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Reportages pays

Investitionsklima in Serbien

de Norbert Beckmann-Dierkes, Marko Schneider

Serbiens wirtschaftspolitischer Weg in Coronazeiten

Die COVID-19-Pandemie sorgte 2020 weltweit für eine Rezession. Dieser große externe Schock hält zum Jahreswechsel weiterhin an und stellt global alle Volkswirtschaften vor große Herausforderungen. Dies gilt in Europa besonders für die Länder des westlichen Balkans ob ihrer engen Verflechtung mit dem europäischen Binnenmarkt. Durch diese wirtschaftliche Zäsur werden die Schwächen globaler Lieferketten besonders deutlich. Die große Abhängigkeit von komplexen Lieferverbindungen mit außereuropäischen Ländern, macht sich besonders in Europa bemerkbar und der Blick richtet sich zunehmend auf alternative Lieferanten, auch außerhalb Chinas. Sowohl Politik als auch Wirtschaft drängen in dieser Situation auf nachhaltige Lokalisierungskonzepte, die auch in der Zeit nach Corona tragfähig bleiben. Dabei nimmt Serbien im westlichen Balkan als Entwicklungs- und Fertigungsstandort eine zentrale Rolle ein. Wettbewerbsfähige Lohnkosten, verfügbare Arbeitskräfte und eine gute Know-how-Basis für verschiedene Industrien finden sich in der Region, eine wirtschaftsfreundliche Politik fördert in- und ausländische Investitionsvorhaben.

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Aktive Rolle des serbischen Staats

Durch staatliche Beihilfen, eine aktive Rolle der serbischen Handelskammer vor allem auch im Außenhandelsgeschäft und durch große Anstrengungen der Unternehmen, ist es Serbien gelungen, Verluste aus den Frühlingsmonaten des vergangenen Jahres teilweise ausgleichen zu können.

Die serbische Regierung verabschiedete für 2021 ein Programm, das die Unterstützung und Förderung von Unternehmen bei größeren Investitionen, Maßnahmen zur Unternehmens-entwicklung und der Verbesserung der Unternehmensinfrastruktur finanziell unterstützen. Im Staatshaushalt für 2021 wurden 150 Mio. EUR für die Ankurbelung der serbischen Wirtschaft sowie 125 Mio. EUR zur Unterstützung von Direktinvestitionen bereitgestellt. Zudem stehen insgesamt 35 Mio. EUR für die Unternehmensentwicklung und für Förderprogramme kleiner und mittlerer Unternehmen zur Verfügung.

Serbische Unternehmen hatten im Geschäftsjahr 2020 Zugriff auf zinsgünstige Bankdarlehen in einem Gesamtvolumen von 200 Mio. EUR, die wiederum durch Staatsgarantien in Höhe von 80 % des Darlehensbetrags bei den Banken abgedeckt wurden. Des Weiteren wurde ein Zahlungsaufschub für drei Monate für Lohnsteuer, Sozialversicherung, Gewinnsteuervorauszahlung sowie Einkommenssteuervorauszahlung gewährt, welcher zinsfrei ab dem 04.01.2021 in 24 monatlichen Raten zurückgezahlt werden muss. Kleinstunternehmen, kleine und mittlere Unternehmen hatten ebenfalls für drei Monate Anspruch auf Zahlung von 100 % des Mindestnettolohns für alle Beschäftigten (ca. 260 EUR pro Mitarbeiter). Große Unternehmen wiederum hatten für den gleichen Zeitraum einen Anspruch auf 50 % des Mindestlohns, dies allerdings nur für die Beschäftigten, denen Zwangsurlaub erteilt wurde.

Seit der durch die Pandemie ausgelösten Krise betrug die staatliche Unterstützung durch zwei Hilfspakete 6 Mrd. EUR, was ca. 12,7 % des serbischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht. Die Staatsverschuldung stieg dadurch von 52 % auf 62 % des BIP.

Schätzungen der serbischen Regierung zufolge wird die Wirtschaft im Jahr 2020 mit einem moderaten Minus von -1 % durch die Krise kommen. Als Schlüsselfaktor, auf die sich diese Prognose der Regierung stützt, nennt die serbische Nationalbank, dass es Serbien gelungen sei, durch ein umfassendes Paket von monetären und fiskalpolitischen Maßnahmen einen Rückgang des Unternehmens- und Verbrauchervertrauens zu verhindern.

