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Die Bedeutung der Kirchenväter für den theologischen Ansatz von Papst Benedikt XVI.

von Frater Justinus C. Pech
Die Kirchenväter sind für Papst Benedikt XVI. die „wahren Sterne, die aus der Ferne strahlen“. In den ersten Jahren seines Pontifikats stellte er in seinen Generalaudienzen jeden Mittwoch einen neuen Kirchenvater vor. Aber was will uns der Papst mit dem heiligen Augustinus oder dem heiligen Ignatius von Antiochien heute noch sagen? Frater Dr. Justinus C. Pech OC begleitet uns zu den „Lehrmeistern“ des Papstes.

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Am Beginn des akademischen Lebens von Joseph Ratzinger steht die Doktorarbeit, die seinen Lebenslauf als Wissenschaftler prägte. Nicht nur in seiner Lehrtätigkeit an verschiedenen Universitäten, sondern auch in seinem Wirken als Präfekt der Glaubenskongregation kam das intellektuelle Ringen um den Glauben, der das Verstehen sucht, zur Geltung. Sein akademischer Lehrer war der Fundamentaltheologe der theologischen Fakultät in München, Gottlieb Söhngen (1892-1971). Söhngen wollte, wie es Joseph Ratzinger formulierte, das „Ganze im Fragment“ schauen und die Fragmente vom Ganzen her denken. Er war ein radikal Fragender sowie ein radikal Glaubender. Von ihm erhielt der damals 23 Jahre alte Student Joseph Ratzinger das Thema: „Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche“. Zu diesem Zeitpunkt konnte er schon auf eine ausführliche Lektüre der Kirchenväter zurückblicken. Seine Doktorarbeit besticht durch einen Rückgriff auf die Originalquellen, von denen her sie entworfen ist und was sie bis heute lesenswert macht. In den Rezensionen zu seinem wissenschaftlichen Erstlingswerk wurde hervorgehoben, dass es dem jungen Akademiker Joseph Ratzinger gelungen ist, auf eine besondere Weise einige Aspekte der Theologie des hl. Augustinus (354-430) zu analysieren. Die Beschäftigung mit der Lehre über die Kirche im Werk dieses Kirchenvaters sollte auch die Liebe zur Kirche des späteren Papstes prägen.

Im Leben und Werk von Papst Benedikt XVI. gibt es vielerlei Bezüge zu dem Kirchenvater Augustinus. Man darf vielleicht sagen, dass beiden eine große Begeisterung für die Frage nach der Wahrheit gemein ist. Sie sind von der Heiligen Schrift angezogen, in den pastoralen Dienst gerufen und streben danach, dass das Gedachte fruchtbar wird. Als Gemeinsamkeit kann weiterhin die geistige Auseinandersetzung mit den Fragen der jeweiligen Zeit genannt werden. In dem umfangreichen Werk des jetzigen Papstes finden sich unzählige Verweise auf das Werk dieses Kirchenvaters - so auch in seinen Enzykliken „Deus Caritas est“ und „Spe Salvi“. Bei einem sorgsamen Durchlesen von „Gott ist Liebe“ wird man vor allem im ersten Teil vieles vom Denken des hl. Augustinus ausgesprochen wiederfinden. Und zahlreich sind die Referenzen zu anderen Kirchenväter. Es zeigt sich im gesamten Werk von Papst Benedikt XVI. an vielen Stellen der ausdrückliche Verweis auf Autoren der frühen Kirchengeschichte und oftmals tönt auch ein Echo durch. So wendet er Gedanken eines Kirchenvaters so hellsichtig und schöpferisch auf die aktuellen Probleme an, dass dieser für unsere Zeit zu sprechen scheint. Ein eindrucksvolles Beispiel ist das Buch „Werte in Zeiten des Umbruchs“.

