohl Peronistin, bei den zurückliegenden Bürgermeisterwahlen außerhalb der Parteiliste wacker schlug und den offiziellen Parteikandidaten Raúl Granillo Ocampo deutlich hinter sich ließ. In relevante Wählerdimensionen aber konnten beide nicht vorstoßen. Der Neuaufbau der Partei in der Hauptstadt bleibt jedenfalls eine Daueraufgabe.

In einer komfortableren Position befindet sich nach wie vor Domingo Cavallo: Er wird sowohl von der regierenden Allianz als auch von Seiten der Peronisten umworben. Beide brauchen ihn und seine Zugkraft gerade in der oberen Mittelschicht zur langfristigen Etablierung einer tragfähigen Mehrheitsalternative, wie sie etwa die zwei Regierungen von Carlos Menem trug oder Carlos Ruckauf zum Sieg bei den Gouverneurswahlen in der Provinz Buenos Aires verhalf.

Versuchte die Allianz, Cavallo in der einen oder anderen Form ins Regierungshandeln einzubinden - angesichts starker Linkstendenzen in beiden Regierungsparteien eine fast unlösbare Aufgabe -, dürfte die Annäherung der Peronisten wohl eher über lokale Wahlallianzen erfolgen, die die Senatorenzahl der "Acción por la República" nachhaltig erhöhen könnte.

Deutlich verschärft hat sich jedenfalls schon jetzt der Ton der Debatten, nicht zuletzt zwischen dem Präsidenten und dem Gouverneur der Provinz Buenos Aires, Carlos Ruckauf, der bei einem Besuch in Córdoba sichtbar den Schulterschluss mit seinem dortigen Amtskollegen José Manuel de la Sota suchte.

Während de la Rúa dem Provinzchef vorwarf, von eigenen Haushaltsproblemen abzulenken, nur schöne Fotogelegenheiten zu suchen und ansonsten die Schuld für seine Schwierigkeiten bei der nationalen Regierung abzuladen, war Ruckauf dem Präsidenten "groben Undank" vor.

Die personistischen Gouverneure hätten der Regierung bei allen wichtigen Vorhaben zur Sanierung der Staatsfinanzen im Jahre 2000 zur Seite gestanden und auf jegliche Blockade verzichtet. Offenbar reagiere de la Rúa - erstmals griff Ruckauf den Präsidenten damit auch persönlich an - nun auf Ratschläge seiner amerikanischen Berater, eigene Schwäche durch Kampfesposen zu übertünchen.

Das, so Ruckauf in Anspielung auf die deutlich höheren Sympathiewerte peronistischer Gouverneure im Vergleich zum Präsidenten, solle er lieber lassen. Vor dem Hintergrund, dass aus dem familiären Umfeld de la Rúas Wiederwahlabsichten für 2003 artikuliert wurden und Carlos Ruckauf derzeit der am besten positionierte Oppositionskandidat ist, mag der über die Medien ausgetragene Schlagabtausch als Vorgeschmack darauf dienen, was das Wahljahr 2001 noch bereithält.

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Olaf Jacob

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