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Weiter auf Kurs?! – Das demokratische Musterland Ghana wählt

de Burkhardt Hellemann
Das westafrikanische Land Ghana, häufig als demokratischer Leuchtturm Afrikas bezeichnet, wird seine Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 7. Dezember abhalten. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass Ghana seinem positiven Ruf als demokratischer Stabilitätsanker Westafrikas auch in diesem Jahr wieder alle Ehre macht. Die COVID-Pandemie scheint beim Urnengang nur bedingt eine Rolle zu spielen.

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COVID-19 beeinflusst den Wahlkampf, aber kaum die Wahlentscheidung

Bislang gab es nicht die geringsten Anzeichen von Unruhe oder gar gewaltsamen Ausschreitungen am Vorabend dieser für das Land wichtigen Wahl. Das erscheint aktuell als Ausnahme in der Region des westlichen Afrikas, welche zuletzt erneut von politischen Krisen wie dem Militärputsch in Mali oder von durch Gewalt begleitete Wahlen in Côte d’Ivoire und Guinea erschüttert wurde. Auch die COVID-bedingten Schreckensszenarien, welche noch im Frühling für den afrikanischen Kontinent antizipiert wurden, traten nicht ein. Offiziell wurde das Virus in Ghana zum ersten Mal im März 2020 festgestellt. Sehr schnell ergriff die Regierung unter Präsident Akufo-Addo strikte Maßnahmen durch einen regionalen Lockdown der Hauptstadt Accra und der zweitgrößten Stadt Kumasi. Nach sukzessiven Lockerungen wurde es den politischen Parteien erst Anfang Juni wieder möglich, ihren Wahlkampf zu organisieren. Es zeichnete sich aber schon früh ab, dass wohl auf große, emotional aufgeladene und mobilisierende Wahlkampfveranstaltungen im Wahljahr verzichten werden muss. Akzente legten die beiden seit Beginn der vierten Republik größten Parteien New Patriotic Party (NPP) und National Democratic Congress (NDC) deswegen vor allem auf den persönlichen Haus-zu-Haus-Wahlkampf, der in Ghana auch schon in den letzten Wahlen eine wichtige Rolle gespielt hatte.

Da die COVID-Pandemie nicht die von einigen (v.a. europäischen) Journalisten befürchteten Folgen für Ghana nach sich gezogen hat, sind bis auf das Tragen einer Gesichtsmaske und das Social Distancing mittlerweile fast alle Restriktionen hinsichtlich der Pandemie aufgehoben worden. Einzig die Schulen sind, bis auf Ausnahme der Abschlussklassen der Ober- und Mittelstufe, noch nicht wieder geöffnet – eine wahlpolitische Maßnahme der regierenden NPP, da ihr u.a. der politisch größte Widersacher NDC hinsichtlich COVID-19 vorwirft, zu locker mit der Gefahr umgegangen zu sein. Vor diesem Hintergrund überrascht es wohl auch nicht, dass das Thema der COVID-Pandemie im Wahlkampf der beiden größten Parteien wenn überhaupt nur eine marginale Rolle spielt. Wie eine repräsentative Umfrage der Universität von Ghana aus Accra im November feststellte, ist für nur weniger als zehn Prozent der Befragten die Art und Weise, wie die Regierung mit der Pandemie in Ghana umgegangen ist, der wesentliche Grund, einer der Parteien ihre Stimme zu geben.

Akufo-Addo (NPP) vorne, Herausforderer Mahama (NDC) abgeschlagen

Die Umfrage des Politikwissenschaftlichen Instituts der Universität von Accra zeigt auch deutlich, dass der derzeitige Präsident Akufo-Addo mit der NPP mit großer Wahrscheinlichkeit ein weiteres Mal gewählt werden wird. Zwischen ihm und der stärksten Oppositionspartei NDC liegen stattliche 16 Prozentpunkte, was selbst eine zweite Wahlrunde überflüssig machen würde. Auffällig ist, dass sich Befragte mit einer höheren Schulbildung eher für Akufo-Addo entscheiden (und umgekehrt Befragte mit geringerer Schulbildung für Mahama).

