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Reportajes internacionales

Regierungswechsel und historischer Wahlsieg für die BJP und Narendra Modi

de Dr. Lars Peter Schmidt †, Dr. Malte Gaier

Indiens Parlamentswahlen 2014

Am 16. Mai wurden die Ergebnisse der nationalen Parlamentswahlen, welche am 7. April begannen, verkündet. Die bisherige Oppositionspartei Bharatiya Janata Party (BJP) gewinnt die Wahlen deutlich und erzielt mit 282 Sitzen das stärkstes Ergebnis seit ihrer Gründung 1980.

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Der nominierte Kandidat für das Amt des neuen Premierministers von Seiten der BJP und ihrer oppositionellen Koalition National Democratic Alliance (NDA), der amtierende Chief Minister des Bundesstaates Gujarat, Narendra Modi, wird damit neuer Regierungschef Indiens. Im Gegenzug erleidet die amtierende Regierungspartei, der Indian National Congress (INC), seine größte Niederlage seit der Staatsgründung 1947 und kommt lediglich auf 44 Sitze. Vom 7. April bis zum 12. Mai waren laut Angaben der Wahlkommission rund 815 Millionen Bürger während insgesamt neun Wahlphasen zur Wahl von 9.667 Kandidaten für die 543 Sitze des indischen Parlaments (Lok Sabha) aufgerufen, unter ihnen rund 114 Millionen Erstwähler. Insgesamt belief sich die Wahlbeteiligung landesweit auf 66.4 Prozent, was die historisch höchste Wahlbeteiligung in der Geschichte des Landes bedeutet. Um einen reibungslosen Wahlablauf zu gewährleisten, waren insgesamt acht Millionen Wahlhelfer sowie drei Millionen Sicherheitskräfte im Einsatz.

Die BJP ließ noch während der Stimmauszählung verlauten, dass der überwältigende Wahlsieg Modis mit dem höchsten Wahlergebnis einer politischen Partei seit 1984 seinen Anspruch auf das Amt des nächsten Premierministers Indiens legitimiere. Auf Seiten der Kongresspartei wurde der Wahlausgang erst am Mittag von der Parteivorsitzenden Sonia Gandhi kommentiert; die Wahlniederlage historischen Ausmaßes sei nicht die alleinige Schuld des Spitzenkandidaten Rahul Gandhi, vielmehr erfordere das „kollektive Versagen“ eine innere Reform der Partei in den kommenden Jahren und eine Rückbesinnung auf die alte Parteiprogrammatik links der Mitte.

Die USA hatten bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses an ihrer Formel festgehalten, wonach das seit 2005 de facto bestehende Einreiseverbot Narendra Modis außer Kraft gesetzt werde, sobald Modi als Regierungschef gewählt sei. Bereits zu Beginn der Wahl hatte Pakistans Premierminister Nawaz Sharif bekräftigt, dass sein Land eine demokratisch legitimierte Regierung Modi vorurteilslos anerkennen und gemeinsam mit dieser eine Wiederbelebung der zuletzt stockenden bilateralen Annäherungsbemühungen voranbringen wolle.

Der Wahlsieg der BJP kommt nicht überraschend und ist auf eine in den letzten Mo-naten intensivierte Abwahlstimmung gegenüber der Kongresspartei sowie auf eine konzentrierte Personalisierung des BJP-Wahlkampfes und einen Zuschnitt der Agenda auf die Person Narendra Modis zurückzuführen. Der Wahlsieg wird dementsprechend als Modis Sieg wahrgenommen. Der Wahlkampf der Partei hatte sich bereits im letzten Jahr ausschließlich auf Modi konzentriert, zentrale Themen wie inklusives Wirtschaftswachstum, die Schaffung neuer Arbeitsplätze, eine Verbesserung der Infrastruktur sowie das Thema der Korruptionsbekämpfung wurden dem Wähler ausschließlich in Verbindung mit Modis Leistungen in diesen Bereichen präsentiert. Die indischen Medien - und insbesondere das Fernsehen als landesweites Leitmedium - hatten ihren Teil zur Popularität Modis im Vorwahlkampf beigetragen und Modi, gemessen an Beiträgen und Sendedauer, zu einer medialen Rekord-Präsenz in Indien verholfen. Modis Popularität ist somit nicht zuletzt auch das Ergebnis einer professionell angelegten Medienkampagne, im Rahmen derer sich mehr als 100 Medienexperten, Social Media-Betreuer und zahlreiche Freiwillige aus BJP-nahen Studentenverbänden engagierten. Auch war es dem 64-jährigen Modi im Wahlkampf gelungen, sich glaubwürdig als Mann des Volkes, als ehemaliger Tee-Verkäufer aus einfachsten Verhältnissen und Angehöriger der niederen Ghanchi-Kaste zu präsentieren, der im Gegensatz zur als elitär wahrgenommenen Nehru-Gandhi-Familie keine Verwurzelung in einer politischen Dynastie aufweist. Letztlich konnte selbst Modis ungeklärte Rolle als Chief Minister von Gujarat bei den anti-muslimischen Ausschreitungen 2002, bei denen rund 1.000 Muslime durch Mobgewalt getötet wurden, seiner Popularität keinen großen Schaden zufügen. Deutlich überwog die Hoffnung der Menschen, dass eine stabile Regierung unter Modi positive Auswirkungen auf die derzeit stagnierende Wirtschaft, die Beschäftigungssituation und auf den seit langem eingeforderten politischen Reformwillen im Land haben werde.

