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Veranstaltungsberichte

„Wirtschaftliche Vernunft und soziale Gerechtigkeit sind zwei Seiten einer Medaille“

von Juliane Diel, Juliane Diel

Vortrag des NRW-Ministerpräsidenten Dr. Jürgen Rüttgers bei der KAS-Rednertour

Die Finanzkrise kann nur durch eine funktionierende Soziale Marktwirtschaft und den Zusammenhalt in der Gesellschaft bewältigt werden. Dies hat der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Jürgen Rüttgers, in seinem Vortrag „Die Welt in der Krise – Welche Zukunft hat die Soziale Marktwirtschaft?“ betont. Benötigt seien neben der wirtschaftlichen Vernunft auch Werte und Tugenden, die in die Marktwirtschaft eingebracht werden.

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Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers

Mehr als dreihundert Gäste durfte die Leiterin der Hauptabteilung Politische Bildung der Konrad-Adenauer-Stiftung Dr. Melanie Piepenschneider im Haus der Technik in Essen begrüßen. Gerade während der Krise seien Veranstaltungen zur Sozialen Marktwirtschaft besonders wichtig, erläuterte sie und stellte kurz die Aktivitäten der Stiftung zu diesem Themenbereich vor.

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Dr. Melanie Piepenschneider

Ministerpräsident Rüttgers präsentierte zu Beginn seines Vortrags die Ergebnisse der UNICEF-Studie, wonach in keinem anderen Industrieland Jugendliche so pessimistisch in die Zukunft blicken wie in Deutschland. Rüttgers leitete von diesen Daten ab, dass die momentane Krise nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine moralische Krise ist. Das Vertrauen der Menschen in Manager liege auf Tiefststand und die vorherrschende Devise „Ich arbeite nicht mehr für mein Geld, sondern mein Geld arbeitet für mich“ trage zu weiteren Vertrauensverlusten bei. Kein Land in der Größe von Deutschland kann – so Rüttgers - durch Finanztransaktionen ernährt werden. Die Vorstellung, dass Güter nur noch in der Dritten Welt produziert werden und in Deutschland lediglich die Finanzgeschäfte stattfinden, sei spätestens seit der Finanzkrise widerlegt.

Dasselbe gelte für die jahrelange Devise der Gesetzgebung, dass Finanzmärkte keiner Regulierung bedürfen. Der Beginn der Finanzkrise wird meist auf den 15. September 2008 - der Pleite der Bank Lehmann Brothers – datiert. Doch nach Ansicht des Ministerpräsidenten war die Krise schon lange vor diesem Datum absehbar und hätte längst durch Maßnahmen bekämpft werden müssen: „Wir haben schon vor dem 15. September 2008 in die Fratze des Turbokapitalismus geschaut – Kapital war wichtiger als Soziales – das Jetzt wichtiger als die Zukunft! Doch nun sind die selbsternannten „Masters of the Universe“ zu Meistern der Milliardenverluste geworden und die Könige der Kredite zu Bittstellern beim Staat.“

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Deshalb, erklärte Rüttgers, muss sich vieles in Wirtschaft und Politik ändern. Er forderte eine internationale Banken- und Finanzaufsicht, die verbindliche Regelungen für den Finanzmarkt - auch im Hinblick auf die Haftung bei Schäden – festlegt. Es müsse Obergrenzen für die Gehälter und Bonuszahlungen von Managern geben. Des Weiteren betonte Rüttgers die Notwendigkeit einer Bankabgabe für einen europäischen Rettungsfond, damit für den Fall einer erneuten Krise Vorsorge getragen wird. Auch über eine Börsentransaktionssteuer sowie Regeln für Hedgefonds und Private Equity gelte es nachzudenken. Denn – das betonte der NWR-Ministerpräsident besonders – die Kosten der Krise dürfen nicht an die nächste Generation übertragen werden.

„Wer für den Schaden verantwortlich ist, muss diesen auch bezahlen!“

Weiter führte Rüttgers aus, dass die jetzige Krise auch eine soziale Krise ist. Seiner Ansicht nach konnte die Krise in diesem Ausmaß entstehen, weil sich ein Teil der wirtschaftlichen Eliten ökonomisch und mental von der Gesellschaft abgekoppelt hat. Die Mittelschicht, die früher das Rückgrat der Gesellschaft war, ist kleiner geworden und bereits jeder fünfte Deutsche gehört zur armutsgefährdeten Schicht. Viele Menschen sehen keine Perspektive, durch Arbeit und Fleiß ihre Situation zu verbessern und sozial aufzusteigen. Als Folge machte Rüttgers ein Ansehensverlust der Sozialen Marktwirtschaft aus. Dabei - unterstrich er - muss den Menschen vor Augen geführt werden, dass Soziale Marktwirtschaft das beste Wirtschaftsmodell ist, das Deutschland je gehabt hat und auch für die Bewältigung der Zukunft das beste Wirtschaftmodell ist.

„Reiner Individualismus sprengt jede Gesellschaft und reiner Materialismus sprengt jede Marktwirtschaft.“

Jedoch funktioniere dieses Modell nur, wenn neben der wirtschaftlichen Vernunft auch andere Voraussetzungen eingebracht werden. Nach Rüttgers liegen die Erfolgsbedingungen des Marktes jenseits von Angebot und Nachfrage – vielmehr müssen von einer Gesellschaft gelebte Werte und Tugenden einfließen, um sie zu einer „Sozialen Marktwirtschaft“ werden zu lassen. Wirtschafts- und Sozialpolitik seien daher kein Gegensatz, sondern müssen zusammengeführt werden. Nach Rüttgers gelten dafür fünf einfache Regeln:

  • Leistung muss sich wieder lohnen.
  • Erarbeiten kommt vor verteilen
  • Staatliche Hilfe ist nur Hilfe zur Selbsthilfe
  • Hilfe nur gegen Leistung, für diejenigen, die etwas leisten können
  • Hilfe für Menschen, die sich selbst nicht helfen können
Als Resümee seines Vortrags betonte Rüttgers, dass reiner Individualismus jede Gesellschaft und reiner Materialismus jede Marktwirtschaft sprengt. Daher lohne es sich, die Krise als Chance zu nehmen, Werte und Tugenden neu zu entdecken, gemeinsam in der Gesellschaft die Ärmel hochzukrempeln, anzupacken und das „Soziale“ in der Marktwirtschaft neu zu leben.

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Sankt Augustin Deutschland