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KAS/Michael Sieben

Veranstaltungsberichte

Bonner Rede 2025

von Johannes Christian Koecke

70 Jahre NATO-Beitritt der Bundesrepublik Deutschland

Art. 24 GG stand im Mittelpunkt der diesjährigen Bonner Rede - und damit die Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in internationale Bündnisse, insbesondere der NATO.

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Eigentlich wollte man ursprünglich nur feiern, so Ulrike Hospes, Leiterin des Büros NRW der KAS bei ihrer Begrüßung; man wollte 70 Jahre Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur NATO feiern – vor längerer Zeit, als die Planungen für die Bonner Rede 2025 begannen. Für die wachsameren unter den europäischen Geistern, den Balten und den Polen z.B., wäre eine „normale“ Feier schon ab 2014 nicht mehr möglich gewesen. Nun aber wartete man in Deutschland noch etwas ab, vielleicht wird es ja nicht so schlimm! Doch, es kam ärger als erwartet, und so, betonte Hospes im gefüllten großen Saal des Hauses der Geschichte, war es klar, dass spätestens seit Februar 2022 das 70. Jubiläum des Beitritts unter einem dunklen Stern stehen musste. Aber es gab ja noch die Amerikaner, den guten Freund und die traditionelle Schutzmacht, auf die man sich verlassen konnte. Aber damit, so machte sie klar, war es spätestens mit der Rede des amerikanischen Vizepräsidenten auf der Münchener Sicherheitskonferenz und der öffentlichen Demütigung des ukrainischen Präsidenten im Oval Office auch vorbei. Und nun?

 

Gut, dass erst einmal ein Jurist die Bühne betrat. Prof. Christian Hillgruber, Staatsrechtler an der Universität Bonn, zeichnete den Werdegang der außenpolitischen und militärischen Integration der werdenden Bundesrepublik in die westliche Gemeinschaft, in EU und NATO, nach. Schon die Präambel des Grundgesetzes verabschiedete sich von „introvertierter Staatlichkeit“ hin zur Supranationalität („als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt … dienen“). Fokus war erkennbar zu dieser Zeit ausschließlich die europäische politische Einigung, ausformuliert wurde dies in Art. 24 GG. Zeitgleich veränderte der Koreakrieg die sicherheitspolitische Lage. Was vorher eine ideologische Frontstellung zur Sowjetunion war, wurde jetzt eine militärische. Für die Bundesrepublik lag zunächst eine europäische Verteidigungsgemeinschaft nahe – obwohl, wie wir später erfuhren, der „Alte“, Konrad Adenauer, sie nicht so sehr wollte wie eine Allianz mit den USA. Zu seinem wahrscheinlichen Wohlgefallen scheiterte die EVG 1954 an der französischen Assemblée Nationale. Ein Jahr später, 1955, trat dann die Bundesrepublik der sechs Jahre zuvor gegründeten NATO bei. Seitdem befindet sich die Bundesrepublik in einem sicherheitspolitischen Netzwerk, das im Vertrag von Lissabon auch um eine europäische Komponente erweitert wurde.

 

Das war das Regiezeichen für Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Hochschule der Bundeswehr in München, häufiger Talkshowgast und – so Ulrike Hospes – bester Botschafter der Politischen Bildung im Fernsehen und in den Sozialen Medien. Er nahm das Publikum mit zu einem faszinierenden Aufklärungsflug über das weite Feld der militärisch-politischen Herausforderungen der nächsten Jahre. Masala ist ein Redner der Struktur und der Pointen.

Die vier Phasen der NATO waren schnell abgehandelt:

1. (bis 1955) NATO ohne Deutschland;

2. (bis 1990) NATO mit Deutschland-West als Frontstaat gegen den Ostblock;

3. (bis 2014) NATO auf Sinnsuche am Hindukusch und anderen internationalen Schauplätzen.

4. (2014 – 2025) Mit der russischen Annexion der Krim 2014, spätestens seit dem Überfall auf die Ukraine ist die NATO wieder in einer ähnlichen Situation wie in Phase 2.