Es zahlte sich zudem für die BJP aus, dass Modi im Wahlkampf konsequent eine anti-muslimische Rhetorik vermieden und stattdessen einen religionsübergreifenden und integrativen Ansatz im Interesse der nationalen Einheit betont hat. Das Wahlergebnis und der Blick auf mehrheitlich muslimisch geprägte Wahlkreise, in denen zum Teil mit über 70 Prozent für die BJP gewählt wurde, macht zudem deutlich, dass scheinbar ein erheblicher Teil muslimischer Wähler die interreligiöse Versöhnungsbotschaft, welche die Auftritte Modis in den letzten Wochen durchzogen hatte, als glaubhaft wahrgenommen haben. Darüber hinaus dominierte das Thema der Wirtschaftsreformen das Wahlverhalten vieler Wähler; in diesem Bereich wurde die Partei bereits seit Monaten als dem INC und der gegenwärtigen Regierung überlegen angesehen.

Die wenig positive Bilanz der letzten Kongressregierung unter Premierminister Manmohan Singh sowie das schlechte Image der Partei haben in erheblichem Maße zur Wechselstimmung im Land beigetragen. So war es der Regierung unter Premierminister Singh in der letzten Legislaturperiode, sicherlich auch aufgrund der Blockadewirkung von Seiten der Opposition und kleinerer Koalitionspartner ihrer United Progressive Alliance (UPA) im Parlament nicht gelungen, für einen nachhaltigen, wirtschaftlichen Aufschwung zu sorgen und die galoppierende Inflation zu bekämpfen. So hat sich das Wirtschaftswachstum seit 2010 von 10,3 Prozent auf geschätzte 4,9 Prozent für das Jahr 2014 mehr als halbiert.

Gleichzeitig hat Indien mit hohen Inflationsraten um die 9 Prozent zu kämpfen. Insbesondere die Preise für Lebensmittel und Benzin stiegen in der jüngsten Vergangenheit massiv an und führten zur Unzufriedenheit mit der Regierung. Zudem waren führende Politiker der Kongresspartei immer wieder in Korruptionsfälle verwickelt. Auch war es der von der Kongresspartei geführten Regierungskoalition nicht gelungen, notwendige Wirtschaftsreformen durchzuführen und so das Land für Investoren attraktiver zu machen. Der 43-jährige Rahul Gandhi, derzeit stellvertretender Vorsitzender des INC, der von der Partei unter Führung seiner Mutter Sonia Gandhi erst spät - in den Augen vieler Beobachter zu spät - zum Spitzenkandidaten für das Amt des zukünftigen Premierministers erklärt, dabei aber nie offiziell von der Partei nominiert worden war, konnte trotz vereinzelter Vorstöße am Ende des Vorwahlkampfs kaum Akzente setzen. In Amethi, im traditionellen Wahlkreis der Nehru-Gandhi-Familie im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Uttar Pradesh, ließ die BJP die frühere Schauspielerin Smriti Irani als Herausforderin Rahul Gandhis kandidieren. Hatte Gandhi bei den letzten Wahlen 2009 noch mit 72 Prozent der Stimmen einen deutlichen Sieg davongetragen, so konnte er dieses Mal seinen Wahlkreis zumindest mit knappem Vorsprung verteidigen.

