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Reportajes internacionales

Warum jetzt die Stunde der deutsch-brasilianischen Beziehungen schlägt

de Philipp Gerhard

Transatlantische Partnerschaft weitergedacht

Angesichts geopolitischer Spannungen und einer bröckelnden Weltordnung entdecken Deutschland und Brasilien ihre Partnerschaft neu – als gleichberechtigte Demokratien mit gemeinsamen Interessen

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Seit Jahrzehnten verbindet Deutschland und Brasilien eine enge Partnerschaft, die auf der wirtschaftlichen Zusammenarbeit fußt, mittlerweile jedoch weit über diese hinaus reicht. Beide Länder teilen grundlegende Werte: Demokratie, soziale Verantwortung, multilaterale Kooperation und die Überzeugung, dass globale Herausforderungen nur gemeinsam bewältigt werden können. In einer Welt, die zunehmend von geopolitischen Machtverschiebungen, außenwirtschaftlichen Drohgebärden und der Erosion internationaler Normen geprägt ist, gewinnen die deutsch-brasilianischen Beziehungen an strategischer Tiefe.

Erneuerter politischer Wille – Regierungskonsultationen als Aufbruchsignal

Deutschland und Brasilien stehen sich dabei als gleichberechtigte Partner gegenüber. Die Regierungskonsultationen im Dezember 2023 in Berlin waren ein starkes Signal für den politischen Willen beider Seiten, die Zusammenarbeit zu vertiefen. Es war das erste Treffen dieser Art seit 2015 – und zugleich Ausdruck eines wieder erwachten Interesses aneinander. Gerade die Europäer, die in der Amtszeit des rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro (2019–2022) auf Distanz zu Brasilien gingen, wandten sich wieder Brasilien zu. Mit über zwanzig bilateralen Abkommen, darunter zur Energiewende, zur nachhaltigen Landwirtschaft und zur wissenschaftlich-technologischen Kooperation, wurde deutlich, dass sowohl Berlin als auch Brasília die strategische Partnerschaft mit neuem Leben füllen wollen. Es wäre ein Bekenntnis zu ihrer Beständigkeit, wenn die dritten Regierungskonsultationen im Jahr 2026 noch vor den brasilianischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattfinden könnten.

 

Partnerschaft auf Augenhöhe – Interessen, keine Illusionen

Diese Partnerschaft ist nicht nur ein diplomatischer Formalismus, sondern ein handfestes politisches Instrument: Sie soll bewusst in eine als positiv aufzufassende gegenseitige Abhängigkeit münden. Die beiden Länder können sich in ihrem Werben für eine stabile internationale Ordnung, nachhaltige Entwicklung und Respekt vor nationaler Souveränität gegenseitig unterstützen.

Deutschland sucht in Brasilien nicht nur einen Rohstofflieferanten oder Absatzmarkt, sondern einen Partner, der auf Grundlage eines gemeinsamen Wertesystems an der Gestaltung der Weltordnung mitwirkt.

Brasilien wiederum sieht in Deutschland einen verlässlichen und respektierten Akteur, der für technische Exzellenz und eine auf Dauerhaftigkeit angelegte Kooperation steht – und keinen kolonialen Unterton in seinen Beziehungen anschlägt. Gerade in Lateinamerika, wo viele Staaten historisch sensibel auf Bevormundung reagieren, hat Deutschland hier einen entscheidenden Vertrauensvorsprung.

Zugleich darf man die Partnerschaft nicht romantisieren. Sie beruht auf Interessen – aber auf komplementären. Deutschland sucht in Brasilien Marktzugänge, Energie und

einen außenpolitischen Resonanzkörper nach Süden; Brasilien sucht Technologie, Investitionen und größeres Gewicht im internationalen System. In diesem Gleichgewicht liegt die Chance: Beide Länder können sich gegenseitig stärken.

 

Neue Weltordnung, neue Partner – Lehren aus der Trump-Ära

Die globalen Verschiebungen der letzten Jahre – die Pandemie, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die zunehmende Systemkonkurrenz zwischen den USA und China – haben gezeigt, dass Deutschland seine außenpolitischen Partnerschaften breiter aufstellen muss. Die jüngsten handelspolitischen Entscheidungen der zweiten Trump-Regierung verdeutlichen, wie dringlich diese Diversifizierung geworden ist.

