Dr. Hubertus Knabe schilderte detailliert und beklemmend das Agieren der Roten Armee bzw. des NKWD vor und nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands in den Ostgebieten bzw. der sowjetischen Besatzungszone. Der betroffenen Bevölkerung habe diese Zeit allenfalls kurz als „Befreiung“ erscheinen können, so der Historiker.
Die erste Phase überschrieb Knabe mit den „Schrecken der Eroberung“; sie sei vor allem geprägt gewesen durch unzählige Gräueltaten der Roten Armee – Morden, Vergewaltigungen, Plünderungen, Brandschatzungen – und zwar systematisch und flächendeckend, postuliert durch klare Direktiven der sowjetischen Führung. Die offen und „legal“ ausgeübte grausame Gewalt führte zudem schnell zu einer Gewöhnung, gar einem „Gewohnheitsrecht“. Im Schlepptau der Roten Armee habe das NKWD die zweite Phase umgesetzt: Säuberungen, Verhaftungen, Deportationen, Zwangsarbeiten – ebenfalls verbunden mit immensen Todesraten. Phase drei habe schließlich aus der brutalen Diktaturdurchsetzung bestanden, mit Angst und Schrecken als Herrschaftsinstrument.
Die ostdeutsche Erfahrung des Kriegsendes sei vor dem Hintergrund dieser Ereignisse eine fundamental andere als die der Westdeutschen. Außerdem ließen sich aufgrund innerrussischer Tradierungen Kontinuitäten in der Kriegsführung offenkundig feststellen, wenn man den Bogen von der Roten Armee zum aktuellen Geschehen in der Ukraine ziehe. Warum dennoch eine weitverbreitete Russlandliebe in Ostdeutschland zu beobachten sei, könne schlechterdings nicht mit den Ereignissen vor 80 Jahren zusammenhängen. Auch empfundene Kränkungen im Zuge der deutschen Wiedervereinigung griffen zu kurz. Die Hauptursache müsse wohl eher in der zunehmenden Politikverdrossenheit und in wahrgenommenen Zumutungen der letzten Jahre liegen, was sich offenbar oftmals in einer Fundamentalopposition zeige, die sich paradoxerweise Putins Russland nahe fühle. Hier gelte es wachsam zu bleiben, denn „wenn Diktaturen erst einmal da sind, ist es zu spät“
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