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Griechenland und Nordmazedonien auf dem Weg zur Normalisierung

autori Henri Bohnet, Daniel Braun, Anna Sophie Himmelreich
Vor drei Jahren unterschrieben Nordmazedonien und Griechenland in Prespa ein Abkommen, dass den seit der Unabhängigkeit Nordmazedoniens schwelenden Namensstreit zwischen beiden Ländern mit der Umbenennung der vormaligen Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien beilegte. Wichtigster Erfolg für Nordmazedonien war, dass Griechenland seinen Widerstand gegen NATO- und EU-Beitritt aufgab. Während der NATO-Beitritt gut ein Jahr später erreicht werden konnte, warten die Mazedonier nach wie vor auf Fortschritte beim EU-Beitritt. Dennoch kann das Prespa-Abkommen als Vorbild für einen möglichen Weg des Ausgleichs bei bilateralen Konflikten in der Region dienen, wo historische und identitätspolitische Fokussierungen immer noch die Tagespolitik in den mehrheitlich jungen oder erst nach langer Zeit wieder unabhängigen Staaten bestimmen können. Drei Jahre nach der Unterzeichnung fragten die KAS-Auslandsbüros in beiden Ländern nach der Meinung der Bürgerinnen und Bürger zum Abkommen. Die beiden Büroleiter beschreiben in diesem Länderbericht die Ergebnisse aus der Perspektive ihrer jeweiligen Einsatzländer.

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Nordmazedonien

Aufgrund der sich nicht erfüllten Hoffnung des raschen EU-Beitritts bleibt das Prespa-Abkommen in Nordmazedonien auf politischer Ebene umstritten. Gleichwohl lässt die aktuelle KAS-Umfrage das Anwachsen realpolitischer Akzeptanz unter den mazedonischen Bürgerinnen und Bürgern erkennen.

Der Streit um Namen und Symbolik seit der Unabhängigkeit Nordmazedoniens

Mit der Auflösung Jugoslawiens und der Unabhängigkeit seiner Teilrepubliken übernahm die ehemalige Teilrepublik Mazedonien nach seiner Unabhängigkeit 1991 dies auch als neuen Staatsnamen. Dazu wurde eine Staatsflagge vorgestellt, die den aus der Antike stammenden Stern von Vergina enthielt. Griechenland sah darin eine Vereinnahmung griechischer Geschichte, welches nach eigenem Selbstverständnis alleiniger kultureller Erbe des antiken Makedoniens und dessen Symbolik ist. Darüber hinaus las man aus einigen mazedonischen Verfassungsartikeln Gebietsansprüche an Griechenland heraus. Im Verein mit der EU erreichte Griechenland bereits 1992 eine erste Verfassungsergänzung in Mazedonien, die nun Gebietsansprüche gegenüber Nachbarn expressis verbis ausschloss. Zudem konnte Mazedonien der UNO nur unter dem provisorischen Namen „F.Y.R.O.M. Former Yugoslav Republic of Macedonia“ beitreten und musste diesen i.d.R. international so verwenden.

In Griechenland blieb der Konflikt politisch aufgeheizt und umgangssprachlich wurde das Nachbarland hauptsächlich als Skopje, die Bewohner Skopianer und die Sprache skopianisch bezeichnet, was die Mazedonier als sehr herabwürdigend empfanden, zumal wirtschaftlicher und touristischer Austausch zwischen beiden Ländern groß sind. In der Flaggenfrage konnte sich Griechenland 1995 durchsetzen und Mazedonien veränderte diese in die bis heute gültige Form. Schon früh definierte Mazedonien seine politische Ausrichtung nach Westen, strebte NATO- und EU-Beitritt an und erhielt den EU-Beitrittskandidatenstatus im Jahr 2005. Obwohl der Europäische Rat 2009 die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen empfahl, blockierte Griechenland weiterhin jeglichen Fortschritt, da nach seiner Auffassung Mazedonien mit der Namensgebung zu Unrecht das kulturelle Erbe der antiken nichtslawischen Makedonier beansprucht. An der Schwelle zum nächsten Jahrzehnt kam auf internationale Vermittlung hin Bewegung in die Debatte um eine Umbenennung des Namens, wobei die Regierungen beider Länder hier aus innenpolitischen Gründen sehr vorsichtig agieren mussten und die mazedonische Seite jegliche Veränderungen von einem Referendum abhängig machte, welches sorgsam vorbereitet werden musste, wenn man die Zustimmung gewinnen wollte. Es dauerte jedoch fast noch das gesamte Jahrzehnt, ehe der finale Schritt gegangen werden konnte, der mit der Unterzeichnung des Prespa-Abkommens am 17. Juni 2018 erreicht wurde.

