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Country Reports

Christliche Soziallehre in Lateinamerika

Die Herausforderung der Vermittlung von Werten an die Entscheidungsträger von morgen

Lateinamerika ist ein größtenteils christlich geprägter Subkontinent. Reich an natürlichen Ressourcen weist er ein bedeutendes makroökonomisches Wachstum in der Mehrzahl seiner Länder auf. Dennoch lebt ein beachtlicher Anteil der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, während sich eine Minderheit eines großen Wohlstandes erfreut. Der GINI-Koeffizient, Messwert für die Ungleichheit bei der Verteilung des Einkommens, ist in Lateinamerika der Höchste weltweit.

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Die soziale Ungleichheit äußert sich jedoch nicht nur in der Einkommensverteilung, sondern auch in der Chancenungerechtigkeit im Bezug auf den Zugang zu guter öffentlicher Bildung oder zu einer angemessenen Alters- und Gesundheitsvorsorge.

 

 

Die Verantwortung zukünftiger politischer und wirtschaftlicher Führungseliten

 

Die Konrad-Adenauer-Stiftung organisierte 2007 in Quito, Ecuador, eine Konferenz über ethische und soziale Verantwortung der Eliten, zu der politische und wirtschaftliche Führungskräfte sowie Vertreter der katholischen Kirche der Region eingeladen waren. Die Teilnehmer der Veranstaltung gelangten zu dem Schluss, dass sich die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Eliten Lateinamerikas ihrer Verantwortung für die akuten Probleme der Armut und der Güterverteilung in der Region weitestgehend nicht bewusst sind. Paradoxerweise handelt es sich bei diesen Führungskräften mehrheitlich um Absolventen katholischer Schulen und Universitäten.

 

Kardinal Renato Martino, seiner Zeit Präsident des Päpstlichen Rates Gerechtigkeit und Frieden (Justicia et Pax) und der stellvertretende Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Anton Pfeifer, hoben deshalb hervor, dass, um der fehlenden Sensibilität der Eliten für soziale Missstände entgegenzuwirken, bei den jungen Studenten der katholischen Universitäten anzusetzen sei. Denn aus ihnen werden mit aller Wahrscheinlichkeit zukünftige gesellschaftliche Entscheidungsträger der Region. Das „Kompendium der Soziallehre der Kirche“ sei ein notwendiges Instrument, um in den lateinamerikanischen Jugendlichen das Interesse für soziale und wirtschaftliche Probleme zu wecken sowie Ansätze für deren Lösung zu fördern.

Mit diesem Ziel entschloss sich die Konrad-Adenauer-Stiftung einen Grundkurs „Christliche Soziallehre“ zu entwerfen. Dessen Inhalt und Methoden wurde von Experten der Theologie, Soziologie, Wirtschafts- und Politikwissenschaften entworfen. Während drei internationaler Konferenzen in Lima, São Paulo und Rio de Janeiro erarbeiteten sie einen endgültigen Kurstext, welcher dem Vatikan vorgestellt und Mitte 2010 zur Umsetzung freigegeben wurde.

 

 

Umsetzung eines Grundkurses der Christlichen Soziallehre an den katholischen Universitäten Lateinamerikas

 

Ende 2010 vereinbarte die Konrad-Adenauer-Stiftung eine strategische Partnerschaft mit der Organisation der Katholischen Universitäten Lateinamerikas und der Karibik (ODUCAL). Ziel dieser Zusammenarbeit war es, die Einführung eines Grundkurses der Christlichen Soziallehre an den der ODUCAL angehörenden Universitäten – zunächst im südlichen Lateinamerika, sowie Peru und Bolivien – zu planen und ihn später zu implementieren. Ein Ergebnis der Kooperation war das internationale Seminar in Santiago de Chile vom Dezember 2010. Die Teilnehmer der Veranstaltung wurden von katholischen Universitäten Chiles, Argentiniens, Uruguays, Paraguays und Perus entsandt, um für eine spätere Weitervermittlung der Christlichen Soziallehre an ihren jeweiligen Bildungseinrichtungen hinzu zu lernen.

 

Zu den Referenten zählten der Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO), Juan Somavía; der Präsident von ODUCAL, Pedro Pablo Rosso; der Universitätspräsident der Pontificia Universidad Católica de Chile, Ignacio Sánchez; die Vorsitzenden der wichtigsten politischen Parteien Chiles, Ignacio Walker der Christlich Demokratischen Partei (PDC), Juan Antonio Coloma der Unión Demócrata Independiente (UDI), Carlos Larraín der Renovación Nacional (RN) und José Antonio Viera-Gallo der Sozia-listischen Partei (PS). Sie äußerten offen ihre Meinung und die Erwartungen, die sie an einen Kurs der Christlichen Soziallehre stellen, sowie ihre Vision der Bildung einer politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Elite, die sich für eine Verringerung der Armut und der Ungleichheit einsetzt.

