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Veranstaltungsberichte

„Wenn man in Kambodscha jeden Tag Freier empfängt, trifft man keine guten Menschen.“

Diskussionsabend zum Handel mit der Ware Mensch

Zu keiner Zeit hat es auf der Welt mehr Sklaven gegeben als in diesem Jahrzehnt. Obwohl die Ausbeutung von Menschen auf der ganzen Welt verboten ist, gibt es im 21. Jahrhundert mehr Sklaverei als zu den Zeiten des alten Rom oder vor dem amerikanischen Bürgerkrieg. Jährlich werden momentan nach Schätzungen zwei bis vier Millionen Menschen versklavt, hauptsächlich zur Ausbeutung durch Sex oder Arbeit. Trotz des unendlichen Leids, das dabei verursacht wird, gibt es für das Thema relativ wenig Aufmerksamkeit in der westlichen Welt. Die KAS hat der Problematik daher einen Diskussionsabend gewidmet.

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„Der Menschenhandel hat ein Ausmaß angenommen, das uns vergessen lässt, dass wir im 21. Jahrhundert leben“, sagte Dr. Stefan Friedrich zur Eröffnung der Veranstaltung. Friedrich leitet das Team Asien der Konrad-Adenauer-Stiftung und beschäftigt sich damit mit einer Region, die am stärksten von der Ausbeutung betroffen ist. Deutschland ist in erster Linie als Zielland in den weltweiten Menschenhandel involviert, vor allem an der Grenze zu Osteuropa floriert das Geschäft.

Aus eigener Anschauung kennen das die drei Bundestagsabgeordneten, die am Diskussionsabend teilnahmen. Erika Steinbach, Ute Granold und Günter Nooke berichteten von ihren Reisen in die betroffenen Gebiete. „Man fährt durch den Bayerischen Wald über die tschechische Grenze und trifft dann auf einmal auf eine größere Kreisstadt, die aussieht wie Las Vegas“, beschrieb Granold ihre Eindrücke von einer dieser Reisen. „Dort werden Frauen aus ganz Osteuropa taxiert, eingearbeitet und in die Zwangsprostitution verkauft.“ Auch in Deutschland gebe es nachgewiesene Fälle, in denen die Zwangsprostituierten dann in Wohnsiedlungen beispielsweise im Dachgeschoss gefangen gehalten wurden, um mit ihrer „Arbeit“ das Einkommen des Wohnungsbesitzers zu bestreiten.

Obwohl die Gesetzeslage gegen Ausbeutung in Deutschland schon tragfähig sei, forderten die drei Parlamentarier einstimmig eine schnelle Verabschiedung des Gesetzes zur Freierbestrafung. „Noch in dieser Legislaturperiode“, so Erika Steinbach, „wollen wir das Gesetz durchbringen, nach dem Freier, die wissentlich Zwangsprostitution in Anspruch genommen haben, bestraft werden können.“ Gegenstand dieses Gesetzes sei nicht die Stigmatisierung von Freiern und Prostituierten, sondern von Zwangsprostitution und Kindesmissbrauch, betonte Steinbach.

Dass Prostitution in Deutschland kein Randphänomen ist, veranschaulichte die Journalistin Inge Bell, die die Runde moderierte. Sie zitierte Schätzungen, nach denen es in Deutschland rund 12 Millionen Freier und etwa 400.000 Prostituierte gibt. Wie weit sich die Dunkelziffer davon unterscheide, sei aber unklar. Dabei gebe es auf jeden Fall Freier, die wissen, dass sie zu einer Zwangsprostituierten gehen. „Wir benötigen das Flutlicht der Medien auf diesem Thema, denn wo dieses Flutlicht hinfällt, fühlen sich Freier und Menschenhändler unwohl“, forderte Erika Steinbach. Die Gesellschaft müsse für diese Verbrechen sensibilisiert werden. Dazu gehöre auch das Wissen um die Spuren, die die Ausbeutung bei den Opfern hinterlässt, so Steinbach: „Albträume, Wut, Selbsthass bis hin zu Suizid-Gedanken erleben die Opfer auch noch Jahre nach der Ausbeutung.“

Einen eindringlichen Appell richtete Somaly Mam, eine der bekanntesten Kämpferinnen gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern und Frauen, an die Zuhörer in der Akademie der KAS. Die Kambodschanerin ist in ihrer Kindheit selbst Opfer dieser Ausbeutung geworden, bevor sie dem Bordell mit 14 Jahren entfliehen konnte. Seitdem setzt sie sich mit zahlreichen Projekten für die Rettung und Betreuung von versklavten Kindern und Frauen ein. Dafür ist sie unter anderem 2008 mit dem Roland-Berger-Preis für Menschenwürde ausgezeichnet worden. „Ich wollte wie ihr sein, jedes Mädchen auf der Welt will das, aber ich hatte keine Chance dazu – ich wurde verkauft“, so Mam an die Zuhörer gewandt. Sie beschrieb die Verzweiflung und das Misstrauen im Bordell: „Wenn man jeden Tag Freier empfängt, trifft man keine guten Menschen.“ Daher sei schnelle Hilfe notwendig, um die Mädchen in Asien aus den Bordellen zu befreien. Diese Hilfe dürfe aber nicht nur finanziell sein. „Mehr als Geld und alles andere brauchen die Opfer Liebe und jemanden, der ihnen zuhört“, sagte die Kambodschanerin, die mit den Projekten ihrer Organisation AFESIP bereits über 5.000 Mädchen und jungen Frauen aus dem Menschenhandel heraus wieder zu einem würdigen Leben verholfen hat.

„Menschenhandel hat nicht die politische Priorität, die das Thema haben sollte“, sagte Dr. Helga Konrad, ehemalige OSZE-Sonderbeauftragte zur Bekämpfung des Menschenhandels, mit Blick auf die internationale Situation. Das Thema sei sehr vielschichtig und biete gerade bei der internationalen Verfolgung von Freiern viele juristische Fallstricke. Wichtig sei daher ein gemeinsames Vorgehen der internationalen Gemeinschaft gegen den globalen Menschenhandel.

Wie schwierig das sein kann, illustrierte Günter Nooke, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, an einem weiteren Beispiel. Demnach ist es dem Bundeskriminalamt gelungen, bei einer Razzia in Thailand Beweise gegen deutsche Kinderschänder zu sammeln. Zu einer Anklage kam es allerdings nicht. Die Beschuldigten nutzten die Armut der Familien in Thailand, um Anklagepunkte und Beweise verschwinden zu lassen. Zwei Maßnahmen stuft Nooke daher als besonders wichtig ein – die Förderung der Rechtsstaatlichkeit auf der ganzen Welt sowie weitere Aufklärung im Westen: „Wir müssen aufpassen, dass es keine schleichende Akzeptanz dieses Themas gibt. Stattdessen brauchen wir aber eine Sensibilisierung der westlichen Welt, dass das alles sehr geschmacklos ist.“

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Kontakt

Rahma Janetzke

Media Programme Coordinator

Somaly Mam, ehemalige Zwangsprosituierte und Gründerin der "Somaly Mam Foundation". Sie setzt sich für die Opfer von Sklaverei und Menschenhandel ein, vor allem für junge Frauen und Mädchen. herunterladen

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