Insgesamt sorgte die als wahlentscheidend geltende Auszählung der 80 Sitze in Uttar Pradesh für eine weitere Überraschung, als deutlich wurde, dass die BJP über die kühnsten Analysen hinaus mehr als 73 Sitze gewinnen konnte. Rahul Gandhi gilt politisch, gerade im Vergleich zu Modi, als unerfahren und war nie formelles Mitglied der Regierung. Die in ihn gesetzten Hoffnungen, die Partei zu modernisieren und insbesondere junge Wählerschichten anzusprechen, konnte Rahul Gandhi nicht erfüllen. Auch seiner Mutter, Sonia Gandhi, der als Vorsitzender der Kongresspartei erheblicher Einfluss auf die letzte Regierung nachgesagt wurde, konnte kaum positive Akzente im Wahlkampf setzten. Erst in der Schlussphase konnte die Schwester von Rahul Gandhi, Priyanka, einige wenige positive Impulse für die Partei anstoßen.

Das Abschneiden der im Zuge der letzten Regionalwahlen im Dezember 2013 vorübergehend an die Regierung in Delhi gelangten Aam Aadmi Partei (AAP) bot eine weitere Überraschung dieser Wahlen: Mit keinem einzigen Sitz aus Delhi musste die neugegründete Protestpartei unter ihrem Führer Arvind Kejriwal mit der Kongresspartei gleichziehen und das Feld für die BJP räumen, welche alle verfügbaren sieben Sitze für sich reklamieren kann. Landesweit kam die AAP lediglich auf vier Sitze. Kejriwal unterlag, wie der INC-Kandidat Ajay Rai im Wahlkreis Varanasi, Uttar Pradesh deutlich Narendra Modi, der neben der als stimmensicher geltenden konservativen Hindu-Hochburg, auch im Wahlkreis Vadodara, Gujarat, als mit Abstand stärkster Kandidat und Sieger hervorging. Mit deutlichen Gewinnen gingen zwei weitere Regionalparteien, die zuletzt keinem der beiden Koalitionsbündnisse UPA und NDA angehört hatten, aus den Wahlen hervor: Die AIADMK aus dem südindischen Tamil Nadu unter der dortigen Chief Ministerin Jayalalithaa Jayaram gewann 37 von 39 Sitzen, während ihre Amtskollegin, die Regierungschefin des Bundesstaates Westbengalen Mamata Banerjee mit ihrer Trinamool Congress Partei (TMC) 34 der insgesamt 40 Sitze sichern konnte.

Die BJP als klarer Wahlsieger sieht sich in den kommenden Tagen vor folgende Herausforderungen gestellt:

