Was sind die ideengeschichtlichen Grundlagen der Christdemokratie und inwiefern sind diese heute noch für die politische Arbeit relevant? Diesen Fragen auf den Grund zu gehen, hat sich eine Veranstaltungsreihe der Abteilung Zeitgeschichte zum Ziel gesetzt. Während bei vergangenen Veranstaltungen Themen wie das Christliche Menschenbild, der Liberalismus oder der Konservatismus diskutiert wurden, stand dieses Mal ein Begriffspaar im Mittelpunkt, das auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen scheint.
Einführend machte Matthias Oppermann, Leiter der Abteilung Zeitgeschichte, darauf aufmerksam, dass sich die CDU erst 1978 mit ihrem ersten Grundsatzprogramm klar zu den drei ideengeschichtlichen Strömungen bekannte, die sie seit ihrer Gründung vereinte: das Christlich-Soziale, das Konservative und das Liberale. Dabei sei jedoch besonders um das Soziale und das Konservative gerungen worden.
Vor diesem Hintergrund erläuterte Frank-Lothar Kroll, Professor für Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Universität Chemnitz, die Ursprünge des „konservativen Sozialismus“, einer scheinbar „paradoxen Begriffsbildung“. So seien es im 19. Jahrhundert vor allem Konservative gewesen, die sich mit Blick auf die Soziale Frage und den mit der Industrialisierung einhergehenden Pauperismus sozial engagierten und nach Lösungen suchten, die prekären Zustände zu überwinden. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums habe beispielsweise bereits 1848 der Sozialkonservative Ernst Ludwig von Gerlach betont und damit an die christliche Idee der Nächstenliebe angeknüpft.
Die Idee eines konservativen Sozialismus sei darüber hinaus mit drei Personen verbunden, die der gemeinsame Gedanke verband, dass der Staat – beziehungsweise zu dieser Zeit die Monarchie – die Situation der verarmten Bevölkerung durch soziale Maßnahmen verbessern müsse: Lorenz von Stein, Joseph Maria von Radowitz und Hermann Wagener, der spätere Berater Otto von Bismarcks. Sie wolltensozialistischen Tendenzen durch sozialpolitische Maßnahmen entgegenwirken und damit einen politischer Umsturz verhindern. Otto von Bismarck habe dieses Konzept schließlich als Reichskanzler umgesetzt. Seine Sozialgesetzgebung habe den Grundstein für die systematische Sorge für Alte, Kranke und Arbeitslose gelegt. „In diesem Sinne war auch Bismarck ein konservativer Sozialist“, so Kroll.
Die Idee einer Christlichen Demokratie entstand Kroll zufolge wie auch der konservative Sozialismus in den 1830/40er Jahren. Doch erst der Zusammenbruch des deutschen Reichs am Ende des Zweiten Weltkriegs verhalf ihr zum Durchbruch. Gerade in den ersten Jahren nach der Gründung der CDU sei der Konservative Sozialismus in verwandelter Art zum Zugegekommen: „Während sich im 19. Jahrhundert insbesondere konservative Protestanten sozial engagierten, waren es nun die vornehmlich katholischen Gewerkschafter, die für einen „christlichen Sozialismus“ eintraten.“ Insbesondere das bis heute bekannte Ahlener Programm aus dem Jahr 1947 habe für diese Denkrichtung und gestanden und einen gemäßigten Sozialisierungskurs propagiert. Diese Ideen hätten sichallerdings nicht auf den Marxismus bezogen, sondern an die Konzepte des konservativen Sozialismus des 19. Jahrhunderts angeknüpft. Zwar habe sich in der CDU schon zwei Jahre später mit den Düsseldorfer Leitsätzen ein liberaler Kurs durchgesetzt und die Soziale Marktwirtschaft zum Markenkern der Union gemacht, so Kroll, doch seien einzelne Aspekte wie zum Beispiel die Idee der Unternehmensmitbestimmung Teil der Programmatikgeblieben.
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