Das Prespa-Abkommen mit Referendum und Verfassungsänderung in Nordmazedonien

Als mit Beginn des Jahres 2018 wieder griechisch-mazedonische Gespräche begannen, signalisierte der damalige griechische Premierminister Tsipras, dass der Name „Mazedonien“, versehen einem geografischen Zusatz, anerkannt werden könnte. Am 12. Juni einigten sich der griechische Premier Tsipras und der mazedonische Premier Zaev auf den Namenskompromiss „Nordmazedonien“ und unterzeichneten das Abkommen am Prespasee. Die verfassungsrechtliche Umsetzung war jedoch in Nordmazedonien an ein Referendum und Zustimmung mit 2/3-Mehrheit im Parlament geknüpft. Dies zusammen mit der inhaltlichen Kritik ist bis heute der Grund, warum insbesondere die größte Oppositionspartei VMRO-DPMNE die Namensänderung in Frage stellt. Das Referendum galt als für die Regierung nicht bindend und erreichte auch nur eine geringe Beteiligung von 36,91% (lt. Verfassung ist das Mindestquorum 50+1% bei einem Referendum). Eine deutliche Mehrheit von 94% dieser Wahlbeteiligten stimmten letztlich der Referendumsfrage „Sind Sie für eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union und NATO unter Annahme des am 17. Juni unterzeichneten Abkommens zwischen den Außenministern Griechenlands und Mazedoniens?“ zu.

Am 11. Januar 2019 nahm das mazedonische Parlament die Verfassungsänderung zum Namenswechsel an, doch unterstellt VMRO-DPMNE bis heute, dass die partielle Zustimmung aus den Reihen VMRO-DPMNE mit Druck und Bestechung erreicht worden sei. Die offizielle Linie der Partei ist daher weiterhin, dass man im Falle einer Regierungsübernahme die Namensänderung verfassungsrechtlich überprüfen und ggf. rückgängig machen wird. Die Nutzung des neues Staatsnamens Nordmazedonien wird weiterhin in Frage gestellt. Zusätzliche Nahrung erhält diese Haltung dadurch, dass die „links-rechts-populistische“ Partei LEVICA (übersetzt LINKE) mit einigem Erfolg VMRO-DPMNE nationalistisch eingestellte Wähler abwerben kann und VMRO-DPMNE dieser Entwicklung mit einem eigenen stark nationalistisch geprägten Kurs begegnen will.

Konkrete Auswirkungen und Probleme der Namensänderung

Die für Griechenland wichtigsten Punkte wie der Staatsname und die Deklarierung des mazedonischen Idioms als eine slawische und nicht griechische Sprache ohne Bezug zum antiken makedonischen Idiom waren in der Umsetzung vergleichsweise einfach und nachvollziehbar zu gestalten.

Die Pflicht zur Umsetzung der Namensanpassung besteht jedoch laut Prespa-Abkommen nur für staatliche Akteure und Institutionen. So kritisierte die griechische Regierung bei der kürzlich stattgefundenen Fußball-EM, dass die mazedonische Mannschaft mit dem Verbandskürzel FFM (Фудбалска Федерација на Македонија/ Fudbalska Federacija na Makedonija) auflief und verlangte eine Umbenennung des Verbandes unter Hinzufügung eines „N“ für Nordmazedonien (vgl. auch den Beitrag von Henri Bohnet). Der mazedonische Außenminister verwies auf die nichtstaatliche Organisationsform des Verbandes und berief sich dabei auf das Prespa-Abkommen, das eine Pflicht zur Umbenennung in diesem Fall nicht vorsähe.[1]