  • Gemäß indischer Verfassung wird die BJP als stärkste Partei von Präsident Pranab Mukherjee mit der Regierungsbildung bis zum 1. Juni beauftragt. Sie wird trotz ihrer absoluten Mehrheit versuchen, in einer Koalition zu regieren und dabei ihr bestehendes NDA-Bündnis (nach Stimmauszählung 336 Sitze) zu erweitern. Dabei kann sie sich auf die sichere Unterstützung ihrer Koalitionspartner wie der hindu-nationalistischen Shiv Sena-Partei im Bundesstaat Maharashtra (18 Sitze) und der beiden regionalen Parteien aus Andhra Pradesh, Telugu Desam Partei (16 Sitze) und Telangana Rashtra Samithi (11 Sitze), die mit der kürzlich in Kraft getretenen Teilung des Bundesstaates Andhra Pradesh einen sichtlichen Aufwind erhalten haben, verlassen. Die BJP wird versuchen ihre NDA-Allianz zu erweitern, um neben ihrer Mehrheit in der Lok Sabha auch in der zweiten Parlamentskammer, dem Oberhaus der Rajya Sabha, die Interventionskraft der Opposition, welche sich in den kommenden Tagen bilden wird, bei der Verabschiedung von Gesetzen zu minimieren.
  • Im Vorfeld der Wahlen und trotz der am Ende fast vollständigen Durchdringung und Einschwörung der Partei („Die Partei ist Modi“) auf den Spitzenkandidaten, war bis zuletzt offen geblieben, ob die innerparteilichen Kreise um den Parteigranden L. K. Advani sowie Teile des der BJP nahestehenden hindu-nationalistischen Verbandes Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) nach den Wahlen erneut innerparteilich gegen Modi opponieren könnten. Zwei Faktoren, erstens der überdeutliche Sieg Modis und damit die Bestätigung seines in der Vergangenheit oft als Affront und Gefährdung des Einflusses des RSS in der BJP kritisierten raschen Aufstiegs in die wichtigsten Parteigremien, und zweitens, seine geschickte Ausmanövrierung Advanis durch dessen angekündigte Ernennung zum neuen Parlamentssprecher und damit seine Entfernung aus der innerparteilichen Machthierarchie, lassen dies derzeit unwahrscheinlich erscheinen.
  • Bei der Aufstellung des zukünftigen Kabinetts Modi muss die BJP in den anstehenden Personalentscheidungen überzeugen. Folgende führende BJP-Politiker werden dabei für Ministerposten zur Verfügung stehen: Arun Jaitley, seit 2009 Führer der BJP-Fraktion in der Rajya Sabha, könnte das zentrale Finanzressort übernehmen. Der seit 2013 amtierende Präsident der BJP, Rajnath Singh, wird ebenfalls als zukünftiger Minister in einem Schlüsselressort wie der Verteidigung oder des Inneren gehandelt. Gute Aussichten auf das Außenamt hat die bisherige BJP-Fraktionsvorsitzende in der Lok Sabha, Sushma Swaraj, die ebenfalls bereits Ministerialerfahrung in der Vajpayee-Administration (1998-2004) sammeln konnte. Trotz des im letzten Jahr erhobenen Korruptionsverdachtes, der ihn sein Amt als Präsident der BJP kostete, wird Nitin Gadkari derzeit als mögliches zukünftiges Kabinettsmitglied gesehen. Die BJP kann insgesamt eine Reihe regierungserfahrener Senioritäten vorweisen, auch der ehemalige BJP-Führer Venkaiah Naidu, Gujarats Energieminister Saurabh Patel oder Yashwant Sinha, ehemaliger Außenminister, u.a. gehören zum Kreis möglicher Mandatsträger.
Insgesamt setzen die Parlamentswahlen 2014 ein wichtiges Zeichen für Indien und seine zukünftige Entwicklung als das nach China bevölkerungsreichste Land der Welt, als aufstrebende Wirtschaftsmacht und selbstbewusste geopolitische Regionalmacht: Das deutliche Votum für Modi und die BJP drückt vor allem den Wunsch einer Mehrheit im Land nach einer stabilen Regierung aus, welche zuletzt von politischem Stillstand geprägt war. Entsprechend setzen die Wahlen und der Regierungswechsel eine lange nicht mehr in dieser Deutlichkeit spürbar gewesene Aufbruchstimmung frei. Gleichzeitig werden Modi und die in den nächsten Tagen zu formende Regierung ihre Amtsgeschäfte unter einem erheblichen Erwartungsdruck beginnen und sich gezwungen sehen, ihre Wahlversprechen umgehend einzulösen. Allem voran gilt es hierbei eine Reform der Bürokratie und die Bekämpfung von Korruption sowie den zügigen Ausbau der Infrastruktur und der Energieversorgung des Landes entschieden voranzutreiben. Die neue Regierung Modi muss ebenso Erfolge im Bereich wirtschaftlicher Reformen vorweisen können: Nur durch einen entschiedenen Abbau von Handels- und Investitionshemmnissen kann Modi besonders gegenüber ausländischen Anlegern und potentiellen Handelspartnern die Investitionsattraktivität Indiens steigern.

Außenpolitisch wird Modi an seinem Versprechen gemessen werden, im Umgang mit Pakistan und China den von Premierminister Atal Bihari Vajpayee seinerzeit vorgegebenen, auf Ausgleich abzielenden Kurs fortzuführen. Die traditionell guten Beziehungen zwischen Indien und Deutschland, die ein großes beiderseitiges Interesse an einer Intensivierung ihrer Handels- und Wirtschaftsbeziehungen besitzen, könnten von glaubwürdigen Bemühungen der neuen Regierung, ein investitionsfreundlicheres Klima durch den Abbau von bürokratischen Schranken, hoher Besteuerung und mangelnder Rechtssicherheit zu schaffen, nur weiter profitieren.

Bei Fragen erreichen Sie Dr. Lars Peter Schmidt unter 0091-9560821002.

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