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Länderberichte

Panzergeschäft mit der Türkei

von Dr. Lars Peter Schmidt †
In der Türkei sorgte die unentschlossene Haltung der deutschen Regierung zum Thema "Verkauf von Leopard-Panzern" erneut für Diskussionsstoff. Von deutscher Seite, vor allem von den Grünen und Linken innerhalb der SPD, wird noch immer die unbefriedigende Menschenrechtssituation in der Türkei angeführt, um den Panzerverkauf zu verhindern. Sicherlich läßt sich nicht abstreiten, dass es in der Türkei immer noch ein Defizit in bezug auf die Einhaltung und Garantie der Menschenrechte gibt. Immer noch werden Gefängnisstrafen für Journalisten, Politiker und Schriftsteller wegen Meinungsäußerungen (§ 312 türk. Strafgesetzbuch) zu Themen wie der Propaganda für den Islamismus oder Separatismus verhängt, zuletzt am 27.03.2000 gegenüber dem türkischen Menschenrechtler Akin Birdal, der wegen einer Meinungsäußerung im September 1996 für weitere 6 Monate ins Gefängnis mußte.

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Trotzdem hat es vor allem in den letzten acht Monaten massive Bemühungen von Seiten der türkischen Regierung gegeben, alle Erklärungen, die man zum Thema Menschenrechte abgegeben hat, auch umzusetzen.

Darüber hinaus kann der militärische Kampf der PKK im Osten des Landes als beendet betrachtet werden, was mehrmals von Öcalan, anderen PKK-Repräsentanten und auch von offizieller Seite bestätigt wurde. Selbst wenn dies nicht so wäre, muß im Hinblick auf die Panzerfrage aber auch festgehalten werden, daß der Einsatz von Leopard-Panzern in der Osttürkei aufgrund geographischer Gegebenheiten (Hochgebirge) nicht möglich sei.

Fest steht auch, dass die Türkei in den vergangen 40 Jahren stets ein verläßlicher Bündnispartner gewesen ist, was sich nach der Bestätigung als EU-Kandidat noch verstärken wird. Objektiv gibt es also keinen Grund, deutsche Panzer nicht an die Türkei zu liefern. In informellen Gesprächen bestätigten sogar grüne Bundestagsabgeordnete, dass eine Panzerlieferung vertretbar, aber politisch für die Grünen in Deutschland nicht verkraftbar sei.

Diese öffentlich geführte Diskussion in Deutschland wird in der Türkei sehr intensiv verfolgt. Man fühlt sich ungerecht behandelt und betrachtet diese mit Vorurteilen behaftete Diskussion als schädlich für das Ansehen des eigenen Landes.

Sabah schreibt dazu am 24. März 2000: "In der Bundesrepublik begann unter den Grünen erneut die Diskussion, ob eventuell Panzer an die Türkei verkauft werden sollten. Ankara ist mehr und mehr empört darüber, dass der grüne Flügel der jetzigen Bundesregierung das sich noch im Stadium der Ausschreibung befindliche Projekt so darstellt, als sei der Verkauf deutscher Panzer an die Türkei sicher; gleichzeitig wird Ankara ständig wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen und der "Kurdenfrage" aufs schärfste kritisiert. Schon zuvor ärgerte man sich in Ankara darüber, dass Schröder seinen vor Bundespräsident Rau (05.-08.04.2000) geplanten Türkeibesuch aufgrund der politischen Dimension des Panzergeschäfts absagte "

So kommentierte die auflagenstärkste türkische Zeitung Hürriyet am 25. März 2000: "Die deutsche Regierung entging dem Auseinanderbrechen im letzten Augenblick nur durch einen Rückzieher der Grünen. Doch jetzt droht den Grünen eine Spaltung. Wenn die Regierung den Panzerverkauf in der Türkei genehmigt, werden es die Grünen nicht hinbekommen, dies ihrer Basis und der Gesellschaft verständlich zu machen." Auf seiten der CDU werde das Verhalten der deutschen Regierung so beurteilt: "Es ist wohl nichts anderes als ein großes Dilemma, die Türkei einerseits zum EU-Kandidaten zu wählen, andererseits ihr gegenüber kein Vertrauen zu demonstrieren und deswegen einen Panzerverkauf abzulehnen."

Verwiesen wird nicht zuletzt darauf, daß das Panzerprojekt neue Arbeitsstellen in Deutschland schaffen wird. "Die Türkei ist in Deutschland ein innenpolitisches Kampfthema. Dieses sollten wir im Auge behalten."

Schon am 19. März gab Hürriyet zu verstehen: "Die Grünen Regierungspartner in Deutschland lehnen den Panzerverkauf strikt ab. Ankara kann das egal sein: Deutschland ist nicht die einzige Alternative. Hochrangige Beamte im Verteidigungsministerium äußerten gegenüber Hürriyet: "Eine offizielle Anfrage Ankaras in Berlin für den Kauf des Panzers Leopard II existiert nicht. Der einzige Antrag ist der des Herstellers an die Bundesregierung zum Erhalt der Verkaufsgenehmigung an die Türkei. In letzter Instanz hat Deutschland zu entscheiden. Der Leopard ist nicht unsere einzige Alternative."

Wozu braucht die Türkei nun neue Panzer? Das Land sieht sich umgeben von instabilen und ihr feindlich gesonnenen Staaten. Dazu zählen in jedem Fall Iran, Irak und Syrien.

Die Anschaffung einer neuen Panzergeneration ist gleichzeitig Bestandteil eines umfassenden Modernisierungsprogramms für die türkischen Land-, Luft und Seestreitkräfte, für das in den nächsten 20 - 30 Jahren ca. 120 - 150 Milliarden US$ ausgegeben werden sollen. Die Türkei versteht sich als regionaler Stabilitätsfaktor in einem potentiellen Krisengebiet. (Balkan, Kaukasus, Naher Osten). Um diesem Anspruch gerecht zu werden, benötigt die Türkei eine starke Streitmacht, darin sind sich Militärs und Politiker einig.

Obwohl die wirtschaftliche Situation der Türkei nach Rezession und dem Erdbeben im vergangenen Jahr nicht gerade befriedigend ist, gibt es einen breiten Konsens zwischen Politikern und Militärs darüber, dass die Ausgaben für die Streitkräfte notwendig sind. Und wenn das Geschäft nicht mit Deutschland stattfinden kann, so stehen in jedem Fall die USA und Frankreich bereit.

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