5. Und nun der Paradigmenwechsel der USA, der Phase 5 der NATO einleitet. Die USA beginnen unter Trump das erbarmungslos zu verwirklichen, was bei Barack Obama und selbst bei Joe Biden schon anklang: Sie sind nicht mehr willens und in der Lage, die Unipolarität und die Hegemonialstellung aus Phase 3 beizubehalten, sie denken in einer neuen Bipolarität mit China und überlassen – so sieht es aus – Europa sich selbst in der Frontstellung zu Russland. Die Trump-Administration denkt nicht in „Werten“, sondern in „Deals“, und das bedeutet nichts Gutes für Europa. Denn der Deal, den sich der Dealmaker vorstellt, besteht darin, dass Europa viel mehr, möglichst alles für seine eigene Verteidigung zahlt und die USA Geschäfte mit Russland machen kann. Das alte Geschäftsmodell - billiges Gas aus Russland, Sicherung der Handelswege und mitlitarische Abschreckung durch die Schutzmacht USA - gehört der Vergangenheit an.

Wie steht es nun um die kollektive Sicherheit in der NATO? Nukleare Sicherheit mag es noch geben, aber von einer konventionellen Unterstützung der USA bei Konflikten der Zukunft können die Europäer nicht mehr ausgehen. Diese zu ersetzen, erfordert erstmal viel Geld – Geld, das in den stark soziallastigen Haushalten der europäischen NATO-Mitglieder so leicht nicht locker zu machen ist. Aber es erfordert noch viel mehr einen gemeinsamen Willen, gemeinsame Entschlossenheit, Wehr- und Entbehrungsbereitschaft. Masala hat großen Zweifel daran, dass es noch eine (schweigende) Mehrheit für diese Wehrbereitschaft gibt, wie noch 1983, als zwar Hunderttausende auf dem Bonner Hofgarten gegen die Nachrüstung demonstrierten, aber drei Viertel der Bevölkerung dafür waren. Dies ist jetzt vorbei. Rechnet man AfD, BSW und Linke zusammen, so hat man ein stabiles Drittel der Gesellschaft, das explizit gegen eine Aufrüstung zur Eindämmung der russischen Expansion ist. Die Umfragen zeigen zwar hohe Bereitschaft für mehr Rüstungsausgaben, aber bei der Wehrpflicht sinkt die Zustimmung schon erheblich. Eine ganz andere Dimension ist der hybride Krieg, der schon im Gange ist, der Kampf um unsere Köpfe und Herzen. Ohne das Bewusstsein und die Überzeugung, was wir an der freiheitlichen Demokratie haben, ist dieser Konflikt – so Masala – nicht zu gewinnen.

 

In der anschließenden Diskussion, die von Prof. Harald Biermann, dem Präsidenten des Hauses der Geschichte, kundig geleitet wurde, war viel von politischer Führung die Rede. Sie sei jetzt erforderlich. Alle großen politischen Entscheidungen in der Geschichte der Bundesrepublik seien, als sie getroffen wurden, unbeliebt gewesen. Diese Situation ist jetzt wieder da, und es habe den Anschein, dass der Ernst der Lage von der Politik noch nicht erkannt sei. Diese melancholische Betrachtung gipfelte in dem Bonmot Masalas, dass „solange die Politik in Berlin mehr Angst vor dem Bundesrechnungshof habe als vor Russland, wir noch nichts begriffen hätten“. So konnte sich dieser eigentlich nachdenklich gestimmte Abend in Gelächter auflösen, und doch werden viele der 300 Anwesenden nicht ohne (gewisse) existentielle Sorgen nach Hause gegangen sein.

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Kontakt

Dr. Ulrike Hospes

Dr. Ulrike Hospes

Landesbeauftragte und Leiterin des Politischen Bildungsforums NRW /
Leiterin Büro Bundesstadt Bonn

ulrike.hospes@kas.de +49 (0) 2241 246 4257 +49 (0) 2241 246 5 4257

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