Der anhaltende russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Rolle Belarus’ als Unterstützer haben die Sicherheitslage entlang der nordöstlichen Grenze Polens erheblich verschärft. Da diese Grenze zugleich Teil der Ostflanke der NATO und der Europäischen Union ist, hat diese Bedrohung strategische Auswirkungen auf die gesamte euro-atlantische Gemeinschaft. Als Reaktion auf das sich verschlechternde Sicherheitsumfeld hat Polen seine Verteidigungsausgaben auf nahezu fünf Prozent des BIP erhöht und eine Reihe ambitionierter Modernisierungs- und Verteidigungsprogramme angestoßen. Im Zentrum steht das „Nationale Abschreckungs- und Verteidigungsprogramm Ostschild“ – das größte Verteidigungsinfrastrukturprojekt an der NATO-Ostflanke seit Bestehen des Bündnisses.
Das 2024 gestartete und bis 2028 geplante Projekt erstreckt sich über einen 700 Kilometer langen Grenzabschnitt zu Belarus und Russland. In einem bis zu 50 Kilometer tiefen Sicherheitsgürtel verfolgt die polnische Regierung einen integrierten Ansatz, der Überwachung, Bewegungsverhinderung und duale Infrastruktur miteinander verbindet. Das Projekt dient vier strategischen Zielen:
- Ausbau der Fähigkeiten im Bereich Intelligence, Surveillance and Reconnaissance (ISR)
- Erschwerung feindlicher Bewegungen im Falle eines Angriffs
- Erleichterung der Mobilität polnischer und verbündeter Streitkräfte
- Erhöhung des Schutzes für Soldaten und Zivilbevölkerung in den Grenzregionen
Diese Ziele werden mit einem breiten Spektrum ziviler und militärischer Maßnahmen verfolgt. ISR-Kapazitäten werden in allen Domänen ausgebaut – von satellitengestützter Aufklärung über Radartürme bis hin zu Tausenden Drohnen. Um gegnerische Kräfte zu verzögern und zu kanalisieren, verbindet das Projekt verstärkte physische Barrieren – etwa Panzersperren und Gräben – mit natürlichen Hindernissen wie Wäldern und Sümpfen. Für schnelle Verlegungen im Ernstfall sowie den Schutz der Zivilbevölkerung umfasst das Ostschild außerdem den Bau von Straßen, Brücken, Bunkern und Schutzräumen. Ergänzend bildet ein Kooperationsprogramm zwischen Verteidigungs- und Gesundheitsministerium medizinisches Personal in Grenzkrankenhäusern im Bereich Gefechtsmedizin aus, um die gesellschaftliche Resilienz im Krisenfall zu stärken.
Das Ostschild ist kein isoliertes nationales Vorhaben. Es ist eng mit der Baltic Defence Line sowie mit Finnlands Ausbau seiner Deep Strike Capabilities abgestimmt. Gemeinsam entsteht so eine durchgehende Abschreckungsarchitektur von der Ostsee bis zu den Karpaten – zunehmend koordiniert durch gemeinsame Führungsstrukturen, abgestimmte Beschaffung und kollektive Logistik.
Diese regionale Konvergenz erfolgt in einer Phase, in der ein signifikanter Rückzug der US-Streitkräfte aus Europa immer wahrscheinlicher wird. Unabhängig davon, wer in Zukunft im Weißen Haus sitzt, wird Washington seinen strategischen Fokus weiter auf den Indopazifik verlagern und von Europa mehr Eigenverantwortung erwarten. Das Ostschild ist eine Antwort Polens auf diesen Wandel: ein vorausschauendes, europäisch geführtes Projekt, das strategische Autonomie konkret umsetzt und zugleich die NATO-Ostflanke stärkt.
Mit Zapad-25 steht im September ein russisch-belarussisches Großmanöver bevor, das Moskau einen Vorwand liefert, Truppen nahe des Suwałki-Korridors zu konzentrieren. Besonders relevant ist dies für Deutschland, das 5.000 Soldaten samt Familien dauerhaft in Litauen stationieren will – Kräfte, die im Falle eines Durchbruchs vom Westen abgeschnitten werden könnten. Eine Beteiligung am Ostschild wäre daher eine Investition in Europas kollektive Sicherheit.
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Die Reihe Monitor behandelt übersichtlich jeweils ein Schwerpunktthema aus der Perspektive der KAS-Expertinnen und -Experten und ordnet es anhand weniger „Punkte zum Mitnehmen“ in den politischen und gesellschaftlichen Kontext ein.
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Derzeitige Themenschwerpunkte sind „Entwicklungspolitik“, „Nachhaltigkeit“ und „Wahl- und Sozialforschung“. Die Beiträge dieser Unterreihen haben wir zusätzlich zur Gesamtreihe auf eigenen Übersichtsseiten für Sie dargestellt.