Vor allem die Einführung der kostenfreien Oberschule („free SHS“) wird von vielen Wählern als ausschlaggebendes Argument zur Wiederwahl angesehen. Andere Programme der Regierung erhalten zwar ebenfalls Zustimmung, jedoch weitaus weniger. Ein „Ghana beyond aid“ (also ein Ghana jenseits der Entwicklungshilfe, wie Akufo-Addo es 2018 ausgelobt hatte) ist weiterhin nicht absehbar. Die Initiative „One District, One Factory“, die das Ziel hatte, in jedem Distrikt ein neues Unternehmen anzusiedeln, ist nur bedingt erfolgreich gewesen. Europäische Unternehmer hoffen jedoch, die jetzige Regierung möge an der Macht bleiben – nicht unbedingt deswegen, weil sich die Investitions- und Rahmenbedingungen für internationale Unternehmen wesentlich verbessert hätten. Vielmehr fürchtet man durch einen Regierungswechsel negative Veränderungen u.a. bei der Steuergesetzgebung und viel Unklarheit bei Zuständigkeiten in den relevanten Ministerien, die in diesem Falle personell an der Spitze komplett ausgetauscht werden würden. In Ghana kann der Sieger nach dem „the winner takes it all“-Prinzip mehrere tausend Regierungsämter auf nationaler, regionaler und selbst kommunaler Ebene neu mit seinen Parteianhängern besetzen. Auch nach mittlerweile 28 Jahren stabiler Demokratie ist es weiterhin bei vielen Parteimitgliedern beider großer Parteien selbstverständlich, den Zugang zu Macht und staatlichen Finanzen als ein „Jetzt sind wir dran!“ zu interpretieren.

Was ist das ghanaische „Erfolgsrezept“?

Auf den ersten Blick erscheint Ghana als Musterland der Demokratie in Subsahara-Afrika - vor allem deswegen, da es seit 1992 durchgehend in der Lage gewesen ist, alle vier Jahre freie, faire und transparente Wahlen durchzuführen. Positiv ist hervorzuheben, dass nach den Wahlen alle Parteien ihre Wahlniederlagen anerkannt haben und Präsidenten nicht - wie in vielen anderen afrikanischen Staaten - die Verfassung gebrochen oder frühzeitig geändert haben, sondern nach ihrem zweiten Mandat nicht erneut angetreten sind. Straßenschlachten oder bürgerkriegsähnliche Zustände wie in den Nachbarländern hat es in den drei Jahrzehnten der vierten ghanaischen Republik nie geben. Langjährige Beobachter schildern, wie friedvoll gerade dieses Wahlkampfjahr abgelaufen sei – wohl auch „dank“ COVID-19. Was aber sind die Faktoren, die Ghana in einer krisenanfälligen Region zu einem Stabilitätsanker machen und dem Land immer wieder die Bezeichnung als „demokratischer Leuchtturm“ eingebracht hat?

Auf diese Frage würde wohl eine große Mehrheit der Ghanaer zuerst damit antworten, dass es in der ghanaischen Geschichte (seit der Unabhängigkeit im Jahr 1957) bereits zu viele Putsche und Umstürze gegeben habe und dass man sich ruhige(re) Zeiten wünsche. Letztlich wirkten auch die Beispiele der Nachbarländer abschreckend genug, so dass man solche Erfahrungen nicht kopieren oder wiederholen wolle. Aber auch die Zivilgesellschaft spielt eine wichtige Rolle: Vor allem die Kirchen und Moscheen des Landes üben großen Einfluss aus, da Religiosität die Basis jeglichen Zusammenlebens in Ghana darstellt. Auch das traditionelle, vorkoloniale System, welches vielerorts noch erster Bezugspunkt ist und in der Verfassung Ghanas weiterhin eine Rolle spielt, wirkt durch ihre chiefs und queenmothers positiv auf die Politik. So hat z.B. der Ashantene, König der Akan, noch bei der Wahlauszählung 2016 und der zögerlichen Anerkennung des (schlechten) Wahlergebnisses für den damals regierenden NDC interveniert, um den Frieden in Ghana zu bewahren – und die damalige Regierung zum Rücktritt zu bewegen. Auch bei den politischen Diskussionen rund um die Wahlkommission nahm die Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle ein. Der Kommission wird seit Jahren vorgeworfen, politisch durch die jeweiligen Präsidenten beeinflusst zu sein. Positiv sei auch die Rolle des Militärs und der Polizei erwähnt, die sicherlich nicht gänzlich unpolitisch sind, sich aber aus den Wahlen selbst heraushalten. Hier ist eine gesunde Distanz gewachsen, die so in anderen afrikanischen Ländern nicht existiert. Polizei und Militär dienen dem Staat, nicht einer bestimmten Regierungspartei.

Aber auch die beiden größten politischen Parteien Ghanas leisten einen aktiven Beitrag, um den politischen Frieden im Land zu erhalten. Zwar gibt es nach wie vor sowohl innerhalb der NPP als auch des NDC immer noch mehr oder weniger kleine Gruppen („vigilantes“), die ursprünglich ins Leben gerufen wurden, um hochrangige Parteimitglieder und Wahlkampfveranstaltungen der politischen Gegner zu stören und zu behindern. Obwohl sich das zwischenparteiliche Zusammenleben inzwischen wesentlich harmonisiert hat, bestehen diese Gruppen aber fort und fungieren z.B. als Bodyguards. Unter anderem dem Einfluss der Zivilgesellschaft ist es zuzuschreiben, dass sich NPP und NDC nach Zusammenstößen bei einer Nachwahl eines Abgeordnetensitzes im Januar 2019 zu einer Art Friedenserklärung zusammentaten. Daraus entsprang eine Initiative, diese teils gewaltbereiten Gruppen per Gesetz zu verbieten. Allerdings besteht bei Teilen der Gesellschaft immer noch die Sorge, die vigilantes könnten am Wahltag Unruhe stiften. Wie groß das Potential und die Reichweite dieser Gruppen jedoch wirklich ist, bleibt aber anzuzweifeln. Es scheint, manche internationalen Organisationen wiederholten gebetsmühlenartig ihre Warnungen vor von Gewalt überschatteten Wahlen und böten massenhafte Seminare und Foren zur Friedensförderung an, obwohl in Ghana in dieser Hinsicht eigentlich kein Bedarf besteht. Es ist in diesem Wahljahr kein Einzelfall, dass NDC-Anhänger beim Wahlkampf auf NPP-Anhänger stoßen, sich gegenseitig anfeuern, gemeinsam ihre Kampagnenlieder singen und schließlich wieder ihrer Wege ziehen.

