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Friedliche Revolution und Deutsche Einheit

von Dr. Werner Blumenthal, Dr. Melanie Piepenschneider

Auftrag für die politische Bildung

Vor nunmehr 20 Jahren fand am 9. November eine denkwürdige Pressekonferenz in Ostberlin statt. Sie wurde vom SED-Politbüromitglied Günter Schabowski geleitet, auf der u.a. die von der SED-Führung beschlossene Neuregelung zum Reiseverkehr vorgestellt wurde.

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Die Fernsehbilder sind wohl noch jedem, der das damals miterlebt hat, in Erinnerung: Unmittelbar nach Bekanntwerden fuhren und liefen zehntausende DDR-Bürger an die Grenzübergänge in Berlin und entlang der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland, um dem Westen einen Besuch abzustatten. Scheinbar endlose Kolonnen von Trabis durchfuhren Spaliere jubelnder Menschen, Ost- und Westdeutsche lagen sich vor Glück weinend in den Armen.

Dieser 9. November 1989 ist im Kontext der deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte zweifelsohne ein historisches Datum. Zum einen markiert er den endgültigen Durchbruch der friedlichen Revolution in der DDR und das Ende der SED-Diktatur. Zum anderen ist er der Beginn des sich nun konkretisierenden deutschen Einigungsprozesses, der durch kluges politisches Handeln zur Vollendung der Deutschen Einheit führte. Beide Ereignisse sind auch 20 Jahre später Thema der politischen Bildung in der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Dabei kann die KAS auf ein schon Jahrzehnte dauerndes Engagement in diesem Themenfeld aufbauen.

Ein Blick zurück: Deutschlandpolitik als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Seit ihrer Gründung im Jahre 1955 war die Frage nach der Einheit Deutschlands ein zentrales Thema der politischen Bildungsarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung, dessen Bedeutung seit den sechziger und siebziger Jahren kontinuierlich zunahm. In Übereinstimmung mit der Präambel des Grundgesetzes – „Das gesamte deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden“ – wurde die Zielsetzung, mit den Mitteln der politischen Bildung das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen wach zu halten, als eine zentrale Aufgabe angesehen. Beweggründe hierfür waren, die Frage der deutschen Nation vor allem um der Freiheit der Menschen in der DDR willen lebendig zu halten, die negativen Folgen der Teilung für die Menschen zu lindern und langfristig einen Beitrag zu einer friedlichen Vereinigung Deutschlands in einem freien Europa zu leisten.

Seit dem Ende der sechziger Jahre fiel es zunehmend schwerer, die deutsche Frage im politischen Bewusstsein der Bevölkerung wach zu halten. Im Zusammenhang mit der neuen Ostpolitik der sozialliberalen Koalition und dem Abschluss des „Vertrag(es) über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik“ (21.12.1972) nahm die Anzahl derer zu, die die Frage nach der Überwindung der Teilung und einer gemeinsamen nationalen Zukunft der Deutschen als überholt und die DDR als einen der Bundesrepublik gleichwertigen Staat betrachteten.

Die KAS sah sich in der Ausrichtung ihrer politischen Bildungsarbeit vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, das in seinem Urteil zum Grundlagenvertrag am 31. Juli 1973 herausstellte: „Kein Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland darf die Wiederherstellung der staatlichen Einheit als politisches Ziel aufgeben, alle Verfassungsorgane sind verpflichtet, in ihrer Politik auf die Erreichung dieses Zieles hinzuwirken – das schließt die Forderung ein, den Wiedervereinigungsanspruch im Inneren wach zu halten und nach außen beharrlich zu vertreten – und alles zu unterlassen, was die Wiedervereinigung vereiteln würde“. Im Zentrum der deutschlandpolitischen Bildungsarbeit der KAS stand die Bewusstseinsbildung, die die Gemeinsamkeit der Deutschen herausarbeitet und erlebbar macht, ohne das Trennende zu verschweigen. Dieser Aufgabe zu entsprechen hieß:

  • sich mit dem politischen System der DDR und seiner Ideologie auseinanderzusetzen,
  • sich für die Menschen in der DDR zu interessieren, sich über ihre alltägliche Lebenswirklichkeit, über ihre Erfahrungen, Sorgen und Nöte zu informieren,
  • mit Zeitzeugen, die in der DDR gelebt haben oder leben, das Gespräch zu suchen,
  • den kulturellen Gemeinsamkeiten und gesellschaftlichen Spiegelungen in den Arbeiten etwa der DDR-Literatur und Filmemacher nachzugehen,
  • Studienfahrten zu organisieren, um persönliche Einsichten, Erfahrungen, Kontakte und Begegnungen zu ermöglichen.
So fanden Anfang der achtziger Jahre in Orten nahe der innerdeutschen Grenze einwöchige Seminare für Schülerinnen und Schüler statt, deren Programm einen Tagesbesuch in der DDR beinhaltete. Themenschwerpunkte waren das politische und ökonomische System der DDR, die Arbeitswelt, das Erziehungs- und Schulsystem, die Situation der Jugendlichen und die Rolle der Kirchen. Besonders eindringlich und authentisch konnte die Geschichte der deutschen Teilung im Rahmen von Dialogveranstaltungen für Junge Erwachsene vermittelt werden, indem diese Gelegenheit erhielten, ausgebürgerte Bewohner der DDR nach ihrem persönlichen Erleben der Geschehnisse zu befragen.

Anregungen zur Umsetzung deutschlandpolitischer Fragen im Schulunterricht vermittelten vor allem die Fachtagungen für Lehrerinnen und Lehrer. Hierbei wurden aktuelle Ergebnisse der DDR-Forschung, neue Entwicklungstendenzen in der Literatur oder der Wandel des Geschichtsverständnisses in der DDR und ähnliche Themen behandelt. Tiefere Einblicke in den Alltag im anderen Teil Deutschlands vermittelten Studienfahrten in die DDR, die vor allem für Journalisten und Lehrer durchgeführt wurden.

Trotz massiver Einschränkungen von Seiten der offiziellen DDR-Stellen entstanden im Verlaufe dieser Aufenthalte menschliche Beziehungen zwischen den Bundes- und den DDR-Bürgern, die auch über die Begegnungen hinaus Bestand hatten. Auf diese Weise konnte gewiss ein – wenn auch nicht messbarer – Beitrag zu Veränderungen jenseits staatlicher Organisationsformen geleistet werden.

Ergänzt wurde das Seminar- und Studienreisenangebot durch Autorenlesungen und Lesereisen mit Schriftstellern, die aus der DDR stammten bzw. dort lebten. Die Beschäftigung mit der DDR-Literatur eröffnete vor allem Einblicke in geistige Entwicklungstendenzen und Strömungen in der DDR-Gesellschaft, die offiziellen Verlautbarungen kaum zu entnehmen waren. Den „Alltag in der DDR“ dokumentierte eine 1988 von den Mitarbeitern der politischen Bildung der KAS erarbeiteten Wanderausstellung, die in zahlreichen Schulen und öffentlichen Einrichtungen einem breiten interessierten Publikum zugänglich gemacht wurde. Ein Begleitband erläuterte die Ausstellung und ergänzte die Exponate um wichtige Detailinformationen.

An dem deutschlandpolitischen Bildungsangebot nahmen allein in dem Jahrzehnt zwischen 1980 und 1989 mehr als 65.000 Menschen teil. Besonders mit den mehr als 200 Lehrerfachtagungen in Verbindung mit mehrtägigen Studienaufenthalten in der DDR dürfte die politische Bildung der KAS einen erheblichen Beitrag geleistet haben zum besseren Verständnis und Miteinander zwischen den Menschen der DDR und der Bundesrepublik, zur Auseinandersetzung mit den Lebensumständen im anderen Teil Deutschlands und letztendlich auch dazu, dass die deutsche Frage im Bewusstsein der Bürger im Westen wie im Osten offen gehalten werden konnte.