Die von Washington verhängten 50%-Zölle auf brasilianische Stahl- und Agrarprodukte haben nicht nur wirtschaftliche, sondern auch außenpolitische Konsequenzen. Sie treffen zentrale Exportsektoren Brasiliens und stellen die bisherige Partnerschaft zwischen den beiden amerikanischen Demokratien auf eine harte Probe. In Brasília wächst die Sorge, dass eine dauerhafte Abkehr der USA Brasilien in eine noch stärkere wirtschaftliche Abhängigkeit von China treiben könnte – einem Partner, der zwar Absatzmärkte, Kapital und Investitionen bietet, zugleich aber versucht strategische Sektoren wie Bergbau, Infrastruktur und Telekommunikation vollständig auf sich auszurichten.

Diese Sorge ist nicht unbegründet. Schon heute gehen rund ein Drittel der brasilianischen Exporte nach China, während deutsche Unternehmen an Marktanteilen verlieren. Für Brasilien ist das ein Warnsignal: Zu viel wirtschaftliche Nähe zu Peking kann langfristig die außenpolitische Handlungsfreiheit einschränken. Für Deutschland wiederum ergibt sich daraus eine strategische Gelegenheit – und Verantwortung. Lange warten sollte Berlin jedoch nicht. Bislang kaum vor Ort auftretende Länder, wie Indien, bauen sukzessive ihren Einfluss in Brasilien aus.

 

Jetzt ist die Zeit – Warum das EU-Mercosur-Abkommen entscheidend ist

Gerade jetzt ist die Zeit, die eigene Partnerschaft mit Brasilien zu festigen und zu vertiefen – nicht gegen die USA oder China, sondern als Ausdruck strategischer Eigenständigkeit und Verlässlichkeit. Genau deshalb ist es der Moment das EU-Mercosur-Abkommen zu ratifizieren, das für Deutschland von zentraler Bedeutung ist. Nach über zwanzig Jahren zäher Verhandlungen liegt ein Abkommen auf dem Tisch, welches die immer noch starken Volkswirtschaften Europas mit Südamerikas größtem Markt verflechten kann.

In einer Phase, in der Protektionismus und Abschottung wieder zunehmen, wäre das Abkommen ein Bekenntnis zum offenen, regelbasierten Welthandel. Es würde Brasilien eine wirtschaftliche Alternative zu China eröffnen, stabile Investitionsbedingungen schaffen und Deutschland Zugang zu einem dynamischen Wachstumsmarkt sichern. Vor allem aber würde es die bilateralen Beziehungen zwischen Berlin und Brasília auf eine neue Ebene heben – weg von projektbezogener Kooperation, hin zu einer privilegierten Partnerschaft.

 

Energie, Klima, Vertrauen – Der Amazonas als Prüfstein

Im Bereich der Energie- und Klimapolitik ist diese Zusammenarbeit bereits greifbar. Deutschland investiert massiv in Projekte für grünen Wasserstoff, nachhaltige Landwirtschaft und Waldschutz. Der Amazonas ist dabei nicht nur ein ökologisches, sondern auch ein politisches Anliegen – ein Symbol für die Glaubwürdigkeit globaler Klimapolitik. Hier ist Deutschland einer der wichtigsten Partner Brasiliens, nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit technologischer und finanzieller Unterstützung.

Eine hochrangige Delegation der deutschen Bundesregierung auf der COP30 in der Amazonasmetropole Belém Anfang November 2025, wäre ein starkes Signal der Wertschätzung. Eine deutsche Präsenz auf höchster Ebene würde zeigen, dass die strategische Partnerschaft nicht nur auf dem Papier besteht, sondern gelebte politische Realität ist.

 

Politischer Ausblick – Neue Machtzentren im brasilianischen Hinterland

Blickt man in Richtung der brasilianischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2026, bleibt die politische Zukunft des Landes offen. Ob Präsident Lula da Silva sich erneut durchsetzt oder ob eine konservative Alternative an die Macht kommt – entscheidend ist: Brasilien wird ein strategischer Partner Deutschlands bleiben. Dafür sind die gemeinsamen Interessen zu tief verwurzelt und die Komplementarität zu hoch.