Trotz stabilem Frieden – es bleiben demokratische Herausforderungen

Nichtsdestotrotz bestimmen immer wiederkehrende Herausforderungen das (partei-) politische Leben Ghanas, vor allem in einem Wahljahr. So sind die Parteien z.B. angehalten, nach den Wahlen der Wahlkommission ihre finanziellen Aufwendungen offen zu legen, was allerdings wegen einer nichtexistierenden Buchhaltung der Parteien kaum aussagekräftig und valide wäre. Da außerdem viele (v.a. kleinere) Parteien keine staatliche Förderung erhalten, ist es für diese schwierig, einen breiten Wahlkampf – sei es auch nur in vereinzelten Wahlkreisen – abzuhalten. Finanzierungsgrenzen für den Wahlkampf existieren nicht, so dass private Geldgeber vor allem die beiden großen, dominierenden Parteien unterstützen - durchaus auch mit dem Interesse, bei Gewinn der mitfinanzierten Partei leichteren Zugang zu staatlichen Ausschreibungen zu erhalten. Dass staatliches Geld in den Wahlkampf der jeweiligen Regierungspartei einfließt, wird zwar immer wieder kritisiert, aber dennoch weitläufig akzeptiert. Überraschend wirkt da das offene Bekenntnis von ranghohen Politikern und Parteivertretern, das Geld dominiere zu sehr das politische System – während der Wahlen, aber auch schon zuvor bei den parteiinternen „primaries“, bei denen die jeweiligen Parlamentskandidaten gewählt werden. Schätzungen gehen inzwischen von Wahlkampfkosten in Höhe von ca. 100.000 Euro für einen einzelnen Parlamentskandidaten aus.
Tradition ist inzwischen auch, dass in jedem Wahljahr die Wahlkommission, deren Leitung vom Präsidenten ernannt wird, vor allem von der jeweils größten Oppositionspartei nicht nur verbal angegriffen, sondern auch mit Gerichtsprozessen überzogen wird. Im diesem Jahr ging es dabei vor allem um das Aufsetzen eines neuen Wahlregisters. Hatte die NPP im Wahljahr 2016 noch massiv kritisiert, dass sich im Wahlregister des Jahres 2012  viele Verstorbene, Ausländer oder Minderjährige fänden, die nicht wahlberechtigt seien, konzentriert sich nun der oppositionelle NDC vor allem darauf, die Registrierung in COVID-Zeiten (die mit langen Schlangen vor den Registrierungsbüros einhergeht) zu kritisieren und die Frage nach dem zulässigen Wahl-Dokument (Pass, Personalausweis, Krankenkassenkarte, alte Wahlkarte u.a.) zu seinen Gunsten durchzusetzen. Auch wenn es scheint, dass weite Teile der Bevölkerung diese traditionellen Grabenkämpfe eher desinteressiert verfolgen, entsteht dennoch der Eindruck, dass die Parteien diese Auseinandersetzungen nutzen, um ihre Parteimitglieder zu Jahresbeginn auf den Wahlkampf einzustimmen und zu aktivieren.

Zusammenfassend kann aber herausgehoben werden, dass Ghana auch im Jahr 2020 mit den achten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen seinem Ruf als demokratischer Leuchtturm Afrikas treu bleibt. Die Blicke richten sich schon jetzt auf die Wahlen 2024, da es dann zum ersten Mal passieren könnte, dass eine Partei länger als acht Jahre an einem Stück an der Macht bleibt – selbstverständlich unter einem neuen Präsidenten, da völlig unumstritten ist, dass auch der jetzige Präsident Akufo-Addo spätestens im Jahr 2024 im Alter von 80 Jahren sein Amt verlassen wird. Ob es dem jetzigen, und wahrscheinlich auch in 2024 erneut antretenden Herausforderer und ehemaligen Präsidenten Mahama vom NDC dann gelingen wird, zu gewinnen, hängt sicherlich auch von den parteiinternen Entwicklungen bei der NPP ab und davon, welcher der Kandidaten in der NPP das Rennen für sich entscheiden wird.

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