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Venezuela braucht Geduld

Neuer Stichtag ist der 23. Februar

Drei Wochen nach der Vereidigung des Interimspräsidenten Juan Guaidó wartet Venezuela auf die Öffnung des humanitären Korridors.

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Auch am Dienstag den 12. Februar 2019 konnte die demokratische Opposition um den jungen Interimspräsidenten Juan Guaidó hunderttausende Venezolaner auf den Straßen des ganzen Landes mobilisieren. Das zentrale Thema war die Öffnung eines humanitären Korridors. In nur drei Wochen ist es der Opposition gelungen, eine internationale Koalition von Verbündeten aufzubauen. Das wichtigste Ziel ist die Machtübergabe von Präsident Nicolás Maduro. Die Demonstrationen zeigten erneut, dass das Volk in großer Mehrheit hinter Guaidó und der demokratisch gewählten Nationalversammlung steht. Maduro kann jedoch bisher immer noch auf den Rückhalt der führenden Militärs bauen. Die Opposition konzentriert sich nun voll und ganz darauf, die so bitter benötigte humanitäre Hilfe ins Land zu bekommen. Es ist ihr gelungen, über spezielle Sammelzentren in Kolumbien, Brasilien und Curaçao die erste Tranche der Hilfsgüter zu organisieren und zu bündeln. Doch das Regime blockiert wichtige Grenzübergänge und negiert weiterhin die humanitäre Krise, die von Tag zu Tag schlimmer wird. Bei seiner Rede vor einer begeisterten Menge am Tag der Jugend vergangenen Dienstag, setzte Juan Guaidó nun ein Ultimatum für den Einlass der humanitären Hilfe fest. Am 23. Februar wird die Hilfe in Venezuela eintreffen, so Guaidó. Die Opposition bleibt mit diesem Schachzug ihrer erfolgreichen Strategie, das Regime Maduro in genau gesetzten Zeitfenstern unter Druck zu setzen, treu.

Der internationale Druck wächst

Die letzten drei Wochen hat die Opposition kontinuierlich und in enger Abstimmung mit ihren internationalen Verbündeten, mittlerweile mehr als 60 Staaten u.a. die USA, die Lima-Gruppe sowie eine Vielzahl der EU-Mitgliedsstaaten darunter Deutschland, den Druck auf das Regime erheblich erhöht. Die Anerkennung als legitimer Interimspräsident hat Juan Guaidó und der Opposition den Rücken gestärkt und dient bisher auch als Schutz vor eventuellen Übergriffen auf Guaidó und Mitglieder der legitimen Nationalversammlung. Neben dem US-amerikanischen Öl-Embargo, annullierten die USA ebenfalls schon bestehende VISA für die Mitglieder der illegitimen Verfassungsgebenden Versammlung. Weitere Finanzsanktionen gegen führende Köpfe des Regimes werden in Europa und vielen der lateinamerikanischen Staaten zurzeit diskutiert. Auf der am Freitag beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz wird, laut offizieller Angaben neben Themen wie Syrien und der Ukraine, auch das Thema Venezuela behandelt. Der führende Militärapparat und auch Nicolás Maduro zeigten sich doch bis jetzt davon wenig beeindruckt und uneinsichtig. Es scheint als verfolgten sie eine Strategie des Aussitzens. Es wird darauf gesetzt, dass sich die Bevölkerung „müde“ demonstriert und die Opposition Fehler begeht.

Auf ein paar wenige, aber nicht minderwichtige, Verbündete kann das Regime in Caracas dennoch zählen. Russland und die Türkei, obwohl wenig pro-aktiv, halten nach wie vor zu Maduro, ebenso die SADC-Staaten (Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika). Interessant verhält sich hingegen China, das sich überraschend neutral positioniert hat. Hier zeigen sich der chinesische Wirtschaftspragmatismus und die vorrangig finanziellen Interessen. China ist Venezuelas größter Gläubiger und es ist deshalb an einer schnellen Lösung der politischen und wirtschaftlichen Krise interessiert. So wurde bekannt, dass chinesische Vertreter mit beiden politischen Lagern Kontakte pflegen. Um die Auswirkungen des Öl-Embargos zu mindern, versucht Maduro nun auch andere Allianzen zu schmieden, so zum Beispiel mit Indien. Maduro will durch den Verkauf von Öl nach Indien, die Auswirkungen des US-Öl-Embargos abmildern.

9 Tage bis zum nächsten Ultimatum

Die venezolanische Zivilgesellschaft zeigt sich in dieser schwierigen und turbulenten Zeit bemerkenswert friedlich und folgt dem Aufruf der Opposition zum friedlichen und demokratischen Protest. Immer dem Motto folgend: Ende des Machtmissbrauchs, Übergangsregierung, freie Wahlen. Mit Hinblick auf den 23. Februar könnte sich dieses Bild jedoch ändern. Bisher sind keine genaueren Angaben dazu bekannt, wie die humanitäre Hilfe die Grenzen in der Karibik, Kolumbien und Brasilien überqueren wird. Es ist gut möglich, dass die Opposition auch die Zivilgesellschaft und nicht nur das Militär dazu aufrufen wird, den Eintritt der humanitären Hilfe zu überwachen und somit zu gewährleisten.