Trotz dieser vielen authentischen Eindrücke über die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in der DDR, die die Maßnahmen der KAS ermöglichten, muss in der Rückschau festgestellt werden, dass die Propaganda und Verschleierungstaktik der DDR-Führung ihre Wirkung nicht verfehlt hat: Das ganze Ausmaß der desolaten Wirtschaft der DDR hat nach dem Mauerfall auch diejenigen im Westen Deutschlands überrascht, die mit äußerst kritischem Blick darauf geschaut hatten.

Der deutsche Einigungsprozess seit 1990: Neuausrichtung der Stiftungsarbeit

Mit der Öffnung der DDR-Grenzen am 9. November 1989 zeigten sich plötzlich vollkommen neue politische Dimensionen. Bereits im Dezember 1989 bildete die KAS aus internen und externen Mitarbeitern ein DDR-Team, das die Aufgabe hatte, sich „vor Ort“ ein Bild von den dramatischen Veränderungen zu machen und den Demokratisierungsprozess in der DDR zu beobachten und zu analysieren. Es wurden Kontakte zu Runden Tischen aufgenommen, zu Bürgerrechtlern und kirchlichen Organisationen, zu den neuen sich in der Gründungsphase befindenden nicht-kommunistischen Parteien und Gruppierungen sowie zu Einzelpersonen, die die politische Erneuerung der DDR vorantrieben und für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintraten. Ein nicht geringer Teil dieser Kontakte bestand bereits vorher, auch ein Ergebnis der Studienfahrten in die DDR.

Verstärkt wurde das DDR-Team durch Mitarbeiter aus den Bildungswerken der KAS, die, wenn konkrete Absprachen und Projekte vor Ort vorlagen, dies in Bildungsveranstaltungen umsetzten. In den ersten Wochen des Jahres 1990 konzentrierte sich die Hilfe auf konkrete Beratung zur Durchführung von demokratischen Wahlen, denn am 18. März standen die ersten freien Wahlen zur Volkskammer der DDR an. Das Engagement bei den Partnern in der DDR, Demokratischer Aufbruch und Neues Forum, war zwar im Übermaß vorhanden, allerdings fehlten jedwede Erfahrungen – und es mangelte an ganz konkreten Dingen wie Telefonen, Druckmaschinen etc. Nach den Volkskammerwahlen, vor allem aber nach den Kommunalwahlen am 5. Mai 1990 zeichnete sich sehr schnell Weiterbildungsbedarf ab: Die vielen Mandatsträger in den neu gewählten Parlamenten, die in ihrer Mehrzahl zuvor nicht politisch aktiv waren, benötigten fundiertes Grundwissen über die Abläufe parlamentarischer Entscheidungen und Fachwissen zum Beispiel im kommunalen Bereich über Haushalte, Baurecht usw.

Vor allem das Kommunalpolitische Seminar der KAS wurde zum Nachfragerenner. Stark nachgefragt war auch das Wirtschaftspolitische Seminar sowie das Politische Seminar. In den ersten Monaten wurden die Seminare ausschließlich in den Bildungseinrichtungen der KAS in den alten Bundesländern angeboten. Zum einen, weil eine entsprechende Infrastruktur in den neuen Ländern nicht vorhanden war, zum anderen kam es dem Wunsch der DDR-Bürger entgegen, von der neuen Reisefreiheit Gebrauch zu machen und in den Westen zu fahren. Von Anfang an achtete die KAS darauf, dass die Teilnehmer bei den Seminaren und Veranstaltungen gemischt waren, idealer Weise 50 Prozent aus der Bundesrepublik und 50 Prozent aus der DDR bzw. später aus den neuen Ländern. Neben der Vermittlung von Fachwissen und Orientierung war genügend Gelegenheit sich kennenzulernen und auszutauschen. Diese informellen Gespräche halfen, Vorurteile abzubauen und Gemeinsamkeiten zu erkennen.

