Mehr Akteure, mehr lokal, mehr Daten. Die Entwicklungspolitik ist ein weites Feld das ebenso, wie alle anderen politikwissenschaftlichen Gebiete im vergangenen Jahrhundert einem enormen Wandel unterzogen war und heute komplexer erscheint als je zu vor. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit setzt dabei zunehmend auf eine höhere Eigenständigkeit der Akteure. In einem Kolloquium, welches das Promotionskolleg gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) nun abgehalten hat, standen diese Veränderungen im Fokus. Insbesondere am Beispiel Palästina, aber auch mit Blick auf die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, wurde dies deutlich und sorgte für viel Gesprächsstoff bei dem von Frau Dr. Beate Neuss geleiteten Kolloquium.
Dabei können Entwicklungs- und Sicherheitspolitik nicht (mehr) getrennt betrachtet werden. Im Gegenteil verfolgt die Bundesregierung im Rahmen des vernetzten Ansatzes das Ziel einer ineinandergreifenden Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Wie sich Entwicklungs- und sicherheitspolitische Ansätze ergänzen, aber auch welche Spannungsfelder hieraus entstehen können, wurde anhand mehrerer Beispiele aus der GIZ-Praxis diskutiert. 22.200 Mitarbeitende der Entwicklungsorganisation arbeiten im Rahmen vielfältiger Projekte in 120 Ländern weltweit.
Einer der Gründe für die enorme Komplexität der heutigen deutschen Entwicklungspolitik ist, dass sich diese zunehmend im Spannungsfeld mit Sicherheitspolitik befindet. Besonders deutlich wurde dies beim Blick auf Deutschlands Engagement in Palästina. Entwicklungspolitik sei dabei durchaus auch politisch, wie Joachim von Bonin, Leiter der Governance-Einheit, der Debatte mit den Teilnehmenden vorwegschickte.
Die GIZ am Schnittpunkt zwischen Sicherheit und Entwicklung
Die Schnittstelle zwischen Sicherheit und Entwicklung wird unter anderem im GIZ Portfolio in den Palästinensischen Gebieten verdeutlicht. Dabei richten sich die Aktionsfelder der GIZ nach den politischen Vorgaben der Bundesregierung, die insbesondere das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung für den Nahost-Konflikt verfolgt.
In der Konsequenz ist die GIZ neben dem Bereich der nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung aktiv daran beteiligt, die palästinensische Selbstverwaltung zu stärken und staatliche Institutionen für einen zukünftigen palästinensischen Staat aufzubauen. Dazu gehört seit zehn Jahren eine intensive deutsch-palästinensische Polizeipartnerschaft, die von der GIZ mit einem Projekt begleitet wird. Die GIZ arbeitet außerdem mit der Zivilgesellschaft daran, die politische Teilhabe der Bevölkerung zu stärken. Hierfür gibt die Organisation Starthilfen für palästinensische NGO und fördert Frauen in Führungspositionen. Im Auftrag des Auswärtigen Amts kümmert sich die GIZ außerdem um traumatisierte Kinder und Jugendliche insbesondere in Gaza.
Auch Nicola Schäfer, Beraterin in der Unternehmenskommunikation der GIZ, sowie Sebastian Breuer, Junior-Fachplaner im Fach- und Methodenbereich, bestätigten eine gestiegene Erwartungshaltung seitens Auftraggebern und Partnern gegenüber der GIZ, sich verstärkt auch zu sicherheitspolitischen Themen einzubringen. Ein Blick auf das Portfolio verdeutlicht das und gibt gleichzeitig den Blick frei auf weitere komplexe Themenfelder: So wird zum Beispiel bei der Unterstützung des Sicherheitssektors die Rolle von Frauen in der Polizei explizit beachtet, um die Gerechtigkeit der Geschlechter in diesem Bereich zu fördern. Ein stetiges Monitoring der verschiedenen Maßnahmen soll der Komplexität vor Ort gerecht werden und verhindern, dass nicht-intendierte negative Nebeneffekte eintreten.
