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Reportajes internacionales

Was bezweckt Hizbullah?

de Michael Däumer, Sebastian Grundberger

Die Schiitenmiliz versucht aus der Gaza-Krise Kapital zu schlagen

Die entrüstete Reaktion im Libanon auf das Vorgehen Israels in Gaza ist Wasser auf die Mühlen der Hizbullah. Auch wenn sich die radikalislamische Schiitenmiliz militärisch aus dem Konflikt heraushält, führt sie verbal einen Dauerkrieg gegen Israel und hat erreicht, dass der „Widerstand“ gegen den „israelischen Feind“ zu einer festen Größe im libanesischen gesellschaftlichen Diskurs geworden ist. Hoffnungen auf ein friedliches Nebeneinander zwischen Israel und dem Libanon scheinen so in immer weitere Ferne zu rücken.

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„Be free“ – so steht es zweisprachig auf der Homepage der Hizbullah. Mit modernster Cybertechnik kämpft die Schiitenmiliz gegen Israel. Die neuesten Nachrichten aus dem „Islamischen Widerstand im Libanon“ lassen sich als RSS-Feeds abonnieren, es gibt eine Online-Foto- und Videogalerie sowie ein Gästebuch. Im Gaza-Konflikt läuft die Hizbullah zur Hochform auf. Minutiös werden jegliche blutige Drohungen gegen Israel gefeiert, aber auch täglich neue Nachrichten über den Kriegsverlauf ins Netz gestellt. Dies geschieht mit einer Genauigkeit und Aktualität, von der manche Medien im Libanon nur träumen können. Das Wort „Israel“ wird dabei in allen Meldungen nur in Anführungsstrichen gesetzt, um dem eigenen Protest gegen den südlichen Nachbarn Ausdruck zu verleihen. Die Hizbullah stellt im Internet und auch in ihrem Fernsehsender „Al-Manar“ ein Selbstbewusstsein zur Schau, welches ihrer aktuellen Stärke im Land angemessen sein dürfte.

Regelmäßig tritt Hizbullah-Führer Hassan Nasrallah bei von seiner „Partei Gottes“ vornehmlich im Süden Beiruts organisierten Großdemonstrationen gegen den Gaza-Krieg auf. Allerdings fast ausschließlich per Videoleinwand. Die Hizbullah weiß genau, wie gefährdet ihr Chef ist. Gleichzeitig nähren diese Nicht-Auftritte den Mythos Nasrallah. Obwohl dieser kaum direkt in der Öffentlichkeit auftritt, ist er in der öffentlichen Diskussion der gesamten arabischen Welt präsent wie kaum ein anderer. Und dies mit Erfolg. Umfragen weisen den 1960 geborenen Nasrallah, dessen Name ungefähr „Sieg Gottes“ bedeutet, in großer Übereinstimmung als beliebtesten Politiker der arabischen Welt auf. Die Verehrung Nasrallahs als Hoffnungsträger hat dabei längst die Grenze zum Kult überschritten.

Seit 1992 steht Hassan Nasrallah an der Spitze der Schiitenmiliz und hat den Einfluss seiner Organisation im Libanon stetig ausweiten können. Dabei kommt der Hizbullah zu Gute, dass sich ihr ideologisches Programm im Wesentlichen auf ein Wort reduzieren lässt: den „Widerstand“ gegen Israel. Dieser „Widerstand“ ist Sinn und Zweck sowie Existenzgrundlage der Hizbullah.