Das Bedürfnis nach Informationen über die Grundlagen der Demokratie, über Rechtsstaat und Soziale Marktwirtschaft war bei den DDR-Bürgern so immens, dass es durch Veranstaltungsangebote allein nicht mehr befriedigt werden konnte. Deshalb wurden zahlreiche Grundlagenbroschüren, die bereits in den achtziger Jahren als Begleitmaterial für die politische Bildungsarbeit konzipiert und eingesetzt wurden, überarbeitet und aktualisiert und in Zehntausender-Auflagen an Interessierte in der DDR verteilt. Ebenso wurden Bibliotheken mit politikwissenschaftlicher Fachliteratur versorgt. Darüber hinaus organisierte die KAS ein Professoren-Unterstützungprogramm für die Universitäten, damit die Lehre der Staats- und Politikwissenschaft an den Universitäten inhaltlich neu ausgerichtet werden konnte.

Politische Bildung in den 90ern: Aufbau der Infrastruktur in den neuen Ländern

Das Konzept des innerdeutschen Dialogprogramms wurde noch bis Mitte der neunziger Jahre erfolgreich praktiziert. Doch schon sehr bald wurde klar, dass in den neuen Ländern eine – mit den alten Ländern vergleichbare – Infrastruktur für die politische Bildungsarbeit aufgebaut werden musste, um die Menschen vor Ort zu erreichen und um nachhaltig zu wirken. In der alten Bundesrepublik verfügte die KAS 1990 über mit Schloss Eichholz über eine Bildungsstätte mit bundesweitem Einzugsgebiet sowie über 12 dezentrale Bildungswerke, die Veranstaltungen in der Fläche organisierten und durchführten. Bereits im Juni 1990 eröffnete die KAS ein Bildungswerk in Leipzig, wobei die Ortswahl durchaus symbolhaften Charakter hatte („Heldenstadt Leipzig“). Es folgte im September des gleichen Jahres ein Bildungswerk in Rostock, 1991 Berlin (mit Veranstaltungsschwerpunkten in den östlichen Stadtteilen), Erfurt und Potsdam sowie der Ankauf von Schloss Wendgräben bei Magdeburg, das zu einer zweiten Bildungsstätte analog zu Schloss Eichholz in der Folgezeit ausgebaut wurde. Heute ist das Bildungszentrum Schloss Wendgräben mit seiner Lage in Sachsen-Anhalt das Kompetenzzentrum Ost der Konrad-Adenauer-Stiftung, das für diese speziell ostdeutsche Themenfelder aufarbeitet sowie Foren zur Diskussion und zur Erarbeitung von Handlungsempfehlungen etabliert hat.

Die Vermittlung von Grundlagenwissen war in den ersten Jahren weiter stark nachgefragt. Allerdings verflog die anfängliche Euphorie, die alltäglichen Probleme beanspruchten zunehmend Raum. Gewünscht wurden Antworten auf drängende Fragen der Zeit, als da ab 1992 zu nennen waren: Transformationsprozesse in der Wirtschaft, Privatisierung, Arbeitslosigkeit, Innere Sicherheit, Umweltschutz, Wohnraumverteuerung, Regelungen offener Vermögensfragen usw. Aspekte zur Außen- und Sicherheitspolitik oder zur Entwicklung der Europäischen Union fanden (und finden) – obwohl angeboten – geringeres Interesse. Anders als im Westen werden von der politischen Bildung konkrete Lösungsansätze oder gar fertige Lösungen zu aktuellen Problemen erwartet. Will sie in den neuen Ländern auch längerfristig Erfolg haben, wird sie sich auf diese „Besonderheiten“ einlassen müssen, allerdings ohne auf die grundlegende Zielsetzung jeder politischen Bildung zu verzichten: die Vermittlung der tragenden Säulen unserer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung, um einen breiten Grundkonsens in der Gesellschaft über die Grundlagen und Werte unserer demokratischen, freiheitlichen sowie rechtsstaatlichen Ordnung zu erzeugen, letztendlich auch, um Menschen zu überzeugen, sich aktiv für dieses Gemeinwesen einzusetzen (gemäß der Trias: Informieren – Orientieren – Aktivieren).

