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Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.

Länderberichte mal anders

Zypern auf dem Weg zur Inklusion

de Marian Wendt, Martha Kontodaimon

Inklusion weltweit – Aktueller Stand aus Zypern

Ein Teil der Insel Zyperns ist immer noch besetzt. In dem Maße, wie sich die politischen Führer bemühen, eine Lösung in der Zypernfrage zu erreichen, ihren Bürgern wirtschaftlichen Wohlstand zu verschaffen und die europäischen Werte zu unterstützen, bemühen sie sich auch, gesellschaftliche Veränderungen in die sich ständig verändernde Agenda aufzunehmen. Dabei gewinnen die Bedürfnisse und das Alltagsleben von Menschen mit Behinderungen für die Gesellschaft immer mehr an Bedeutung. Hier geben wir einen ersten Überblick über die aktuellen Vorhaben, die das Leben von Menschen mit Behinderungen auf Zypern erleichtern sollen.

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Besondere Bedürfnisse in Zypern [1]

In Zypern war die Gründung der ersten Sonderschu-len das Ergebnis fragmentierter Maßnahmen und des Ausdrucks von Mitleid gegenüber Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Bis 1979 fehlte es an ei-ner einheitlichen Gesetzgebung für Personen mit besonderen Bedürfnissen, während die meisten Stiftungen damals entweder auf private Initiativen oder auf Wohltätigkeitsvereine zurückgingen. Menschen mit Behinderungen waren marginalisierte Mitglieder, mit denen die Gesellschaft nicht vertraut war und Schwierigkeiten hatte, sie zu akzeptieren.

Der Staat Zypern orientiert sich am Prinzip der Integration von Menschen mit Behinderungen in das Sozial- und Bildungssystem und bietet ihnen die Möglichkeit der gleichberechtigten Behandlung und Bildung. Ab dem Alter von drei Jahren wird psychologische, soziale und pädagogische Unterstützung auf allen Bildungsebenen bis hin zur Hochschulbildung angeboten.

 

Sonderpädagogik

Die Sonderpädagogik in Zypern beinhaltet die Beteiligung sowohl der Eltern als auch von Fachleuten mit verschiedenen beruflichen Hintergründen. In diesem Bereich ist eine große Anzahl von Expertinnen und Experten täglich an der Bereitstellung von Dienstleistungen beteiligt. Insbesondere sind Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, Grund- und Sekundarschullehrerinnen und -lehrer, Sprachtherapeutinnen und -therapeuten, Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen, Audiologinnen und Audiologen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Bildungspsychologinnen und -psychologen involviert, die ein entsprechendes Netzwerk bilden. Die Komplexität der kindlichen Entwicklung und die Schwierigkeit für einen Einzelnen, effektiv zur Erfüllung der Bedürfnisse des Kindes beizutragen, macht es erforderlich, dieses Netzwerk an Fachleuten einzurichten. Das wichtigste Element dabei ist die Einbeziehung der Eltern, die den Hauptstabilitätsfaktor in diesem System darstellen. Eltern spielen eine entscheidende Rolle für die Entwicklung ihres Kindes, da sie die wichtigsten Informationen über ihr Kind selbst liefern können und auch Hauptbeteiligter in der Umsetzung der zu treffenden Maßnahmen sind.

 

Lehr- und Unterstützungspersonal [2]

Das Ministerium für Bildung, Sport und Jugend von Zypern hat als vorrangiges Ziel die Entwicklung der humanen Ressourcen, die in den verschiedenen Diensten der Sonderpädagogik zum Einsatz kom-men. Gleichzeitig sollen die Inspektoren, Schulleiterinnen und -leiter, Klassenlehrer und -lehrerinnen und Eltern informiert und sensibilisiert werden über die grundlegenden Bestimmungen der geltenden Gesetzgebung und die Pflichten jedes Mitglieds der Schuleinheit gegenüber den Kindern mit besonderen Bedürfnissen, die ihre Schule besuchen.

In diesem Zusammenhang müssen Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen für Lern-, kognitive, funktionale und adaptive Behinderungen bis hin zu Ergotherapie und Sprachtherapie in öffentlichen Kindergärten, Grund- und Sonderschulen verpflichtende und optionale Seminare des Pädagogischen Instituts besuchen sowie an internen Konferenzen und Treffen der Bildungsdirektionen teilnehmen.