Bis zum Rückzug Israels aus dem Südlibanon im Jahr 2000 hatte die 1983 aus der „Amal“-Bewegung hervorgegangene „Partei Gottes“ einen Guerilla-Krieg gegen Israel geführt. Den Abzug der Truppen feierte sie mit Hilfe ihrer umfangreichen Propagandamaschine als „Befreiung“ und vor allem als Sieg ihres eigenen Widerstandes. Die Beliebtheit der Hizbullah in der Bevölkerung erhöhte sich dadurch sprunghaft. Einen weiteren Schub erhielt das Ansehen der Hizbullah durch den Krieg gegen Israel im Jahr 2006, obwohl bei diesem wichtige Teile der libanesischen Infrastruktur so beschädigt wurden, dass sie bis heute noch nicht wieder vollständig aufgebaut sind und obwohl dieser fast 1300 Tote und über 4000 Verwundete hauptsächlich unter der libanesischen Zivilbevölkerung forderte. Nach Auffassung von Beobachtern gelang es der israelischen Armee bei dem Krieg jedoch nicht, die operative Handlungskraft von Hizbullah in der gewünschten Art und Weise zu zerstören. Diesen vermeintlichen Triumph des „Widerstandes“ gegen Israel kostet Hizbullah bis heute voll nach innen aus. So nimmt Hassan Nasrallah auch in seinen Reden zum Gaza-Konflikt immer wieder Bezug auf den Krieg von 2006, wenn er etwa erklärt, dass gegen das, was Hizbullah Israel für den Falle einer erneuten Konfrontation vorbereitet habe, sei der letzte Konflikt geradezu ein „Spaziergang im Park“ gewesen sei.

Geschickt nutzte Hizbullah den Krieg im Jahr 2006, um in der arabischen Welt für die eigene Sache mit ihrer Medienmaschinerie Werbung zu machen. So organisierte man etwa Touren durch von israelischen Bombern zerstörte Gebiete, die der CNN-Journalist Charlie Moore als „Dog and Pony Show“ bezeichnete. Insbesondere die mit islamistischen Gruppen sympathisierenden Medien, allen voran das Flaggschiff Al-Jazeera, verbreiteten die Sicht Hizbullahs auf den Konflikt in die arabischen Wohnzimmer. Der Erfolg blieb nicht aus. Eine Umfrage im Libanon aus dem Jahr 2006 besagte, dass 86,9 Prozent aller Befragten den „Widerstand“ gegen Israel grundsätzlich unterstützten.

Notwendigkeit des „Widerstandes“

Dieses Muster wiederholt sich im Gaza-Konflikt. Mit jedem Bild, welches der Hizbullah-Fernsehsender „Al-Manar“ oder „Al-Jazeera“ von verblutenden palästinensischen Kindern zeigen, wächst die Wut auf Israel im libanesischen Volk. Als erste Adresse des Protestes gegen Israel hat sich die Hizbullah durch ihre angeblichen „Siege“ so fest etabliert, dass selbst Hizbullah-kritische Politiker zunehmend die Notwendigkeit eines „Widerstandes“ gegen Israel einräumen und die Hizbullah zähneknirschend als Widerstandsbewegung anerkennen. Beispiele hierfür sind der prowestliche Ministerpräsident Fouad Siniora und der prowestliche parlamentarische Mehrheitsführer Saad Hariri. Bei der Einigung zur Bildung der Regierung der Nationalen Einheit im Sommer 2008 räumte die Regierung der Hizbullah offiziell ein „Recht auf Widerstand“ ein. Es ist feststellbar, dass die Hizbullah-Propaganda im Libanon zunehmend einen „Konsens innerhalb der Elite“ schafft, dass ein „Widerstand“ gegen Israel notwendig und im nationalen Interesse ist. Damit möchte die Hizbullah gleichzeitig bewirken, sich selbst als unverzichtbar für libanesische Interessen darzustellen. Wenn sie die einzige Gruppe ist, die Israel effektiv Widerstand leisten kann, müsse sie auch über die Mittel dafür verfügen, sprich den Status als einzige legal bewaffnete Gruppe des Libanon außerhalb des Staates zu zementieren.

Unter allen Parteien verfügt die Hizbullah mit Abstand über den am effizientesten organisierten Parteiapparat. Die Hizbullah-Führer treten in der Öffentlichkeit äußerst diszipliniert und durchaus eloquent auf. Die Partei-Miliz vergibt Stipendien an Studenten und Akademiker für die besten Lehranstalten des Landes. Auch junge Frauen studieren mit Stipendien der Hizbullah beispielsweise an der American University of Beirut. Einzige Bedingung: Sie müssen auf dem Universitätscampus verschleiert auftreten. Zusätzliche „Glaubwürdigkeit“ innerhalb der Bevölkerung des Libanon gewinnt die Hizbullah dadurch, dass viele ihrer Führungsfiguren eigene Familienmitglieder im Kampf gegen Israel verloren haben. Diese werden, wie der gefallene Sohn von Hassan Nasrallah, zu „Märtyrern“ hochstilisiert. Zudem herrscht vielerorts die Meinung, die Hizbullah sei eine der wenigen politischen Kräfte, die nicht korrupt sei.

