Kubaner wollen Veränderung
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In den unteren Stockwerken zerfallener Häuser leben noch Familien. Täglich
stürzen in Havanna Häuser aufgrund von Materialschäden ein. Das karibische
Klima greift die Bausubstanz der oftmals prachtvollen Häuser stark an. Da
aber kein Geld für Restaurierungsarbeiten zur Verfügung steht, sind viele
der Wohnhäuser kaum noch zu retten. Die Wohnsituation in Havanna ist
kritisch.
Zwar versucht die Polizei, Betteln zu verhindern, denn laut Diktator Fidel
Castro gibt es auf Kuba keine Armut. Doch fast jeder Nicht-Kubaner wird auf
offener Straße angesprochen, ob er nicht für die Kinder der Familie einen
Liter Milch in einem der Dollarläden kaufen könnte. Solange in der Familie
ein Kind unter sieben Jahren lebt, steht der Familie Milch über die
Lebensmittelmarken zu. Sobald das Kind
jedoch älter ist, kann sich die Familie nur noch Milchpulverersatz kaufen.
Denn Milch in den Dollarläden kostet 1,31 Dollar. Der Durchschnittskubaner
verdient im Monat nur acht bis zehn Dollar.
Um Touristen auch auf diese Seiten der schönen Insel aufmerksam zu machen,
hat eine Gruppe von jungen Spaniern, die sich Solidaridad Espiafiola con
Cuba (Spanische Solidarität mit Kuba) nennen, einen alternativen Reiseführer
erstellt. Sein Leitthema: "Wenn Du nach Kuba reist, schau richtig hin!"
Diesen Reisefihrer gibt es auf der Webseite www.solidaridadconcuba.com.
Neben Hinweisen zur Mitnahme von Büchern und Medikamenten stößt man auch auf
landesweite Adressen von Angehörigen der politischen Gefangenen und
kubanischer Bürgerrechtler.
Auch wenn Castro nach wie vor viel Zustimmung innerhalb der Bevölkerung
erhält, bezieht sich diese doch im Wesentlichen auf seine charismatische
Person und weniger auf die politischen Verhältnisse des Landes. Die
Opposition auf Kuba ist seit einigen Jahren sowohl im Ausland als auch auf
der Insel deutlicher zu hören. Im Gegensatz zu früheren Jahren macht sie mit
konkreten und konstruktiven Vorschlägen auf sich aufmerksam.
Seitdem im Dezember 2005 die Protestbewegung "Damas de Blanco" den
Sacharow-Preis des Europäischen Parlamentes für ihren Einsatz für die
Menschenrechte erhielt, ist' auch sie in Europa ein Begriff. Immer noch
demonstrieren die Teilnehmer jeden Sonntag aut dem Weg zur Kirche Santa Rita
für die Freilassung ihrer Familienangehörigen, die zum Teil seit 2003 in
kubanischen Gefängnissen einsitzen. Auch heute noch reicht es aus,
öffentlich Kritik am Regime zu üben oder Propagandamaterial gegen das
Castro-Regime zu besitzen, um als "Verräter des kubanischen Volkes" ins
Gefängnis zu kommen.
Oswaldo Payä, einer der wichtigsten Oppositionsführer auf Kuba und
Vorsitzender des Movirniento Cristiano Liberaci6n (Christliche
Befreiungsbewegung) stellte kürzlich die Kampagne "Foro Cubano" vor. Der
angestrebte nationale Dialog soll die gesamte kubanische Zivilgeselischaft
innerhalb und außerhalb der Insel einbeziehen, ausdrücklich auch die
kubanische Regierung und Angehörige des Parlamentes. Wichtig für Payä ist
der Grundsatz, dass "die Kubaner, wie alle Menschen, ein Recht auf ihre
Rechte haben".
Dies bedeutet auch, dass sie in ihrem eigenen Land die gleichen Rechte wie
die Touristen besitzen sollten. Zurzeit herrscht eine Unterteilung der
Menschen in zwei, ja eigentlich drei Klassen. Zum einen werden die Kubaner selber in die
Gruppen der Dollarbesitzer und Nicht-Dollar-Besitzer aufgeteilt. Die dritte
Gruppe stellen die Touristen. Denn Kubanern ist es nicht erlaubt, in einem
Hotel ihrer Wahl zu übernachten - unabhängig davon, ob sie das Geld besitzen
oder nicht. Auch Internet-Cafrs, in die Ausländer Zugang haben, sind für die
eigenen Landsleute tabu. Diese Diskriminierung stößt natürlich auch bei den
Kubanern auf Unverständnis.
Zu einer deutlichen Diskriminierung führt auch der Unterschied zwischen dem
kubanischen und dem konvertiblen Peso. Der kubanische Peso besitzt so gut
wie keinen Wert. Wer sich alltägliche Grundbedürfnisse leisten möchte,
braucht den konvertiblen Peso oder Dollars. Dies hat auf der Insel zu einer
Kampagne "Con la misma Moneda" (Mit derselben Währung) geführt.
Auch wenn die Projekte und Kampagnen alle für sich alleine genommen noch
nicht zu einem sofortigen Wandel führen, zeigen sie doch, dass es immer mehr
Kubaner gibt, die etwas ändern wollen. Viele, die sich nicht über Parteien
oder politische Aktionen einbringen wollen, gehen nun auf die Straße. Denn
unabhängig von politischen Ideologien hat jeder das Recht auf ein freies und
selbstbestimmtes Leben.
Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Neuen Presse