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Klimareport 2017: Argentinien

Privatsektor und Klimafinanzierung in den G20-Staaten

Argentinien mobilisierte 2015 knapp 855 Millionen US-Dollar für den Klimaschutz, fast ausschließlich Mittel von der Lateinamerikanischen Entwicklungsbank (CAF) und der Weltbank. Die verbleibende Summe verteilte sich auf weitere Akteure wie die Inter-Amerikanische Entwicklungs-bank (IDB) und internationale Klimafonds, etwa den Green Climate Fund (GCF). Innerhalb Lateinamerikas gehört Argentinien neben Brasilien und Mexiko damit zu den fünf Staaten mit den höchsten Klimafinanzbudgets.

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Vom Wind verformte Bäume wie hier in Patagonien verdeutlichen das Windkraftpotenzial Argentiniens. royalty free (AdobeStock)
Vom Wind verformte Bäume wie hier in Patagonien verdeutlichen das Windkraftpotenzial Argentiniens.

KLARERE AUSRICHTUNG UNTER DER NEUEN REGIERUNG

Bis Ende 2015 erfolgte die Verteilung der Klimafinanzmittel in Argentinien mangels strategischer Leitlinien weitestgehend unstrukturiert und partiell konfus. Erst mit der neuen Regierung unter Präsident Mauricio Macri erhielten der Klimaschutz und damit die Klimafinanzierung politische Priorität. Seit 2016 verfügt Argentinien im Rahmen der Nationally Determined Contributions (NDC) über eine nationale Klimaschutzstrategie. Diese enthält zwar keine exakte Definition für Klimafinanzierung, Mittel aus den internationalen Klimafonds sowie von den regionalen Entwicklungsbanken stammende Gelder, die gleichzeitig zur Umsetzung der argentinischen NDC beitragen, werden jedoch darunter subsumiert.

Die wachsende Bedeutung der Klimapolitik in Argentinien zeigt sich u. a. daran, dass es das erste Land überhaupt war, das seine NDC im Rahmen des Klimaabkommens von Paris überarbeitete. Die neue Regierung verschärfte dabei nicht nur die Klimaziele. Im Zuge der NDC-Revision entwickelte Argentinien auch zahlreiche konkrete Maßnahmen und nahm umfassende institutionelle Veränderungen auf ministerieller Ebene vor. Die argentinische Regierung versuchte damit, einen festen Rahmen für den Klimaschutz zu schaffen, der zugleich privatwirtschaftliche Investitionen auslösen soll.

ÜBERARBEITETE NDC UND NEUE STRUKTUR

Schon kurz nach Amtsübernahme 2015 begann die neue Regierung ihre NDC zu revidieren. In der neuen Version legte das Land eine Senkung der CO2-Emissionen von 18 Prozent (vorher 15 Prozent) gegenüber einem Business-as-usual-Szenario bis 2030 fest. Eine Senkung der CO2-Emissionen von bis zu 37 Prozent (vorher 30 Prozent) ist dabei sogar möglich, wenn ausreichend Klimafinanzmittel oder anderweitige Ressourcen aufgebracht werden können. Die Überarbeitung umfasste auch eine deutliche Konkretisierung bei der Umsetzung der NDC. Zahlreiche Maßnahmen und institutionelle Änderungen sind dabei thematisiert und bereits umgesetzt worden. Auf der ersten Klimakonferenz nach dem Abkommen von Paris in Marokko 2016 (Conference of the Parties, COP 22) konnte Argentinien der internationalen Gemeinschaft bereits seine neuen Ziele vorstellen.

Vor dem Hintergrund der Revision der NDC fand in Argentinien zum ersten Mal überhaupt ein nationaler Abstimmungsprozess zur Klimaschutzpolitik statt. Für die Klimafinanzierung in Argentinien nehmen die NDC somit eine politisch äußerst wichtige Rolle ein. Sie schaffen erstmals eine strategische Basis für den Klimaschutz, denn Klimafinanzen, die über regionale und multilaterale Entwicklungsbanken in Argentinien bereitgestellt werden, müssen sich nun den Prioritäten der NDC unterordnen. Außerdem hat die Entwicklung der NDC innerhalb der argentinischen Administration zu einer erheblichen Verbesserung der Klimafinanzstruktur geführt.

