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Von Deutschland lernen

von Veronique Brüggemann

15 junge Palästinenser suchen in Berlin nach Inspiration für ihr eigenes Land

Vor dem Ring Center in Berlin Lichtenberg verteilen Palästinenser CDU-Flyer. Zwei von ihnen halten die Bilder des Spitzenkandidaten, ein dritter macht kichernd ein Foto. Ein Punk hält an und beginnt eine Diskussion mit dem Kandidaten Danny Freymark. Wahlkampf vor Ort, auch das war Teil des Programms der 15 palästinensischen Journalisten und Medienschaffenden, die vom 24. bis zum 31. Juli auf Einladung der KAS Berlin erkundeten.

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„Für unseren Wahlkampf haben wir die Leute nach den 100 größten Probleme Berlins gefragt und dafür Lösungen gesucht“, erklärt Freymark den Gästen vor einem Wahlplakat. Die Reaktion: „Nur 100? Ich komme aus einem Land mit 1000 Problemen!“ Auch der Wahlkampf selbst ist anders als in Palästina. Ein Stand mit Flyern kommt einigen ziemlich spartanisch vor. „Bei uns verteilen sie Geld und Fleisch.“ Die Woche begann für die Gruppe mit vielen Fragen. Fragen, vor allem dazu wie Politik in Deutschland funktioniert. Ein paar Tage später, sind sie bereits Experten geworden, stellen so beispielsweise in Lichtenberg gezielte Fragen zur Umwelt- und Integrationspolitik.

Auch beim Frühstücksgespräch mit Dr. Gerhard Wahlers wird viel diskutiert. Doch diesmal steht Palästina im Fokus. Wahlers war selbst einige Jahre in der Region und interessiert sich für die Einschätzung der Gruppe. „Warum will Deutschland einem UNO-Betritt Palästinas nicht zustimmen?“, fragen sie. Und: „Warum unterstützt Europa uns nicht mehr?“ „Warum wird in den deutschen Medien so wenig kritisch über Israel geschrieben?“ Immer wieder stellen sie auch diese Fragen den Gesprächspartnern. Sei es bei Tagesspiegel, RTL und ZDF oder im Bundeskanzleramt im Gespräch mit der stellvertretenden Regierungssprecherin Sabine Saphörster-Heimbach, im Abgeordnetenhaus von Berlin oder beim arabischen Jugendverein Karame. Denn auch bei einem Besuch in Berlin geht es für sie letztlich um Ihr Land, ihre Zukunft.

“Ich wollte aus der europäischen Erfahrung lernen, dem Integrationsprozess“ erklärt Bashar Zaghier. Der Produzent und Dokumentarfilmer studiert European Studies, ab Oktober wird er für ein Jahr in Düsseldorf studieren. „An Europa fasziniert mich, wie es trotz aller Schwierigkeiten aus den Ruinen des zweiten Weltkrieges aufgestiegen ist und schau es dir heute an, schau dir Deutschland heute an.“

Die deutsche Erfolgsgeschichte, für Bashar und die anderen ist sie Inspiration, Hoffnung, dass auch Palästina es schaffen kann. „Was mich hier am meisten überrascht hat, ist wie Deutschland es geschafft hat, so ein großartiges Land zu werden, kulturell, wirtschaftlich und politisch und wie es sich wieder aufgebaut hat, nachdem es im Krieg komplett zerstört wurde“, sagt auch Fotograf und Produzent AlHendi Musleh. „Die andere Sache ist, wie Deutschland sicherstellt, dass Geschichte sich nicht wiederholt, sei es durch Institutionen, Kultur oder Bildung. Deswegen gibt es auch das föderale System, das sicherstellt, dass die Macht nicht zentralisiert werden kann. Ich glaube, das ist gut.“

Demokratie, das wollen wir auch, sagen die beiden. Bashar Zaghier meint: „Europa ist an dem Punkt angekommen, an dem wir sein wollen. Wir haben viele große Probleme, Armut ist nur eines. Aber die arabische Welt war mal ein Land. Warum können wir nicht wie Europa sein? Das ist mein Traum, meine Hoffnung und nach dem arabischen Frühling glaube ich, dass es passieren kann, weil die Leute endlich für ihre Freiheit aufstehen.“

“Ich hoffe auf ein freies Land. Frei, nicht nur von Besatzung, sondern wo jeder frei ist, wo Frauen tragen können, was sie wollen und jeder sagen kann, was er will. Demokratie ist das wichtigste“, glaubt AlHendi Musleh. Auch er ist optimistisch. „Hier ist Rede- und Pressefreiheit besser geschützt als bei uns, obwohl es in Palästina schon besser ist als in jedem anderen arabischen Land. Aber ich glaube, wir sind auf dem Weg. Die arabische Revolution zeigt, dass keine Regierung den Leuten mehr diktieren kann, was sie sagen und denken sollen.“

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27. Juli 2011
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