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) prognostiziert für 2020 einen Rückgang des serbischen BIP um -3,50 %, der Internationale Währungsfonds (IWF) um -3%, die Weltbank zwischen -2,50 % und -5,30 % sowie die Europäische Kommission um -4,10 %. Die Weltbank erwartet in ihrer jüngsten Prognose für Serbien für das Jahr 2021 wiederum ein Wirtschaftswachstum zwischen 3 % und 3,50 %.

Die meisten Investitionen auf dem Westbalkan fließen nach Serbien

Das Investitionsklima in Serbien wird stark vom aktuellen Investitionszyklus beeinflusst. Serbien durchlief in den letzten 15 Jahren drei Investitionszyklen, der erste Investitionszyklus dauerte von 2006 bis 2009, der zweite endete 2016 und der dritte hielt von 2017 bis 2020 an. Das serbische Finanzministerium bestätigte jüngst, dass alle ausländischen Investoren trotz der Coronakrise ihre geplanten Investitionen in Serbien weiterverfolgen. Die ausländischen Direktinvestitionen beliefen sich in den ersten neun Monaten des Jahres 2020 auf 1,9 Mrd. EUR. Somit flossen 60 % aller Investitionen im westlichen Balkan nach Serbien, besonders aus Ländern der Europäischen Union.

Stabiler Wechselkurs des Dinars

Die Auslands- und Inlandsinvestitionen scheinen sich fortzusetzen, da internationale und auch serbische Konzerne Investitionspläne für das kommende Jahr angekündigt haben. Ein wichtiges Auswahlkriterium für den Investitionsstandort Serbien, ist der stabile Wechselkurs des serbischen Dinars, der an den Euro gekoppelt ist. Der Dinar hat heute den gleichen Wert wie im März 2020 (März 1 Euro = 117,67 RSD, Dezember 1 Euro = 117,58 RSD). Die Inflationsrate betrug im November 0 %, im Jahresmittel 1,7 %. Laut Vorhersage der serbischen Nationalbank, wird die jährliche Inflationsrate in der kommenden Periode niedrig und stabil bleiben. Mitte Dezember senkte die Nationalbank Serbiens den Leitzins um 25 Basispunkte auf 1 %, vor Ausbruch der Corona-Krise lag dieser noch bei 2,25 %. Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) bestätigte Anfang Dezember das Kreditrating Serbiens mit BB+ mit stabilem Ausblick.

Serbien hat im November zum zweiten Mal in 2020 auf dem internationalen Finanzmarkt eine Staatsanleihe in Höhe von 1,2 Mrd. USD mit einer Verzinsung von 2,125 % p.a. emittiert. Die Nachfrage nach der Anleihe betrug dabei das Sechsfache des Angebots, mehr als 200 der weltweit größten Investoren bewarben sich auf die    Ausschreibung. Das serbische Finanzministerium stellte nach dem Verfahren durchaus zufrieden fest, dass die hohe Nachfrage das Vertrauen ausländischer Investoren in den Standort Serbien und in die Wirtschaftspolitik des Landes nachhaltig bestätige.

Die Industrieproduktion lag in den ersten zehn Monaten trotz der Krise auf Vorjahresniveau. Im Oktober 2020 konnte sogar ein Anstieg um fast 2 % im Vergleich zum Vorjahresmonat verzeichnet werden, der durch ein Wachstum im Bergbau (+0,6 %) und im Wirtschaftszweig Gas-, Wasser-, Heizungs- sowie Lüftungs- und Klimainstallation (+18,9 %) begründet ist, während in der verarbeitenden Industrie ein Rückgang um 0,9 % zu verzeichnen war. Während die Exporte im März und April um 20% zurückgingen, schrumpften die Exporte im Oktober nur um 5,2 % im Vergleich zum Vorjahr. Den stärksten Exportrückgang verzeichnete in der Automobilindustrie das Fiat-Werk in Kragujevac (von 700 auf 530 Mio. EUR), was in der Summe ein höherer Rückgang gegenüber allen anderen Industriezweigen zusammen bedeutet. In den ersten fünf Monaten des Jahres gingen die Eisen- und Stahlexporte aufgrund des EU-Quotensystems für Stahlimporte sowie des weltweit gefallenen Stahlpreises gegenüber dem Vorjahr um 27,5 % erwartungsgemäß zurück und verzeichneten ein Handelsbilanzdefizit in Höhe von 4,4 Mio. Euro gegenüber einem Vorjahreshandelsüberschuss in Höhe von 42 Mio. EUR.