20 Jahre nach der Friedlichen Revolution: Politische Bildung in den neuen Ländern

Die Situation in den neuen Ländern erfordert nach wie vor, sich mit spezifisch ostdeutschen Themen zu befassen. Auch 20 Jahre nach der Friedlichen Revolution und im 19. Jahr der Wiedervereinigung ist es noch nicht im gewünschten Maße gelungen, die Wirtschaftsstrukturen und Produktivität dem Westen Deutschlands anzugleichen. Die verhältnismäßig hohen Arbeitslosenzahlen in den jungen Ländern sind dafür ein deutliches Indiz. Diese wirtschaftliche Entwicklung und die Abhängigkeit von staatlichen Transferleistungen stärkt in der Bevölkerung nicht nur subjektiv das Gefühl der Unzufriedenheit und des „Nicht-Gleichgestelltseins“ mit den Landsleuten im Westen. Allerdings hat der stete Umgang mit einer schwächeren Wirtschaftsstruktur auch Strategien und Lösungsansätze für ein Krisenmanagement vor Ort entwickelt, die nun – wo die größte Wirtschaftskrise seit Best ehen der Bundesrepublik Deutschland den Westen überproportional trifft – Modellcharakter haben können.

Zudem müssen sich die ehemaligen Bürger der DDR seit der Wiedervereinigung in einem neuen Gesellschaftssystem zurechtfinden, welches durch zwei Prinzipien bzw. Eigenschaften gekennzeichnet ist: Freiheit und Eigenverantwortung. Beide kamen gerade im sozialistischen Alltag der DDR nicht durchgängig zum Tragen. Das Bedürfnis nach Vertrautem in einer neuen und vielleicht nicht ganz so bequemen gesellschaftlichen Ordnung mag auch mit ein Grund dafür sein, warum die SED-Nachfolgeparteien PDS und DIE LINKE in den jungen Ländern aus westlicher Sicht erstaunliche Wahlergebnisse verzeichnen konnten und können.

Im 20. Jahr der Deutschen Einheit bietet sich aber auch einmal ein Perspektivwechsel an: Es zeigt sich, dass noch immer zu sehr aus der Sicht des Westens auf die Entwicklungen im Ost-Teil des Landes geschaut wird. Dabei haben Studien nachgewiesen, dass der Blick aus der Perspektive des Ostens, in dem Kollektivwerte noch immer vor Individualwerten rangieren, auf den Westen aussagekräftigere Ergebnisse für die Bewertung des Zusammenwachsens von Ost und West ermöglicht.

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat auf die neuen Bedürfnisse mit einer Neuausrichtung der inhaltlichen Schwerpunkte ihrer Bildungsarbeit reagiert:

1) Der Mythenbildung entgegen wirken, die sich um DDR und SED-Diktatur rankt: Noch viele Menschen in den neuen Ländern verklären das Bild der DDR. Dies gilt sowohl für die alten als auch für die jungen Menschen. Die Gründe dafür sind vielschichtig: z.B. Festhalten an Vertrautem und/oder fehlendes Hintergrundwissen, das es fast unmöglich macht, bewusst (politisch) oder unbewusst (im familiären und sozialen Umfeld) gestreute Behauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Um dem entgegen zu wirken, wendet sich die politische Bildung der KAS vor allem an die Zielgruppe Lehrer und Schüler mit