An den zypriotischen Schulen wird Lehrpersonal von der Schulleitung in Zusammenarbeit mit dem Verbindungsoffizier ausgewählt, um die Sonderpädagogik-Programme in der allgemeinen und beruflichen Sekundarstufe auf der Grundlage folgender Kriterien zu unterrichten:

› Fachkenntnisse in der Sonderpädagogik (Abschluss eines Master- oder zweiten Studiums in Sonderpädagogik, postgraduale/Seminarfortbildung)
› Erfahrung und Wirksamkeit im Unterrichten von Sonderpädagogik-Programmen

› Anwendung von Unterrichtsansätzen, die auf der Philosophie der integrativen Bildung basieren.

Schulassistenten werden eingestellt, um Schülerinnen und Schüler mit zusätzlichen Betreuungs- und Pflegebedürfnissen zu unterstützen.

 

Sonderpädagogik und Bildungsstrukturen

Sonderpädagogische Unterstützung und Bildung werden gemäß einer Entscheidung des Provinzkomitees für Sonderpädagogik und Bildung (PCSET) für Kinder mit besonderen Bedürfnissen angeboten. Es ist die Aufgabe des PCSET, über die Art der Unterstützung zu entscheiden. Das betrifft mögliche Ausnahmen, Befreiungen, Anpassungen oder Änderungen des Lehrplans für Kinder, die eine weiterführende Schule besuchen, notwendige bauliche und umweltbezogene Veränderungen in der Schule sowie die Bereitstellung von technischer Ausrüstung. Wenn es aufgrund einer Entscheidung des PCSET nicht möglich ist, dass das Kind die Schule in seinem Wohngebiet besucht, organisiert der PCSET den kostenlosen Transport zur Schule und zurück.

› Zunächst können Kinder mit besonderen Bedürfnissen eine allgemeine öffentliche Schulklasse gemäß des Bildungsprogramms des Ministeriums besuchen, die an die individuellen Bedürfnisse der Kinder angepasst ist. Die öffentlichen Schulen verfügen über die geeignete Infrastruktur und sind mit dem erforderlichen Personal besetzt.
› Zweitens kann ein Kind mit besonderen Bedürfnissen gemäß einer Entscheidung des entsprechenden PCSET eine Sondereinheit einer öffentlichen Schule besuchen, die der Schulleitung der allgemeinen Schule unterstellt ist, in der sie sich befindet. Schülerinnen und Schüler in der Sondereinheit werden ebenfalls in das Schülerregister der Schule aufgenommen; Dabei nehmen sie, ihrem Alter, ihren Fähigkeiten und individuellen Bedürfnissen entsprechend, nach Möglichkeit an Aktivitäten und Unterrichtsstunden in der allgemeinbildenden Klasse teil.

› Die dritte Option sind die Schulen für Sonderpädagogik und Bildung. Diese öffentlichen Schulen werden gemäß den Bestimmungen der geltenden Gesetzgebung eingerichtet und betrieben. Diese Schulen sind mit dem erforderlichen Lehrpersonal und anderem wissenschaftlichen, unterstützenden Personal sowie Hilfspersonal besetzt und verfügen über die für ihre Aufgaben erforderlichen Einrichtungen.
› In Zypern ist es auch möglich, häuslichen oder schulischen Unterricht für Kinder anzubieten, die aus gesundheitlichen Gründen für einen längeren Zeitraum nicht am normalen Schulunterricht teilnehmen können. Der Besuch von Klassen außerhalb der Schule wird als Teil des regulären Lehrplans in der allgemeinen Klasse angesehen.

Die Gesamtzahl der Kinder in jeder Sondereinheit wird auf der Grundlage des Alters, der besonderen Bedürfnisse und der Besonderheiten der Kinder festgelegt. Der PCSET ist dafür verantwortlich, nach Anhörung der Meinungen der entsprechenden Schulbeamten über die Gesamtzahl der Kinder in einer Sondereinheit zu entscheiden.

 

Nationaler Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen

Der Erste Nationale Aktionsplan [3] für Menschen mit Behinderungen 2018–2028 basiert auf den Prinzipien des Strategischen Planungsleitfadens des Finanzministeriums (Vision, Werte, Ziele, Zielsetzun-gen) und steht in Verbindung mit den Empfehlungen des UN-Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen an die Republik Zypern, der Europäischen Strategie für Menschen mit Behinderungen 2010–2020 und der Strategie des Europarats für Menschen mit Behinderungen 2017–2023. Sein Zweck ist es, die Vision, Werte, strategischen Ziele und Zielsetzungen der Republik Zypern für die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen festzulegen, indem alle staatlichen Akteure jene Maßnahmen implementieren, die einen Mehrwert schaffen und die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen weiter verbessern werden.