Darüber hinaus gibt es weitere Fallstricke im Bezeichnungskatalog des Prespa-Abkommens, die gerade für nicht involvierte Länder zu unbeabsichtigten Fauxpas in Nordmazedonien führen: So sieht die Namensänderung den Zusatz „Nord“ nur für den Landesnamen vor, während die Bezeichnung für die Bürger der Republik Nordmazedonien - Mazedonier, Sprache - Mazedonisch oder die attributive Verwendung z.B. zur Herkunftsbezeichnung - mazedonischer Käse, erhalten bleibt und es keinen „Nordmazedonier“ oder „nordmazedonischen Käse“ gibt. Da auch von vielen Befürwortern des Prespa-Abkommens die Namensänderung als schmerzhaft empfunden wurde, ist die Falschverwendung der Termini sehr sensibel. Auch bei den Ländercodes ist die Verwendung des neuen Staatsnamens nicht immer sofort ersichtlich. Auf den Autokennzeichen in Nordmazedonien wird nun NMK verwendet, während etwa der Ländercode bei Fußball-Länderspielen offiziell MKD bleibt. Auch hier war während der Fußball-EM ein Aufreger auf griechischer Seite, welche das verwendete Akronym „MKD“ durch die UEFA als unzulässig betrachteten, hier jedoch klar das Prespa-Abkommen auf der mazedonischen Seite war. [2]

Akzeptanz des Prespa-Abkommens für den EU-Beitritt

Nordmazedoniens Bereitschaft, seinen Staatsnamen zu ändern war zweifellos der Hoffnung geschuldet, mit der Beilegung des Streits mit dem Nachbarn Griechenland die Blockade für EU- und NATO-Beitritt zu lösen. Dies war Hauptmotiv und damit was die Erwartung dieser Gegenleistung in Nordmazedonien hoch. Während man den NATO-Beitritt schnell erreichen konnte, wurde die erwartete Verkündung des Beginns der Beitrittsgespräche beim EU-Gipfel Ende 2019 insbesondere von Frankreich, aber auch von den Niederlanden und Dänemark blockiert.  Das in diesem Zusammenhang zwar mehr das im Paket mit Nordmazedonien stehende Albanien mit der Ablehnung gemeint war, änderte nichts an diesem verheerenden Signal, welches in Nordmazedonien ankam. Premier Zaev trat daraufhin zurück und Neuwahlen wurden ausgerufen, die jedoch wegen der beginnenden Covid19-Pandemie erst im Sommer 2020 stattfinden konnten. Dass  auf dem EU-Gipfel im März 2020 dann doch der Widerstand gegen die Aufnahme von Beitrittsgesprächen von den o.g. Ländern aufgegeben wurde, nützte Nordmazedonien nicht mehr, da nun Bulgarien aus in seiner Tragweite noch weit tiefer gehenden identitätspolitischen Problematisierungen mit Nordmazedonien seither den EU-Beitrittsprozess blockiert.[3]

Die Erfahrung Nordmazedoniens, dass man für die Namensumbenennung bis heute keinen Fortschritt bei seinen EU-Beitrittsbemühungen erzielt hat, lässt nicht nur Mazedonier am Wert des Abkommens zweifeln. Auch setzt es alle politischen Akteure unter Druck, kein Abkommen mit großen Zugeständnissen an Bulgarien zu unterschreiben, da man nicht sicher ist, ob weitere Zugeständnisse überhaupt Fortschritte beim EU-Beitritt bringen werden. In dieser Hinsicht muss man konstatieren, dass Ansehen und Vertrauen in die EU als Mediator und kraftvoller politischer Akteur gesunken sind.

Aktuelle Umfrage zum Prespa-Abkommen

Die Umfrage der KAS-Auslandsbüros Griechenland und Nordmazedonien drei Jahre nach Unterzeichnung blieb in Nordmazedonien aufgrund des Feststeckens des EU-Beitrittsprozesses aufgeladen. Darüber hinaus ist in Nordmazedonien in die Betrachtung mit einzubeziehen, dass 20 bis 25% der Bevölkerung Albaner sind, die vom Namensstreit weniger emotional betroffen waren, da dies eher die identitätspolitische Komponente der Mazedonier berührt, jedoch darf die interethnische Solidarität in Nordmazedonien auch nicht unterschätzt werden. In der Umfrage unter den Mazedoniern[4] lässt sich eine ähnliche Haltung wie bei den Griechen beobachten, die in der aktuellen politischen Situation die Relevanz außenpolitischer Fragen mit 9% weit hinter Wirtschaft 41% und Gesundheitsvorsorge 40% sehen. Ferner wird auch die Annahme, dass eher außenpolitische Akteure das Abkommen vorangetrieben haben, in Nordmazedonien zu 79% unterstützt und deckt sich mit den 77% im Nachbarland. Und ebenfalls in jeweilig umgekehrter Perspektive sind sich Mazedonier und Griechen einig, dass das Abkommen nicht im nationalen Interesse gelegen hätte (48% in Nordmazedonien, 47% Griechenland).