  • Seminaren, die Politik und Alltagsleben in der DDR thematisieren.
  • Zeitzeugenveranstaltungen und Filmnachmittagen in Schulen zur Stasi (mit ehemaligen politischen Gefangenen) und zur friedlichen Revolution (mit Bürgerrechtlern).
  • (Foto-) Ausstellungen zur DDR.
  • dem Internetportal „DDR: Mythos und Wirklichkeit“ (www.DDRmythen.de). Seit Januar 2009 „im Netz“, richtet es sich vornehmlich an Schüler und Lehrer sowie politische Bildner. Den Zielgruppen entsprechend sind die Beiträge kurz gehalten und sprachlich so verfasst, dass sie auch ohne grundlegendes Vorwissen verständlich sind. Ergänzt werden die Beiträge durch vielfältiges audiovisuelles Material, wie Bilder, Filme, Rundfunk- und Fernsehinterviews mit Zeitzeugen. Für Lehrer sind z.Zt. drei professionell erstellte Unterrichtsreihen eingestellt, die – heruntergeladen – sofort im Unterricht eingesetzt werden können. Das DDR-Portal ist nicht statisch konzipiert, sondern wird fortlaufend ergänzt, sodass das zu vermittelnde Wissensangebot ständig wächst.
  • der Vortragsreihe und Publikation „Wie schmeckte die DDR?“. Wie war das Leben in der DDR? Fast 20 Jahre nach ihrer Auflösung fällt es immer noch schwer, „normal“ darüber zu sprechen. Wissenschaftliche Fakten sind nicht immer mit dem persönlich Erlebten in Einklang zu bringen. Relativierung oder Dämonisierung sind darum die extremen Pole in dieser Auseinandersetzung. 45 Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Medien, Kultur und Wirtschaft tragen ihr persönliches Erleben des DDR-Alltags vor und stellen es zur Diskussion.
2) Erhöhung der Demokratieakzeptanz und des Demokratievertrauens: Durch öffentliche Veranstaltungen sollen – neben dem „Werben“ für die Demokratie – die Herausforderungen, die sich daraus ergeben, diskutiert und konkrete Schlussfolgerungen für die Politik gezogen werden. Dazu gehört auch die nach wie vor notwendige Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit und des Alltags in der Diktatur, um der verbreiteten Ostalgie zu begegnen. Erforderlich ist es, durch positive Beispiele zu belegen, dass die Demokratie den besten Rahmen dafür bietet, die aktuellen Probleme der Menschen zu lösen. Wichtigste Zielgruppe sind hierbei Lehrerinnen und Lehrer sowie junge Erwachsene.

3) Extremismusbekämpfung: Die im Vergleich mit dem Westen Deutschlands schlechtere Wirtschaftslage im Osten und die damit einhergehende Unzufriedenheit sowie eine geringere Demokratieakzeptanz im Allgemeinen vergrößern das Potential jener, die den populistischen Parolen der Extremisten von rechts und links Glauben schenken und sie auch wählen. Mit speziell entwickelten Veranstaltungsmodulen und Argumentationshilfen werden Interessierte in die Lage versetzt, die politisch-strategischen Zielsetzungen der Extremisten zu erkennen, die Umsetzung von deren Forderungen als wirklichkeitsfremd einzuordnen und ihnen argumentativ entgegen zu wirken.

Natürlich sind diese Themen auch Gegenstand politischer Bildung in den alten Ländern. Nach Untersuchungen sind hier die Kenntnisse über die DDR bei Jugendlichen etwas höher ausgeprägt, aber keineswegs so, dass man sie als ausreichend bezeichnen kann. Auch hier erweist sich das Format der Zeitzeugengespräche als überaus erfolgreich - mit dem Fokus auf die Themen Stasi und Alltag in der DDR. Allein im Jahr 2009 führt die KAS mehr als 400 Veranstaltungen zur deutschen Einheit, Friedlichen Revolution und DDR durch, davon 65 mehrtägige Seminare. Dies entspricht gut 20 Prozent des jährlichen Gesamtveranstaltungsvolumens der Stiftung und unterstreicht die Wertigkeit dieses Themenkomplexes für deren Arbeit.

Erschienen in: Praxis Politische Bildung, 13. Jg.; Heft 4, Weinheim 2009, S. 243-250.

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Bundesausschuss Politische Bildung

erscheinungsort

Düsseldorf Deutschland