Der Zweite Nationale Aktionsplan für Menschen mit Behinderungen umfasste den Zeitraum von 2018 bis 2020, während dem von den sieben Ministerien und zwei Staatssekretariaten 86 Maßnahmen (46 laufende und 40 neue Maßnahmen) geplant waren: 54 Maßnahmen wurden vollständig umgesetzt (63 Prozent), 26 Maßnahmen teilweise umgesetzt (30 Prozent) und sechs Maßnahmen nicht umgesetzt (7 Prozent). Das letzte Update erfolgte im Rahmen des Dritten Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Behinderungen 2021–2023, der 135 Maßnahmen (58 neue Maßnahmen und 77 laufende Maßnah-men) vorsieht, die von acht Ministerien und drei Staatssekretariaten umgesetzt werden sollen.

Bei der Formulierung des Dritten Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Behinderungen 2021–2023 wurden berücksichtigt:
› die Ziele und Maßnahmenprogramme von 8 Ministerien und drei Staatssekretariaten, die innerhalb ihrer Zuständigkeiten Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen erbringen;
› die Anfragen, Meinungen und Vorschläge von repräsentativen Organisationen von Menschen mit Behinderungen, insbesondere der Zypriotischen Konföderation der Organisationen von Menschen mit Behinderungen;
› die Schlussfolgerungen, die am 8. Mai 2017 vom UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen veröffentlicht wurden, nachdem der erste Bericht Zyperns zur Umsetzung des Übereinkommens geprüft und beraten worden war, sowie die wichtigsten europäischen und internationalen strategischen Dokumente zu diesem Thema, wie etwa die Europäische Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021–2030 und die Strategie des Europarats für Menschen mit Behinderungen 2017–2023.

 

Abteilung für die soziale Integration von Menschen mit Behinderungen [4]

Die Abteilung wurde 2009 im Rahmen des Ministeriums für Arbeit und Soziale Sicherheit eingerichtet. Sie ist zuständig für:
› Die Bewertung und Zertifizierung von Behinderungen und funktionalen Fähigkeiten.
› Die Bereitstellung von Sozialleistungen für Menschen mit Behinderungen.
› Die direkte und indirekte berufliche Rehabilitation sowie andere Unterstützungsdienste.
Darüber hinaus ist die Abteilung für das Nationale Register für Menschen mit Behinderungen und für die Berichte Zyperns zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verantwortlich. Die Mission der Abteilung besteht darin, den sozialen Schutz, die soziale Integration und die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen zu fördern. Über die Abteilung können Personen mit besonderen Bedürfnissen Informationen erhalten und sich für Dienstleistungen und Sozialleistungen bewerben, die vom Staat bereitgestellt werden, einschließlich der Möglichkeit, ihre berufliche Ausbildung zu subventionieren.

 

Beschäftigung und soziale Integration

In der zypriotischen Gesellschaft ist es gemäß dem Gesetz „Über Menschen mit Behinderungen" von 2000 nicht gestattet, Personen mit Behinderungen in Bezug auf ihre berufliche Bildung und Ausbildung, ihren Einstieg in den Arbeitsmarkt sowie die Bedingungen und Modalitäten der Beschäftigung zu diskriminieren. Auf Grundlage dieser Gesetzgebung strebt die Gesamtzypriotische Gewerkschaft der Beamten (P.A.S.Y.D.Y.) an, alle Formen der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und sicherzustellen, dass diese Personen gleiche Chancen wie andere Bürger haben, um Positionen im öffentlichen Sektor zu besetzen.

Darüber hinaus stellt der zypriotische Staat im Bereich der beruflichen Ausbildung von Menschen mit Behinderungen das Zentrum für Berufliche Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen zur Verfügung. In diesem Zentrum bringen sich Regierungsbeamte, Vertreter von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Behindertenorganisationen ein. Die Hauptaufgabe dieses Zentrums besteht darin, das Bewusstsein für die beruflichen Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen zu schärfen und sie in technischen Berufen auszubilden, um ihnen Zugang zum Produktionsprozess zu ermöglichen. Die Berufe, in denen diese Personen ausgebildet werden, umfassen Schuhmacherei, Möbelherstellung, Schreinerei, Zuschnitt und Nähen. Gleichzeitig bietet das Zentrum neben der beruflichen Ausbildung einigen behinderten Personen, die in der Lage sind, Arbeit zu leisten, die Möglichkeit einer Beschäftigung in den Werkstätten.