Die Opposition hat seit wenigen Tagen eine Webseite (voluntarioxvenezuela.com) für die Registrierung von Freiwilligen gestartet. Bis jetzt haben sich schon 230.000 Personen registriert, Tendenz steigend. An diesem Wochenende wird dann wieder der direkte Kontakt zu der Bevölkerung gesucht. Auf sogenannten „cabildos abiertos“ (öffentliche Bürgerversammlungen) will die Opposition erklären, wie der Einlass der humanitären Hilfe im Laufe der nächsten Woche organisiert wird.

Am 23. Februar ist es vorstellbar, dass das Regime nicht das Militär, sondern Zivilisten den Oppositionsanhängern gegenüberstellt. Somit könnte es am 23. Februar zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte Venezuelas zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen venezolanischen Zivilisten kommen. Das Regime könnte hierdurch die Verantwortung für auftretende Gewalt auf den Bürger abstreifen und das Gewaltpotenzial der Opposition zuschreiben.

Die Opposition braucht das Volk auf der Straße

Die Strategie der Opposition ist seit Anfang Januar keine, die auf einen mittel- oder langfristigen Erfolg setzt. Es geht darum, Maduro besser heute als morgen zur Aufgabe zu bewegen und somit den Weg für eine friedliche und demokratische Transition frei zu machen, die dann in freien und fairen Präsidentschaftswahlen mündet. Die Organisation und den Ablauf der Transition hat die Opposition professionell geplant. So wurde ein Transitions-Statut (Estatuto que rige la transición) auf den Weg gebracht und bereits zuvor mit dem Plan País (Plan für das Land), eine Art sozio-ökonomische Road Map für die Zeit post-Maduro einer breiten Öffentlichkeit präsentiert und mit der Zivilgesellschaft debattiert. Trotz des internationalen Drucks ist einer der wichtigsten Faktoren die Mobilisierung der Bevölkerung. Ohne die „Straße“ wird das Militär und somit das Regime nur schwer zur Aufgabe und Machtübergabe bewegt werden können.

Für die venezolanische Bevölkerung beginnt nur erneut eine Zeit des Wartens. Im Laufe der nächsten Woche wird die Opposition erneut eine Marschroute im Hinblick auf den 23. Februar vorgeben. So befindet sich Venezuela seit dem 10. Januar 2019 in einer ständigen Anspannung zwischen Mobilisierung und unruhigem Warten. Bisher ging diese Strategie der Opposition perfekt auf. Jeder neuer Demonstrationstag endete in einer neuen hoffnungs- und energiespendenden Erklärung Guaidós. Das Resultat des 23. Januar war ein junger Hoffnungsträger als Interimspräsident, am 2. Februar stand die Hoffnung auf humanitäre Hilfe und die Anerkennung der wichtigsten EU-Staaten im Fokus und nun schließlich am 12. Februar das Ultimatum für den Einlass der humanitären Hilfe. Es ist davon auszugehen, dass die Opposition auch nächste Woche die Massen mobilisieren kann, denn die Hoffnung auf ein baldiges Ende des Maduro-Regimes und die damit erhoffte Verbesserung der sozioökonomischen Situation setzen in einem Großteil der Bevölkerung enorme Kräfte frei. Dennoch birgt die „Alles oder Nichts-Strategie“ auch Gefahren. Sollte sich der Prozess hin zur friedlichen Machtübergabe in die Länge ziehen, könnten die Rufe nach dem Einsatz von Gewalt und einer internationalen Intervention größer werden und sich die Fronten zwischen den Extremisten beider politischer Lager verhärten. Es muss jedoch nochmals betont werden, dass die bisherigen Massenproteste extrem friedlich verlaufen sind und von einer überraschenden Abwesenheit von Polizei und Militär geprägt waren.

#VamosBienVzla

Geduld ist eines der Worte, das man von vielen Demonstranten, in den Sozialen Netzwerken und auch aus Kreisen der Opposition immer häufiger hört. Die Opposition und die Bevölkerung erinnern sich gegenseitig daran, dass der richtige Weg eingeschlagen wurde, dieser jedoch bis zum Ende in Geschlossenheit und Einheit gedacht und gegangen werden muss. Gerade Juan Guaidó betont immer wieder, dass dieser Prozess nicht mehr rückgängig zu machen ist und spricht seinen Landsleuten Mut zu: ¡Vamos bien! („Es läuft gut!“ oder „Wir sind auf dem richtigen Weg!“). Die Mehrheit der Bevölkerung folgt Guaidó und hat gezeigt, dass sie eine friedliche Machtübernahme wünscht und dies lautstark der Welt zeigen möchte. Wann Maduro und seine politischen sowie militärischen Verbündeten akzeptieren, dass sich das Volk in breiter Masse gegen sie gestellt hat und sie ihren Platz räumen werden, gleicht einem Blick in eine Kristallkugel. Nur eins ist sicher, jeder Tag an dem das Regime die humanitäre Krise leugnet und den Einlass der humanitären Hilfe verweigert, ist für mehrere tausend Venezolaner, besonders Kinder und Senioren im Landesinneren, die täglich um ihr Überleben kämpfen, ein verlorener Tag.

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