Nachdem Jannik Daum, Referent der Geschäftsführung des BGO, die Veranstaltung eröffnete und seinen Dank gegenüber den beiden Zeitzeuginnen, dem Team des Bürgerhauses und der KAS aussprach, übernahm Ralf Altenhof das Wort und stellte die neue DDR-Wanderausstellung der KAS vor. Die Ausstellung wolle gängige Mythen über das Leben in der DDR kritisch hinterfragen und zugleich Einblicke in Themen wie Alltag, Schule, Wirtschaft, Umwelt, und Ideologie geben. Sie erfasse in moderner und bildreicher Gestaltung, die Vielschichtigkeit des DDR-Staates. Auf der einen Seite stehe der Autoritarismus der DDR sowie der drohende wirtschaftliche Kollaps 1989, so Altenhof. Auf der anderen Seite die Tatsache, dass es zu keinen dem Dritten Reich ähnelnden systematischen Tötungen kam und einige Bürger Teile ihres Lebens in der DDR als gut empfanden.
Anschließend begrüßte Altenhof Gesine Tettenborn und Elke Schlegel auf dem Podium. Infolge eines Fluchtversuchs ihres Bruders geriet Gesine Tettenborn 1981 unter Beobachtung des Staatssicherheitsdienstes. Im Jahr 1984 gehörte sie zur gedopten 4x400-Meter-Weltrekord-Staffel der DDR. 2010 ließ Tettenborn sich aus der Rekordliste des Deutschen Leichtathletik-Verbandes streichen, weil ihre Leistungen durch Doping zu Stande gekommen waren. Elke Schlegel wurde 1984 wegen eines Ausreiseantrags und ihres Protests gegen die SED-Diktatur von der Stasi verhaftet, im Frauenzuchthaus Hoheneck inhaftiert und nach einem halben Jahr durch die Bundesrepublik Deutschland freigekauft.
Auf die Frage von Altenhof, was sie zu der Beantragung eines Ausreiseantrags bewogen habe, verwies Schlegel auf ihre Schulzeit. Tadelungen wegen westlicher Produkte, die sie von ihrer Verwandtschaft geschickt bekam, prüfende Fragen der Lehrer, die über die Kinder versuchten herauszufinden, ob zu Hause womöglich Westfernsehen geschaut wurde oder die staatliche Jugendweihe – Schlegel berichtete, früh habe sich bei ihr zunehmend eine Skepsis gegenüber dem Arbeiter- und Bauern-Staat eingestellt. Nachdem ihr und ihrem Lebensgefährten die freie Berufswahl und eine eigene Wohnung verwehrt blieben, sei die Entscheidung beider gefallen, mit ihrem gemeinsamen Sohn die Ausreise zu beantragen. Trotz Genehmigung des insgesamt achten Antrags wurden Schlegel und ihr Mann 1984 von der Staatssicherheit (Stasi) verhaftet.
Schlegel war drei Monate in Untersuchungshaft der Stasi. Die Haftbedingungen beschrieb sie als menschenunwürdig. Während nachts alle 20 Minuten das Licht eingeschaltet wurde, sodass erholsamer Schlaf unmöglich war, habe sie tagsüber acht Stunden lang auf einem Holzhocker sitzen und Fragen verschiedener Verhörer der Staatsicherheit beantworten müssen, deren Verhalten unberechenbar gewesen sei. Verurteilt wurde Schlegel zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Inhaftierung in das Frauenzuchthaus Hoheneck. Schlegel beschrieb die dortigen Zustände als ebenfalls inhuman. 42 Frauen in einer Zelle, – wobei das Wort Zelle in Hoheneck untersagt gewesen war – nicht-verzehrbares Essen, wie Suppe mit darin schwimmenden Maden sowie Zwangsarbeit gehörten zum Alltag in Hoheneck, so Schlegel.
Gesine Tettenborn beschrieb dem Publikum, auf die Frage von Altenhof, wie ihre erste Erfahrung mit Dopingmitteln ablief. Bereits mit 17 Jahren habe ihr Trainer sie eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben lassen und ohne ihr Wissen, dass es sich um Dopingmittel handelte, „gegen den Muskelverfall wirkende Vitamine“ zur Einnahme gegeben. Durch den Fluchtversuch ihres Bruders stand Tettenborn zwar unter besonderer Beobachtung der Staatssicherheit, blieb auf Grund ihrer besonderen sportlichen Leistungen aber im Spitzensport. Dies, obwohl Tettenborn auf Grund ihres christlichen Glaubens auch eine SED-Mitgliedschaft verweigerte und Mittel, die ihr per Spritze verabreicht werden sollten, ablehnte. Später erfuhr Tettenborn, dass die Stasi zu dieser Zeit die Akte „Sprint“ angelegt hatte und faktisch ihr gesamtes Leben dokumentierte. Was sie in ihrer Freizeit unternahm, ihre Freunde, Hobbys, ob die Gefahr bestünde, sie könne nach einem Wettkampf im „kapitalistischen Ausland“ bleiben und auch die Verweigerung von zu spritzenden Mitteln. Letzteres habe ihr jedoch sogar Jahre später bei der Anerkennung als Dopingopfer geholfen, so Tettenborn. 1984 entschloss sie sich zum „Höhepunkt“ ihrer noch jungen Karriere, diese zu beenden und mit einer Schwangerschaft zu begründen. Viele der Gäste im Publikum waren erschüttert, als Tettenborn erzählte, der Deutsche Verband für Leichtathletik der DDR (DVfL) habe daraufhin einen Abtreibungstermin ohne ihr Einverständnis ausgemacht, den sie glücklicherweise streichen lassen konnte.
Im weiteren Verlauf der Diskussion fragte Altenhof Tettenborn, was sie 2010 dazu bewogen habe, ihren Weltrekord aus der Rekordliste des Deutschen-Leichtathletik-Verbandes (DLV) streichen zu lassen. Dem Publikum erklärte sie, dass sie noch heute sowohl physisch wie auch psychisch unter dem Einfluss der Dopingmittel leide. Ihr sei klar geworden, dass niemand das durchleben sollte, was sie durchleben musste, um sportliche Erfolge zu erzielen.
Während der Diskussion zeigte sich neben vielen weiteren vor allem eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden Zeitzeuginnen. Nicht nur erlitten beide schwere psychische wie physische Verletzungen durch das, was ihnen angetan worden war. Beide entdeckten das Schreiben und Sprechen als hilfreiches Mittel, um ihre Gefühle zu sortieren und das Geschehene schrittweise zu verarbeiten. Elke Schlegel schrieb deshalb das Buch „5 Monate und 24 Tage“ über ihre Haft.
Altenhof stellte als Resümee der Veranstaltung heraus, wie wichtig es ist, sowohl über die erste als auch über die zweite deutsche Diktatur zu sprechen und beide Zeitabschnitte fortlaufend aufzuarbeiten. Besonderen Dank sprach er daher Elke Schlegel und Gesine Tettenborn aus, die er als Zeitzeuginnen als einen wichtigen Teil dieser Aufarbeitung ausmachte.
Im Anschluss gab es für das Publikum die Möglichkeit, Fragen an die Zeitzeuginnen stellen.
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