Um als würdige Mitglieder der Gesellschaft anerkannt zu werden, streben die Menschen im Allgemeinen den Zugang zu einer Universität an, eine angemessene Beschäftigung, den Aufbau einer Familie und letztendlich ein gutes soziales Leben an. Die Möglichkeit, dies zu erreichen, ist für Menschen mit Behinderungen schwieriger, da sie mit den körperlichen und sozialen Schwierigkeiten, die ihre Behinderung mit sich bringt, umgehen müssen. 

Das stellvertretende Ministerium für Tourismus unterstützt aktiv die Barrierefreiheit für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen im Rahmen seiner Bemühungen, die Dienstleistungen an zypriotischen Stränden zu verbessern. Bisher wurden 52 zugängfliche Strände für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen registriert, darunter 37 Strände mit vollständiger Barrierefreiheit und 15 Strände mit teilweiser Barrierefreiheit. [5]

 

Digitalisierung als Mittel zum Zweck

Auf dem Webportal der Republik Zypern kann man einen speziellen Abschnitt unter dem Titel „Menschen mit Behinderungen" [6] finden, in dem verschiedene Dienstleistungen angeboten werden, die von verschiedenen Ministerien der Republik für Menschen mit Behinderungen bereitgestellt werden. Je nach Dienstleistung wird die Person auf die Home-page des jeweiligen Ministeriums oder der speziellen Abteilung weitergeleitet, wo Informationen -  und wenn erforderlich - Anträge in Form von PDF Dateien bereitgestellt werden. Hier endet die Digitalisierung in Zypern. Das Portal fungiert daher eher als digitale Informationsbibliothek für spezifische Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen in Zypern, anstatt als Werkzeug. Die meisten Anträge müssen ausgefüllt und zu einem Bürgerservicezentrum gebracht werden, damit der weitere Verfahrensablauf erfolgen kann.

 

KAS-Griechenland und Zypern-Strukturen

Unser Büro in Griechenland, das auch die Bedürfnisse Zyperns abdeckt, arbeitet bisher nicht explizit mit Organisationen oder Institutionen zusammen, die ausschließlich Menschen mit Behinderungen unterstützen. Dennoch bemühen wir uns, allen Menschen die Teilnahme an unseren Projekten und Veranstaltungen zu ermöglichen. Diese sind darauf aus-gelegt, so zugänglich wie möglich zu sein, und Veranstaltungsorte und Hotels werden sorgfältig ausgewählt. Wir ermutigen Menschen mit Behinderungen, aktiv an unseren Seminaren und Workshops teilzunehmen und dort zu sprechen. Durch unsere Arbeit und unseren Wissensansatz setzen wir ein Beispiel für Inklusion und Teilhabe für alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, körperlichen Fähigkeiten und traditionellen Erwartungen.

 

1 Betrachtet wird dabei der Teil der Insel, der von Regierung der Republik Zypern kontrolliert wird.
2 http://www.moec.gov.cy/eidiki_ekpaidefsi/ekpaideftiko_voithitiko_pro-sopiko.html (letzter Abruf: 03.11.2023).
3 http://www.dmsw.gov.cy/dmsw/dsid/dsid.nsf/dsipd80_gr/dsipd80_gr?O-penDocument (letzter Abruf: 03.11.2023).
4 http://www.dmsw.gov.cy/dmsw/dsid/dsid.nsf/index_en/index_en?Open-Document (letzter Abruf: 03.11.2023).

5 https://www.tourism.gov.cy/tourism/tou-rism.nsf/All/35244A6C569FA22BC225859100303DE0?Open-Document (letzter Abruf: 03.11.2023).
6http://www.cyprus.gov.cy/portal/portal.nsf/gwp.getCategory?Open-Form&access=0&SectionId=citizen&Catego-ryId=%CE%86%CF%84%CE%BF%CE%BC%CE%B1%20%CE%BC%CE%B5%20%CE%91%CE%BD%CE%B1%CF%80%CE%B7%CF%81%CE%AF%CE%B5%CF%82&SelectionId=none&print=0&lang=el (letzter Abruf: 03.11.2023).

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Marian Wendt

Marian Wendt

Leiter des Auslandsbüros Griechenland und Zypern

marian.wendt@kas.de

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