Schulen und Krankenhäuser

Die Hizbullah dringt des Weiteren besonders in entlegenen Gebieten geschickt in sozialpolitische Lücken ein, welche der chronisch schwache libanesische Staat offen lässt. So betreibt sie Schulen, Krankenhäuser und sonstige öffentliche Einrichtungen, die dazu beitragen, die Verbindung zwischen Hizbullah und der Bevölkerung zu verstärken.

Die Hizbullah ist auf eine Art und Weise in der „Mitte“ der libanesischen Gesellschaft angekommen, dass selbst Pop-Ikonen, wie die sich in ihren Videoclips mit lasziven Bewegungen in hautenger Kleidung präsentierende Haifa Wehbe, dem Hizbullah-Chef Hassan Nasrallah in auf der Bühne für dessen „Verteidigung der libanesischen Ehre“ danken.

Auch libanesische Analysten glauben, dass die Rolle der Schiitenmiliz durch den Gaza-Krieg weiter gestärkt wird. Oussama Safa etwa, der Direktor des Lebanese Center for Political Studies, glaubt, der Gaza-Krieg werde das „Argument“ Hizbullahs „stärken und glaubwürdiger machen“. Israels Feldzug in Gaza werde die Meinung verbreiten, dass „Israel nicht vertraut“ werden könne. Allgemein gebe es in der Bevölkerung eine Stimmung für eine Beibehaltung des „Widerstandes“.

Sinn für Realpolitik

Kommentatoren im Westen, die Hizbullah auf den Begriff „Terrororganisation“ reduzieren, übersehen, wie effektiv, systematisch und auch wie wohlüberlegt sich die Hizbullah ihre Machtbasis im Libanon geschaffen hat. Dabei legt sie einen durchaus großen Sinn für Realpolitik an den Tag. Da ihr bewusst war, dass sie aufgrund des libanesischen politischen Systems einen christlichen politischen Partner braucht, wenn sie parlamentarische Mehrheiten aufbauen möchte, schloss die Hizbullah einen Pakt mit dem „Free Patriotic Movement“, welches vom ehemaligen erbitterten Gegner Syriens, Michel Aoun, angeführt wird. Dieses „Memorandum of Understanding“ kann auf der Hizbullah-Homepage auch als pdf-Dokument abgerufen werden. Zudem ließ die Hizbullah zumindest verbal von ihrem Streben nach einem islamistischen Gottesstaat im Libanon ab. Mittlerweile bekennt Hassan Nasrallah sich zu seinem Heimatland als „exzeptionelle, diverse Nation“ und fordert „Kooperation, Konsens und Solidarität“.

Abwechselnd schwenkt die Hizbullah zwischen ihrem politischen und militärischem Arm hin und her – und damit zwischen einer Opposition innerhalb und außerhalb des Systems. Ihr Ziel ist es dabei, in Abwesenheit eines starken Staates als bewaffnete Garantin des islamischen „Widerstandes“ gegen Israel von der libanesischen Gesellschaft und dem libanesischen Staat anerkannt zu werden und so einen Friedensprozess mit Israel zu verhindern. Den Gaza-Konflikt sucht sie zu diesem Mittel nicht ohne Erfolg zu instrumentalisieren.

Amal Saad-Ghorayeb, eine Hizbullah-Expertin, trifft wohl die Stimmungslage von immer mehr Libanesen, wenn sie bemerkt: „Hizbullah´s Widerstand ist die effektivste Methode, um gegen Israel vorzugehen“. Ansonsten, so Saad-Ghorayeb, würde wohl kaum die ganze Welt überlegen, ob die Hizbullah vielleicht in den Gaza-Krieg eingreifen könnte.

Für Hoffnungen auf eine Friedenslösung im Nahen Osten ist dieses Erstarken der Hizbullah sicherlich keine gute Nachricht.

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Auslandsbüro Jordanien

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Sankt Augustin Deutschland