Dennoch ist sehr aufschlussreich zu sehen, dass nur 30% der Befragten das Abkommen abgelehnt hätten, wenn man bereits im Voraus gewusst hätte, dass es keine Fortschritte beim EU-Beitritt gegeben hätte. Dieser Wert ist insofern bemerkenswert, dass nur 39% der Befragten das Abkommen insgesamt als vorteilhaft für das Land betrachten, was heißt, dass ein wesentlicher Anteil der Befragten eine Unterzeichnung befürwortet, auch wenn man nur wenige Vorteile und Nutzen sehen kann. Diese Haltung findet auch in der Frage nach dem zukünftigen Umgang mit dem Abkommen Bestätigung:  Nur 30% würden es vollständig wieder abschaffen wollen, 32% würden nachverhandeln und 30% der Befragten sind für die Umsetzung des Abkommens. Dies kombiniert mit der Frage, dass mehr als die Hälfte der Befragten zustimmt, dass das Abkommen Frieden und Stabilität in der Region gefördert hat, zeigt, dass trotz Frustrationen ein wesentlicher Anteil der Mazedonier einen Nutzen des modus vivendi mit dem Prespa-Abkommen erkennt. Ohnehin hat sich die außenpolitische Lage und Perspektive für Nordmazedonien drei Jahre nach Unterzeichnung des Abkommens durch den aktuellen Konflikt mit Bulgarien gedreht. Während auf die Frage nach einer Bedrohung durch andere Staaten niemand Griechenland nannte, ist nun Bulgarien mit 46% Spitzenreiter unter den Mazedoniern.

Abschließend lässt sich daher sagen, dass der Kompromiss im Prespa-Abkommen, der aus Sicht der Mazedonier das für sie im Vergleich zu den Griechen größere Opfer war, durchaus kritische Akzeptanz findet. Diese wäre ungleich größer, wenn die Erwartungen an den Beginn der EU-Beitrittsgespräche zeitnah erfüllt worden wären. Dies würde einerseits das innenpolitische Hinterfragen des Abkommens deutlich geringer werden lassen und andererseits Sach- und Zukunftsthemen mehr Raum in den politischen Debatten des Landes einräumen. Dass politische Kompromisse auch in heiklen identitätspolitischen Fragen Zugeständnisse und Gewinne zugleich beinhalten, können bereits viele Mazedonier akzeptieren, selbst wenn man sich nur als zweiter Sieger fühlt. Die EU sollte dennoch nicht aus den Augen verlieren, dass Nordmazedonien, auch wenn es noch viele Anstrengungen für einen EU-Beitritt unternehmen muss, eine klare europäische Perspektive zur Modernisierung des Landes benötigt. Selbst wenn aus objektiver EU-Sicht China, Russland und auch in Ansätzen die Türkei keine wirklichen geopolitischen Optionen sind, können diese Akteure die Akzeptanz westlicher Werte und freiheitlicher Demokratie unterminieren, so dass Abkommen wie Prespa in Zukunft noch schwerer zu verhandeln sein könnten. In Anbetracht vielfältig schwelender bilateraler Konflikte in der Region, wäre dies keine guten Zukunftsaussichten.

Griechenland

Ein Offenbarungseid rückt näher, denn Griechenland kann die drei Jahre seit der Klärung der Namensfrage mit dem nördlichen Nachbarn nicht rückgängig machen. Zeit, nach vorne zu schauen und zu handeln.