Zuständig für die Klimapolitik, inklusive der Klimafinanzierung, wenn auch formal nicht in allen Belangen, ist das Ministerium für Umwelt und nachhaltige Entwicklung (Ministerio de Ambiente y Desarrollo Sustentable, MADS). Innerhalb des MADS kümmert sich die Abteilung Klimawandel und nachhaltige Entwicklung um sämtliche Fragen des Klimawandels. Sie fungiert als eine Art Kompetenzzentrum innerhalb des Ministeriums sowie darüber hinaus. Im Zuge der Revision der NDC 2016 wurde ein interministerielles Kabinett (Gabinete Nacional de Cambio Climático) für Fragen zum Klimawandel eingerichtet, das vom MADS einberufen und koordiniert wird. Es hat die Aufgabe, den eingegangenen Verpflichtungen, bspw. im Rahmen des Klimaabkommens von Paris, politische Umsetzungsinstrumente zuzuweisen und die Klimafinanzierung zu koordinieren. Es handelt sich um einen Arbeitskreis, bei dem zwölf verschiedene Ministerien zusammenwirken. Das Kabinett rangiert auf der Ministerialebene und wird in der Praxis von thematischen Arbeitsgruppen mit den entsprechenden Experten aus den verschiedenen Ministerien begleitet. Durch Gesprächsrunden, die „erweitertes Kabinett” genannt werden, können sich auch Vertreter der Zivilbevölkerung aus dem akademischen und dem privaten Sektor beteiligen.

Die Arbeitskreise des interministeriellen Klimakabinetts spielen für die Finanzierung und Erreichung der Klimaschutzziele eine zentrale Rolle. Je nach Herkunft der internationalen Klimamittel stehen verschiedene Arbeitskreise und damit auch Ministerien in der Verantwortung. Am wichtigsten ist der Arbeitskreis zum Thema Finanzen, in dem das Finanzministerium selbst in der Hauptverantwortung steht. Das Finanzministerium ist am Ende auch formal für die Prüfung aller aus internationalen Quellen stammenden Klimafinanzmittel zuständig. Für den GCF ist das Finanzministerium zudem der unmittelbare Ansprechpartner. Das MADS ist hingegen für die Gelder aus der Global Environment Facility(GEF) zuständig. Das Landwirtschaftsministerium verwaltet Zuwendungen aus dem multilateralen Anpassungsfonds (AF).

Die Komplexität der Zuständigkeiten zeigt sich am Beispiel des Projekts Adaptación y Resiliencia de la Agricultura Familiar del Noreste de Argentina (NEA) ante el Impacto del Cambio Climático y su Variabilidad. Dieses zielt darauf ab, kleine privatwirtschaftlich geführte Landwirtschaftsbetriebe auf die Auswirkungen des Klimawandels, bspw. Wassermangel, vorzubereiten und Anpassungsstrategien zu entwickeln. Das Geld für das Projekt stammt aus dem AF, womit das Landwirtschaftsministerium formal zuständig ist. Die Unidad para el Cambio Rural (UCAR), eine Unterbehörde des Landwirtschaftsministeriums, verwaltet das Budget für das Projekt. Allerdings sind in der Umsetzung auch das MADS und andere Unterbehörden aus dem Landwirtschaftsministerium wie das Instituto Nacional de Tecnología Agropecuaria (INTA) und das Oficina de Riesgo Agropecuario (ORA) beteiligt. Das Klimakabinett sorgt dafür, dass solche komplexeren Projekte strukturiert und abgestimmt umgesetzt werden können. Gerade für den Privatsektor könnten die neuen Rahmenbedingungen und geregelten Zuständigkeiten einen attraktiven Investitionsrahmen bilden, waren es doch vor allem institutionelle Barrieren, z. B. unklare Zuständigkeiten oder intransparente Mittelverwendung, die private Investitionen verhinderten.

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Quelle: Climate Action Tracker , Climate Analytics , Ecofys, NewClimate

INTERNATIONALE KLIMAFINANZIERUNG UND PRIVATWIRTSCHAFTLICHE INITIATIVEN

Die gegenwärtig höchsten Beiträge aus internationalen Klimafonds für Klimafinanzprojekte in Argentinien stammen aus dem AF, den GEF und dem GCF. Dazu kommen jährlich hohe Darlehen von der Weltbank, der IDB und der CAF. Ein Großteil dieser Mittel floss in den vergangenen Jahren in den Ausbau des argentinischen Sektors der erneuerbaren Energien unter expliziter Einbindung der Privatwirtschaft. Die argentinische Regierung flankiert diesen Ansatz, indem sie erst kürzlich einen Plan für erneuerbare Energien („RenovAr”) für das Land veröffentlicht hat. Damit sollen bis zum 31. Dezember 2017 mindestens acht Prozent des nationalen Energieverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Bis zum 31. Dezember 2025 sollen dann sogar 20 Prozent erreicht werden. Das bevorzugte Instrument zur Förderung der erneuerbaren Energien ist dabei die Auktion von Zuschüssen. Die argentinische Regierung verfolgt mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien neben dem Klimaschutz vor allem auch die Bekämpfung der Energiearmut im ländlichen Raum.