Ein erneuter Wahlsieg Lulas würde vermutlich die internationale Ausrichtung Brasiliens auf Kooperation, Klimaschutz und soziale Inklusion fortsetzen – Themen, bei denen Deutschland natürlich Anknüpfungspunkte findet. Eine konservative Regierung hingegen würde wirtschaftliche Öffnung, Deregulierung und Handel stärker in den Vordergrund rücken – was große Chancen für deutsche Unternehmen böte.

Gleichzeitig zeichnet sich im Inneren Brasiliens eine politische Machtverschiebung ab, die auch für die künftigen Beziehungen relevant werden dürfte. Aus dem landwirtschaftlich geprägten Hinterland, insbesondere aus den Bundesstaaten Mato Grosso, Goiás und Paraná, steigt eine neue Generation von Politikern auf, die eng mit der Agrarwirtschaft verbunden ist. Diese Gruppe ist jung, pragmatisch und stark in den Regionen verwurzelt. Sie verkörpert die wirtschaftliche Dynamik des „Agro-Brasil“, das längst einer der wichtigsten Motoren des Landes ist – und stetig an politischem Einfluss in Brasília gewinnt.

Diese Entwicklung ist von erheblicher Bedeutung: Sie deutet auf eine regional und sektoral differenziertere politische Landschaft hin, in der neue Machtzentren jenseits der traditionellen Metropolen entstehen. Für Deutschland bedeutet das künftig auch, den Dialog mit diesen neuen Akteuren zu suchen – mit Gouverneuren und Parlamentariern aus dem Hinterland, die in den kommenden Jahren nationale Politik prägen werden, und im Übrigen auch mit Unternehmern. Anders als bisherige Politiker aus den urbanen, küstennahen Industriezentren des Landes, denkt der neue Politiker Typus nicht mehr an Protektionismus. Diese Politiker stehen häufig für Wettbewerb, Effizienzdenken und Exportorientierung. Langfristig kündigt sich ein Wandel an, der Brasilien und Deutschland auch ordnungspolitisch näherbringen wird.

 

Fazit – Vertrauen, Verantwortung und gemeinsame Zukunft

In einer Welt, in der alte Gewissheiten schwinden, ist die Beziehung zu Brasilien ein Beispiel dafür, dass Außenpolitik auf Vertrauen, gemeinsamen Interessen und Respekt vor der Eigenständigkeit des Partners beruhen kann. Deutschland und Brasilien teilen nicht immer dieselben geopolitischen Analysen – aber sie teilen die Überzeugung, dass Dialog, Kooperation und Multilateralismus der richtige Weg sind.

Die strategische Partnerschaft zwischen Deutschland und Brasilien ist daher nicht nur ein diplomatisches Projekt zweier Staaten, sondern ein politisches Bekenntnis zu Demokratie, Nachhaltigkeit und globaler Verantwortung. Seine Stärke wird sich daran messen müssen, ob es gelingt, diese Prinzipien auch in schwierigen Zeiten gemeinsam zu verteidigen – jenseits wechselnder Regierungen, technologischer Neuerungen und regionaler Konflikte.

Mit Brasilien hat Deutschland einen Partner, der ihm wohlwollend auf der südlichen Hemisphäre entgegensteht. Dabei ist Brasilien ein westliches Land geblieben, dass sich zwar vermehrt auf der Südhalbkugel orientiert, dennoch aber über ein gemeinsames kulturelles, abendländisches und auch marktwirtschaftliches Wertesystem mit den Europäern verfügt. Etwa 60 Prozent der 213 Mio. Brasilianer sind europäischer Abstammung und viele davon auch heute noch familiär oder emotional mit dem Alten Kontinent verbunden. Europa ist in der DNA Brasiliens.

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Auslandsbüro Brasilien

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Sobre esta serie

La Fundación Konrad Adenauer está representada con oficina propia en unos 70 países en cinco continentes . Los empleados del extranjero pueden informar in situ de primera mano sobre acontecimientos actuales y desarrollos a largo plazo en su país de emplazamiento. En los "informes de países", ellos ofrecen de forma exclusiva a los usuarios de la página web de la fundación Konrad Adenauer análisis, informaciones de trasfondo y evaluaciones.

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