Den Partner zu befähigen, durch stetiges Konfliktmonitoring sowie Auswertung von enormen Datenmengen Krisen frühzeitig zu erkennen – auch das kann eine wesentliche Aufgabe von Entwicklungszusammenarbeit sein, wie bei dem Gespräch mit Yvonne Akpasom, Leiterin der Komponente „Conflict Prevention and Elections“ des von der GIZ umgesetzten Vorhabens „ECOWAS Peace and Security Architecture and Operations” (EPSAO), deutlich wurde. Ein wesentlicher Bestandteil davon ist die Erhebung und Auswertung großer Datenmengen aus verschiedenen Quellen, um potentielle Konflikte rechtzeitig zu erkennen und vorzubeugen. Dadurch soll eine einheitlichere und effizientere Sicherheitspolitik in den Ländern der ECOWAS ermöglicht werden.
Aber nicht nur aktuelle Datenerhebungen sind für eine moderne Entwicklungspolitik maßgeblich. Auch der Blick in die Geschichte ließ während des Kolloquiums einige Rückschlüsse zu, worauf insbesondere Prof. Dr. Werz in seinem einleitenden Vortrag hinwies. Von den zaghaften Anfängen entwicklungspolitischen Denkens in der noch jungen Bundesrepublik der 50er Jahre über ihre Krisen in den 70er und 80er Jahren bis hin zu ihrer programmatischen Neuausrichtung nach der Wiedervereinigung und den aktuellen Herausforderungen habe sich die deutsche Entwicklungspolitik stetig weiterentwickelt. Und auch die KAS habe hier über die Jahrzehnte bereits eine fundierte Expertise aufgebaut, erklärte schließlich Frau Ertl, Referentin für Entwicklungspolitik, Analyse und Beratung bei der KAS.
Entwicklungspolitik in der Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung
Ab 1962 übernahm das Institut für internationale Solidarität (IIS) erste Kooperationen mit dem Globalen Süden. Zunächst blieben die entwicklungspolitischen Aktivitäten der Stiftung, wie auch der Bundesrepublik, auf lateinamerikanische Partnerländer fokussiert. Parallel zum Ausbau der starken internationalen Vernetzung der KAS, wuchs in den Folgejahrzehnten auch das entwicklungspolitische Engagement in Afrika und Asien. Wenngleich die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Lateinamerika im Zuge des endenden Ost-West-Konflikts um 1989 gegenüber Osteuropa und Asien drastisch an Bedeutung verlor, zählt die Entwicklungszusammenarbeit nach wie vor zu einem Schwerpunkt der Stiftungsarbeit.
Dabei verfolgt die KAS mit der strikten Achtung der Menschenwürde, Hilfe zur Selbsthilfe und Ausrichtung an der sozialen Marktwirtschaft ihre Grundprinzipien. Obwohl die derzeitige Pandemie bestehende Probleme noch vergrößern dürfte, ist wahrscheinlich mit keinen kompletten Brüchen in der Themensetzung zu rechnen.
Frau Ertl, Referentin Entwicklungspolitik der KAS, argumentierte zudem, dass es angesichts des immer selbstbewussteren Auftretens Chinas nötig sei, als EU gemeinsam zu agieren und den Partnern auch die Vorzüge der Kooperation mit den europäischen Ländern zu verdeutlichen. So erhält die EU zum Beispiel, im Gegensatz zu China, nicht die Eigentumsrechte an Häfen, wenn die betreffenden Staaten ihre Rechnungen nicht zahlen können.
Vorstellung der Dissertationsprojekte
Ausführlich diskutiert wurden schließlich die Dissertationsprojekte von Nina Mruk über die normative Kontrolle des Bundestages von Waffenexporten und von Niklas Mayer, der in seinem Projekt klimabezogene Fluchtursachen am Beispiel südäthiopischer Communities untersuchen möchte.
Bericht von Matthias Distelkamp und Marcus Schoft
Über diese Reihe
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