Die Veranstaltung widmete sich dem Schicksal deutscher und deutschsprachiger Juden und Jüdinnen im frühen 20. Jahrhundert – Menschen, die im Ersten Weltkrieg patriotisch für ihr Vaterland kämpften, später jedoch entrechtet und verfolgt wurden. Musikalisch begleitet wurde der Abend von Dr. Roman Salyutov (Klavier und Vortrag) und Alexander Lifland (Violine), die Werke jüdischer Komponisten aus dem deutschsprachigen Raum präsentierten.
Den Einstieg in die Veranstaltung bot Mendelssohns Werk „Höre Israel“, gefolgt von der Vorstellung eines Textes von Walther Rathenau (1897) mit demselben Titel. Rathenau, der sich bewusst gegen eine Konversion zum Christentum entschied, setzte auf Assimilation und vertrat die Auffassung, das Judentum sei Privatsache. Er versuchte, Deutschsein und Jüdischsein miteinander zu verbinden – ein Spannungsfeld, das sich durch die gesamte Veranstaltung zog. So stellte Roman Salyutov die Frage: „Kann man deutsch und jüdisch sein oder kann man nur deutsch oder jüdisch sein?“
Salyutov berichtete auch von Gustav Mahler, dessen größter Wunsch es war, Hofoperndirektor zu werden. Trotz seiner Taufe zum Katholizismus wurde jede Kritik an ihm auf seine jüdische Herkunft zurückgeführt. Auch Richard Wagner, ein bekannter Antisemit, spielte zwar Stücke des jüdischen Komponisten Mendelssohn, trug dabei jedoch stets Handschuhe, weil er die Musik „nicht anfassen“ wollte.
Besondere Aufmerksamkeit erhielt das Plakat des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten aus dem Jahr 1920, das sich gegen die Fremdstellung jüdischer Soldaten richtete. Mit der Botschaft „12.000 jüdische Soldaten sind für das deutsche Vaterland gestorben. Deutsche Frauen, duldet nicht, dass die jüdische Mutter in ihrer Trauer verhöhnt wird“ appellierte es an die deutsche Gesellschaft. Dennoch blieb die Trennung zwischen „deutsch“ und „jüdisch“ bestehen. Die sogenannte „Judenzählung“ von 1916, die Juden mangelnden Patriotismus unterstellte und deren Ergebnisse nie veröffentlicht wurden, verdeutlichte die wachsende Ausgrenzung.
Mögliche Schicksale jüdischer Künstler und Intellektueller umfassten Verbannung aus dem kulturellen Gedächtnis, Flucht, mögliches Überleben oder Tod. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Emigration war Erich Wolfgang Korngold, der in die USA auswanderte. Diese Emigrationsbewegungen stellten einen Gewinn für die Neue Welt und einen Verlust für die „Alte“ dar. Viele strebten nach Ende des Zweiten Weltkrieges eine Versöhnung mit der alten Heimat an, was jedoch nicht immer gelang.
Die verschiedenen Schriftstücke und Erzählungen rund um die musikalischen Werke des Abends machten deutlich, dass weder Assimilation noch Konversion das Unheil der NS-Zeit und des Holocaust verhindern konnten. Viele Fragen von damals – wie zum Beispiel „Wie fühlt man sich als Jude in einer Mehrheitsgesellschaft?“ – bleiben bis heute aktuell.
Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft AG Gießen statt und bot den Teilnehmenden einen bewegenden Einblick in ein Kapitel deutscher Geschichte, das bis heute nachwirkt
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