Abhängigkeit von Entwicklungen auf dem europäischen Markt

Natürlich ist Serbiens Wirtschaft keine isolierte Insel und ihre Erholung wird im laufenden Jahr von der Geschwindigkeit abhängen, mit der sich die Volkswirtschaften der wichtigsten serbischen Außenhandelspartner erholen, insbesondere Deutschland, weitere Länder der EU, Russland und China. Die serbische Wirtschaft bleibt vom europäischen Markt, der 2020 ein Minus von etwa 7 % des realen BIP erleiden wird, stark abhängig.

„Lockdown light“ – Einschränkungen des öffentlichen Lebens

Zum jetzigen Zeitpunkt würde ein kompletter „Lockdown“ – wie bereits von Mitte März bis Anfang Mai 2020 geschehen – die serbische Wirtschaft nicht ohne nachhaltige Folgewirkungen überstehen. Daher hatte die serbische Regierung vorerst einen „Lockdown light“ bis Mitte Januar 2021 verhängt. Shopping Malls, Bekleidungsgeschäfte, Restaurants, Cafés und Clubs dürfen nur noch montags bis freitags von 5.00 bis 20.00 Uhr öffnen. Lebensmittel-geschäfte und sonstige Geschäfte dürfen täglich bis 21.00 Uhr öffnen. Keine Beschränkungen gelten für Apotheken und Tankstellen. Landesweit dürfen sich maximal fünf Personen im Freien oder in geschlossenen Räumen versammeln. Ausgenommen hiervon sind Schulen, Geschäfte und Arbeitsplätze etc., sofern 4 m² pro Person vorgehalten werden können.

Die Arbeitslosigkeit in Serbien liegt zurzeit bei 9,0 % (2019: 9,7 %). Die serbische Regierung hat Anfang 2020 gemeinsam mit dem Arbeitsamt ein neues Programm „Mein erstes Gehalt“ ins Leben gerufen, welches einerseits die Beschäftigung junger Menschen fördern und andererseits die Wirtschaft bei der Beschaffung von gut ausgebildetem Personal und künftigen Führungskräften unterstützen soll. Das Programm umfasst insgesamt 10.000 junge Leute unter 30 Jahren mit Mittelschul- oder Hochschulabschluss ohne Berufserfahrung.       Für die Umsetzung dieses Beschäftigungsförder-programms stellt die serbische Regierung Mittel in Höhe von 2 Mrd. Dinar (etwa 17 Mio. EUR) bereit.

Duale Ausbildung nach deutschem Vorbild

Ein weiterer wichtiger Schritt zur Reduzierung der Arbeitslosenquote besonders bei jüngeren Menschen, ist die Einführung der dualen Berufsausbildung nach deutschem, österreichischem und schweizerischem Vorbild. Das Gesetz zur dualen Ausbildung wurde im November 2017 im serbischen Parlament verabschiedet und wird seit dem Schuljahr 2019/2020 erfolgreich umgesetzt. Mittlerweile werden etwa 4.500 Schüler in 80 Schulen, in 52 Städten und Gemeinden, in etwa 600 Unternehmen unterrichtet, so dass heute die duale   Ausbildung in   10 %   der gesamten beruflichen Sekundarschulbildung mit steigender Tendenz vertreten ist.

Belgrad als Tech-Startup Stadt

Die Financial Times kürte im Juni 2020 Belgrad als die am schnellsten wachsende Tech-Startup Stadt im Vergleich mit anderen Hauptstädten wie Prag, Bukarest, Budapest und Sofia. Viele Tech-Unternehmer gründeten in den letzten zehn Jahren Unternehmen in Serbien. Die Branche profitiert nicht nur von den günstigen Startbedingungen, sondern auch von der Lebensqualität, die die Belgrader Startup-Szene zu schätzen weiß. Serbiens Wirtschaft entwickelt sich zunehmend mehr zum Entwicklungs- und Produktionsstandort auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel im Mobilitätsbereich. Innovative Ansiedlungen und Firmengründungen verändern das Image der verlängerten Werkbank und lassen einen positiven Ausblick zu. Zweifelfrei bleibt die wirtschaftliche Entwicklung von internationalen Entwicklungen abhängig, sie hängt auch von der Weiterentwicklung von Rechtssicherheit und einer rechtsstaatlichen Verwaltung des Landes ab. Der Beitrittsprozess zur Europäischen Union, die Resultate des Berlin-Prozesses,   die Realisierung des „Mini-Schengen-Raums“ zur Angleichung an EU-Standards, sind hierbei wichtige Schritte.

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Jakov Devčić

Jakov Devčić

Leiter des Auslandsbüros Serbien / Montenegro und Interimsleiter des Auslandsbüros Bosnien-Herzegowina

jakov.devcic@kas.de +381 11 4024-163 +381 11 4024-163

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