Mit Blick auf die Proteste im Iran beobachten wir in Deutschland eine fehlende politische und mediale Aufmerksamkeit, weder einen gut hörbaren politischen Aufschrei, noch öffentliche Massendemonstrationen als Unterstützung der Demonstranten im Iran. Wie erklären Sie sich das?
Politisch hat es sicher mit den Atomverhandlungen zu tun, die offenbar kurz vor dem Abschluss stehen. Medial mit unserem zunehmenden Desinteresse an politischen Ereignissen außerhalb Deutschlands, sofern sie nicht - wie der Ukrainekrieg - unmittelbar mit uns zu tun haben.
Was müsste in Deutschland jetzt passieren, sowohl seitens der Bundesregierung als auch der Zivilgesellschaft?
Es müsste sehr viel deutlichere und auch in Iran sichtbare Zeichen der Unterstützung geben, insbesondere auch in der Kultur - so viele bedeutendete Kulturschaffende sind verhaftet worden -, oder vom Sport - denken Sie an die Benachteiligung der weiblichen Zuschauer und Sportler beziehungsweise ihre riskante Unterstützung der Proteste, auch von Seiten iranischer Nationalspieler. Aber natürlich auch von der Bundesregierung, deren Reaktion trotz einiger - allzu später - kritischer Worte der Außenministerin insgesamt beschämend zurückhaltend ist. Deutschland ist dabei, den Fehler seiner Russland-Politik zu wiederholen, nämlich aus kurzfristigem energiepolitischem Interesse und dem Wunsch nach Stabilität die langfristigen Folgen aus dem Blick zu verlieren - zu unserem eigenen realpolitischen Schaden.
Was glauben Sie, wie sich die Protestbewegung im Iran entwickeln wird?
Vielleicht gelingt es, auch die aktuelle Protestbewegung niederzuknüppeln und niederzuschießen. Aber dann wird der Protest aus einem anderen Anlass demnächst wieder aufflammen und noch radikaler werden.