Dass ein Tweet einen politischen Entrüstungssturm lostreten kann, wissen wir spätestens seit Donald Trump. Wenn dann auch noch der Volkssport Fußball eine Rolle spielt, muss man sich auf etwas gefasst machen. So jüngst geschehen bei der Fußballeuropameisterschaft, als die Nationalmannschaft Nordmazedoniens mit der Bezeichnung FFM – Fußball Föderation Makedonien – den Rasen betrat und Premierminister Zaev im Sturm der Begeisterung einen Tweet losließ, der seinem „Mazedonien“ galt. Wo war der geographische Zusatz „Nord-“ geblieben? Außen vor. Auch nach dem Ausscheiden der Mannschaft des kleinen Balkanlandes ist die Entrüstung im Nachbarland Hellas weiterhin spürbar, trotz offizieller Entschuldigung aus Skopje. Im politischen Athen kochten die Gemüter der Patrioten über, von denen viele in den Reihen der regierenden rechtsliberalen Nea Dimokratia zu finden sind. Drei Jahre nach dem historischen Prespa-Abkommen über die Namensfrage muss die EVP-Mitgliedspartei bald Farbe bekennen: Normalisierung ja oder nein? Die Mehrheit der Bürger ist, das zeigt eine aktuelle Umfrage der KAS Athen in Zusammenarbeit mit der griechischen Denkfabrik Eliamep, da schon einen Schritt weiter. Aber viele weitere Schritte, so die Ergebnisse, müssen folgen – auf beiden Seiten.

Eine Frage der Identität

Der Stolz der Hellenen auf ihre Kultur, Sprache und Geschichte, die sie sich auch unter jahrhundertelanger Fremdherrschaft bewahrt haben, macht sie sensibel für jede Art von fremder Aneignung. So sind zwei Drittel der griechischen Bevölkerung über 55 Jahren der Meinung, dass ihre Kultur derjenigen anderer Nationen überlegen ist. Wenig verwunderlich also, dass ein großer Teil der Bevölkerung den nach den beiden kleinen Grenzseen „Prespa“ benannten Kompromiss noch nicht verwunden hat. Doch ein erfreuliches Ergebnis offenbarte die Umfrage: Der nördliche Nachbar wird nicht als eine Gefahr oder als Gegner wahrgenommen. Dieses Privileg hat, wen wundert’s, der östliche Nachbar, die Türkei.

Doch wie gesagt, man tut sich schwer in Hellas mit „Nordmazedonien“: Fast die Hälfte aller Befragten (48%) denkt immer noch, dass der Kompromiss nicht im nationalen Interesse Griechenlands war.

Gleichzeitig findet etwas mehr als die Hälfte (52%), dass „Prespa“ Stabilität und Frieden in der Region fördert. „Na also!“, möchte man als externer Beobachter der anderen Hälfte sagen. Denn wie fragil die Situation insgesamt auf dem Balkan ist, zeigt eine Entscheidung der neuen US-Regierung: Präsident Biden will, anders als sein Vorgänger Trump, Europa zusammenbringen, nicht spalten. Er hat offenbar genug von Populisten und anderen Spaltern, die die Westbindung der Region verhindern wollen. Seine „Executive order“ vom 8. Juli sieht Sanktionen gegen Personen vor, die die „Destabilisierung“ des Westbalkans vorantreiben. Gemeint sind wohl auch diejenigen, die das Abkommen zwischen Athen und Skopje torpedieren wollen.

Etwas zu unterschreiben ist leicht, dies mit Leben zu erfüllen, schwer

Doch die Umsetzung des Abkommens steht erst am Anfang. Die vertraglich vereinbarte Übergangsfrist von drei Jahren ist mittlerweile um. Eigentlich wollte Athen innerhalb der Frist und noch vor dem Sommer Gesetzesänderungen zugunsten der Wirtschaftsbeziehungen beider Länder verabschieden, möglichst abseits der immer noch leicht erregbaren Öffentlichkeit. Aber dann explodierte Zaevs Twitterbombe, und die Regierung verschob die Abstimmung auf September; jedoch nicht nur aus Zorn, sondern auch aus Angst. Aus Angst, bei der Abstimmung Gegenstimmen aus den eigenen Reihen zu provozieren. Denn obwohl Premierminister Mitsotakis erfolgreich das wirtschaftlich liberale Gesicht der Nea Dimokratia zeigt, sitzen in den eigenen Reihen einige Nationalisten, die in der Vergangenheit mit der Mazedonienfrage politisch Kapital zu schlagen wussten. Allen voran Ex-Premier Samaras, der dem Erfolg des moderaten Mitsotakis nicht traut, und seine Opposition zu allen Fragen rund um Prespa bei jeder sich bietender Gelegenheit kundtut.