 

 

Die Christliche Soziallehre in Lateinamerika und Herausforderungen für ihre Verbreitung

 

Im Wesentlichen bestehen drei Herausforderungen im Bezug auf die Verbreitung der Christlichen Soziallehre in Lateinamerika. Als erstes ist das Problem der Unkenntnis der Menschen über grundlegende Dokumente wie dem „Kompendium der Soziallehre der Kirche“ und der Enzyklika „Caritas in Veritate“ des Papstes Benedikt XVI. sowie des Konzeptes der Christlichen Soziallehre zu nennen. Diese Tatsache stellt nicht nur eine große Aufgabe für die Studenten sondern auch für die zukünftigen Dozenten dar. Selbst vielen Theologen der Region ist das Thema weitestgehend unbekannt.

 

Es lässt sich hierbei ein Zusammenhang zu einer zweiten Herausforderung feststellen. Auf Grund der mangelnden Kenntnis der Christlichen Soziallehre ist auch das Interesse der jungen Akademiker an der Thematik stark begrenzt. Die Erfahrungen katholischer Universitäten der Region zeigen, dass die Teilnahme an freiwilligen Kursen nur sehr gering ausfällt.

 

Eine dritte Herausforderung ergibt sich aus der Konzeption der Christlichen Soziallehre als eine lebendige, an die unterschiedlichsten Situationen anpassbare Lehre. Diese Flexibilität birgt sowohl eine Stärke als auch eine Schwäche für die Verbreitung und Anwendbarkeit. Einerseits macht das Konzept eine Anwendung auf eine Vielzahl von Situationen möglich, andererseits aber lässt diese Abstraktheit klar definierte Formulierungen und konkrete Inhalte nicht zu.

 

 

Grundkurs der Christlichen Soziallehre an katholischen Universitäten in Lateinamerika

 

Die Planung und Umsetzung des Grundkurses „Christliche Soziallehre“ stellt einen Beitrag der Konrad-Adenauer-Stiftung dar, um den Studenten ihre Verantwortung für die mittel- und langfristigen gesellschaftspolitischen Herausforderungen in Lateinamerika bewusst zu machen. Zu ihnen zählen in erster Linie die Kluft zwischen arm und reich und die Schaffung nachhaltigen Wachstums. Die Vorlesungseinheiten des Kurses sollen die Studenten zum Nachdenken über Probleme wie Diskriminierung, Gewalt und Ungleichheit anregen. Daneben werden sich die Teilnehmer auch mit grundlegenden Themen wie „Die Christliche Soziallehre vor dem Hintergrund der sozialen Realität“, „Würde des Menschen und Allgemeinwohl“, „Solidarität, Partizipation und Subsidiarität“ und „Fundamentale Werte des Zusammenlebens: Wahrheit, Freiheit und Gerechtigkeit“ auseinandersetzen und dabei besonders auch auf aktuelle Aspekte wie Umweltschutz, ethnische Konflikte und Bioethik eingehen.

 

Die Struktur des Kurses erlaubt es dem Dozenten einige Studieneinheiten intensiver als andere zu behandeln. Die Flexibilität des Modulsystems hat den Vorteil an Bedürfnisse, Nachfrage und an das jeweilige akademische Umfeld angepasst werden zu können. Die Zusammenarbeit mit dem lateinamerikanischen Bischofsrat (CELAM) ermöglicht es, die Schulung der zukünftigen Dozenten durch die Methode des integrierten Lernens umzusetzen. Dabei kommen neben den Präsenzveranstaltungen auch elektronische Hilfsmittel des Fernstudiums zum Einsatz. Das so erworbene Wissen und die erlernten Fähigkeiten bilden die Instrumente der Dozenten, um mittels der Christlichen Soziallehre eine Bewusstseinsbildung bei den Universitätsstudenten zu fördern.

Eines der Hauptziele des Kurses ist die Vermittlung ethischer Werte, die auf dem christlichen Glauben beruhen. Die jungen lateinamerikanischen Studenten sollen dabei für die soziale Wirklichkeit in ihren Ländern sensibilisiert werden. Daher werden die Ergebnisse dieses durch den Kurs beförderten Prozesses nur mittel- oder langfristig bewertet werden können. Der Grundkurs der Christlichen Soziallehre bildet einen wichtigen Beitrag zur Wertediskussion und Sensibilisierung der Eliten in Lateinamerika.

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Gunter Rieck Moncayo

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