Ein Vorzeigeprojekt in dieser Hinsicht ist ein vom GCF mit 130 Millionen US-Dollar in Argentinien gefördertes Projekt (Catalyzing Private Investment in Sustainable Energy in Argentina), das langfristig privatwirtschaftliche Investitionen in den Ausbau von erneuerbaren Energien anregen soll. Hierzu sollen Technologien und Geschäftsmodelle beispielhaft entwickelt und anschließend privatwirtschaftlich weitergetragen werden. Das Projekt wird von weiteren regionalen Entwicklungsbanken kofinanziert. Die GEF und vor allem die Weltbank fördern zudem Projekte in ländlichen Gebieten, etwa das Proyecto de Energías Renovables en Mercados Rurales (PERMER). Damit sollen im ländlichen Raum Argentiniens öffentliche Einrichtungen wie Schulen sukzessive mit Technologien der erneuerbaren Energien ausgerüstet werden, um Energieknappheit zu begegnen. Außerdem wird in Argentinien der land- und forstwirtschaftliche Sektor finanziell unterstützt. Über einen eigens dafür geschaffenen Fonds konnten Mittel aus dem United Nations Collaborative Programme on Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation in Developing Countries (UN-REDD-Programm) in die Regionen fließen, um Aufforstungen zu ermöglichen. Zusätzlich fand auch das UN-Programm REDD+ Anwendung, das den Schutz des Waldes und die Verbesserung des Managements der forstwirtschaftlichen Ressourcen insgesamt zum Ziel hat.

Klimaregulatorische Instrumente wie Emissionszertifikate, CO2-Steuern oder der Clean Development Mechanism (CDM) spielen in Argentinien gegenwärtig keine wichtige Rolle. So gibt es weder einen Emissionshandel noch Umweltsteuern. Der CDM wird zwar genutzt, allerdings fallen damit zusammenhängende Projekte kaum ins Gewicht. Viele Unternehmen vermeiden aufgrund der vermeintlich hohen Transaktionskosten Investitionen über CDM. Es zeigt sich insgesamt, dass Argentinien im Privatsektor bis auf die klassischen Instrumente wie Zuschüsse, Darlehen und Kredite noch keine wirklich innovativen Klimafinanzansätze wie bspw. Green Bonds vorzeigen kann.

Allerdings hat die argentinische Regierung erstmals einen prinzipiellen Rahmen für Emissionszertifikate geschaffen. Danach hat jeglicher Handel mit Emissionszertifikaten in Argentinien mit Zustimmung der Zentralregierung zu erfolgen und alle Emissionsreduzierungen, die auf nationaler Ebene erfolgen, sind zur Zielerreichung der NDC heranzuziehen. Hieraus können sich durchaus neue Geschäftsfelder für die Privatwirtschaft ergeben.

AUSBLICK G20

In Argentinien herrscht heute eine gewisse Neugier, ob es Deutschland mit seinem G20-Vorsitz mit Blick auf die neue US-Regierung gelingt, das Thema Klimafinanzierung bzw. Klimapolitik auf der politischen Agenda zu halten. Die Argentinier trauen dies den Deutschen durchaus zu. Zumal die COP 23 anschließend in Deutschland stattfinden wird. Argentinien selbst sieht die eigene G20-Präsidentschaft als Möglichkeit, sich als wirtschaftsliberales Land zu präsentieren. Entsprechend ist zu erwarten, dass die Schwerpunktthemen im Bereich Wirtschaft und Investitionen zu finden sein werden. Ob die Klimafinanzierung dabei eine tragende Rolle einnehmen wird, ist schwer abzuschätzen, da Argentinien diese eher im Bereich der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) verortet. Allerdings hat Argentinien ein großes Interesse daran, an der internationalen Klimafinanzierung teilzuhaben, gerade jetzt, da das Land anfängt,einen eigenen Sektor der erneuerbaren Energien aufzubauen. Insofern ist davon auszugehen, dass die argentinische G20-Präsidentschaft dem Thema Klimafinanzierung zumindest eine Plattform geben wird.

ÜBER DEN AUTOR

Dr. Christian Hübner ist Leiter des Regionalprogramms Energiesicherheit und Klimawandel in Lateinamerika der Konrad-Adenauer-Stiftung in Lima, Peru.

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6. Juli 2017
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