Es wird also zu einem Offenbarungsakt für die Regierungspartei kommen müssen. Eher früher als später. Denn zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens saß die Nea Dimokratia noch bequem auf der Oppositionsbank und mobilisierte die Gegner des Abkommens. Jetzt wird die Partei von der politischen Realität eingeholt. Ob es eine Zerreißprobe wird zwischen dem erfolgreichen derzeitigen Premierminister, der in der Pandemie Griechenlands internationales Ansehen spürbar steigern konnte, und der stolzen alten Parteigarde, die für so manches Unverständnis zwischen Athen und seinen europäischen und amerikanischen Partnern gesorgt hatte, hängt eben auch von einem geschickten Timing ab. 

Die Bevölkerung hat eigentlich andere Sorgen

Eigentlich sorgen sich die Griechen in der aktuellen Pandemie vielmehr um Fragen der Gesundheit (46%) und der Wirtschaft (41%), als um Außenpolitik (8,5%). Das zeigen die Ergebnisse der hier zitierten und auf der Homepage der KAS Athen veröffentlichten Umfrage. Doch die jahrzehntelang ungelöste Namensfrage geht den meisten Griechen dennoch nicht ganz aus dem Kopf. Das Abkommen sei ihnen von ausländischen Mächten, nämlich der EU und den USA, aufgedrängt worden, meinen 77% aller Befragten. Dafür musste die damalige Syriza-Regierung Zugeständnisse machen und erhielt Erleichterungen, um aus der Finanzkrise herauszukommen. Ein Anteil von 42% will das Abkommen, wenn möglich, revidieren.

Aber: Es wird auch deutlich, dass die Griechen langsam aber sicher gelassener im Umgang mit dem nördlichen Nachbarn werden. So nimmt die Zahl derjenigen ab, die Nordmazedonien aufgrund seines Namens territoriale Forderungen zutrauen oder eine Fälschung der eigenen Geschichte vorwerfen. Hingegen nimmt die Zahl derjenigen nachweisbar zu, die den Kompromiss von Prespa für notwendig halten.

Keep calm and carry on

Werden diese letzteren, positiven Trends als Richtungsvorgabe genommen, liegt trotzdem noch viel Arbeit vor allen Beteiligten. Prespa ist kein Selbstläufer. Jetzt müssen die Zusammenarbeit, die politischen und gesellschaftlichen Kontakte sowie der persönliche Austausch intensiviert werden. In diesem Sommer, in dem die Pandemie zurückweicht, die Grenzen wieder geöffnet werden und die Fußball-Europameisterschaft gerade erst vorbei ist, sollte vielleicht noch nicht Normalität einsetzen, dennoch aber der Beginn einer Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Ländern. Kaum ein Grieche hat jemals einen Fuß ins nördliche Nachbarland gesetzt. Wenige wissen, dass die nördlichen Nachbarn mehrheitlich orthodoxe Christen sind und nicht, wie viele vermuten, Muslime. Und wer hätte gedacht, dass – wenigstens in diesem Jahr – die Fußballmannschaft Nordmazedoniens treffsicherer ist als die des ehemaligen Europameisters Griechenland?

Es ist daher ermutigend zu beobachten, dass immer mehr Menschen, vor allem die Jugend beiderseits der Grenzen, sich für die Überwindung gemeinsamer Herausforderungen wie den Klimawandel engagieren. Denn gerade in diesem Bereich engagiert sich jetzt auch die Politik, über Grenzen hinweg: Anfang Juli kamen die Umweltminister Griechenlands und Nordmazedoniens (gemeinsam mit ihrem albanischen Gegenüber) virtuell zusammen, um mehr für den Schutz der Natur- und Kulturregion Prespa zu tun. Wahrscheinlich wurde da wenig über Fußball gesprochen.

 

[1] https://www.n-tv.de/sport/fussball-em/Nordmazedonien-Trikot-erzuernt-Griechen-article22620796.html

[2] https://www.euronews.com/2021/06/14/greece-complains-to-uefa-over-north-macedonia-acronym-at-euro-2020

[3] Bulgarien stellt die sprachliche und kulturelle Eigenständigkeit Nordmazedoniens zu Bulgarien in Frage und bezeichnet den südlichen Nachbarn als Schöpfung Titos für Jugoslawien.

[4] Mazedonier bezeichnet hier alle Bürger Nordmazedoniens unabhängig von der Ethnie.

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