Der „Lehrmeister“ des jetztigen Papstes, der hl. Augustinus, war schon als junger Mann auf der Suche nach der Weisheit. Seine Heimat fand er schließlich in der Kirche, denn jede Weisheit ohne Christus erschien ihm als unvollkommen. Für den hl. Augustinus ist, im Anschluss an den Apostel Paulus, die Kirche das Haus Gottes und der Leib Christi. Die Kirche ist der Leib und Christus ist das Haupt (Kol 1,18). Beide zusammen bilden damit den einen Christus. So ist die Kirche als Leib Christi und in ihrer eschatologischen Ausrichtung als „eine“ und „heilige“ zu verstehen. Wir sind in diesen Leib mit hineingenommen in aller Schwachheit jedes Einzelnen. Dies bedeutet für den Menschen zweierlei. Was ist der Mensch, dass er von Gott gerufen ist, ihm in der Kirche dienen zu dürfen, und da wir schon jetzt in Christus sind, um wieviel mehr sollte daher der Mensch von der Sünde lassen. So deutete der hl. Augustinus auch sein eigenes Leben im Licht der göttlichen Offenbarung. Für ihn ist das Ziel des Menschen, Gott ähnlich zu werden. Der Weg dahin führt nur über die Abwendung von den Lastern dieser Welt und durch ein intensives Gebet.

Wie es damals die Umbruchsituation war, die die Kirchenväter herausgefordert hat, so sind es heute die Infragestellung des Menschen als Person, der Zweifel an der Wahrheitsfähigkeit des Menschen und am moralischen Sittengesetz. Aspekte, die Joseph Kardinal Ratzinger in der Predigt vor dem Eintritt in das Konklave, das zu seiner Wahl führte, betont hat. Ein inhaltlich klar bestimmter Glaube wird in heutiger Zeit vielfach als Fundamentalismus abgestempelt. Nur noch der Relativismus erscheint als die zeitgemäße Haltung. Der Kardinal sprach von einer Diktatur des Relativismus, der als letztes Maß nur das eigene Ich und seine Bedürfnisse akzeptiert. Die Auswirkungen liegen dann sowohl in der Verneinung der wahren Religion und damit der Offenbarung als auch in der Leugnung der Erkennbarkeit von Wahrheit. Ausführlich hat Joseph Kardinal Ratzinger dies in seinem Artikel für die Frankfurter Allgemeine Zeitung „Der angezweifelte Wahrheitsanspruch“ am 8. Januar 2000 dargelegt. Aber gerade die Relativismen haben sich im Laufe der Zeit als nicht tragfähig erwiesen. Die Wirklichkeit ist kein Produkt von Zufall und Notwendigkeit. Die einzige Wahrheit, die Bestand hat, ist das Wort Gottes. Origenes (185-253) ging beispielsweise schon davon aus, dass es keiner (weltlichen) philosophischen Lehre gelungen ist, sich dauerhaft als Wahrheit zu etablieren.

Die Kirchenväter, „die wahren Sterne, die aus der Ferne strahlen“, wie es Papst Benedikt XVI. formuliert hat, sind die ersten Übermittler und Zeugen der kirchlichen Lehre. Ihre Schriften und Predigten wollen nichts anderes als das in der Bibel Dargelegte vertiefen und klar darstellen. Das hat auch das Zweite Vatikanische Konzil dazu bewogen, in vielen Dokumenten wieder deutlicher die Beziehung der Kirche von heute auf die Lehre der Kirchenväter und damit die christliche Tradition der ersten Jahrhunderte herauszuarbeiten. Damit setzte dieses Konzil den Akzent, aus der Rückwendung zu den Quellen die Verantwortung für das Heute zu gestalten. Für diesen Auftrag sind die Kirchenväter eine große Hilfe. Sie bilden die gemeinsame Tradition mit den orthodoxen Kirchen und können die Grundlage für weitere ökumenische Bestrebungen sein.

Viele der durch Papst Benedikt XVI. in den ersten Jahren seines Pontifikates bei den Generalaudienzen vorgestellten Kirchenväter haben das Martyrium erlitten. Nicht nur im 20. Jahrhundert, sondern auch in unseren Tagen haben zahlreiche Menschen für Jesus Christus ihr Leben lassen müssen. So war und ist es die Liebe zur Wahrheit Gottes und das Vertrauen auf die Auferstehung, die den Menschen die Kraft für die Qualen eines Martyriums gibt und sie davor schützt, Christus zu verleugnen. Die Wahrheit wird auch durch das Leiden am Ende siegreich sein. Tertullian (2./3. Jhd.) fasste es in die Worte: „Ein Samen ist das Blut der Christen.“ Der hl. Ignatius von Antiochien (+107), der in Rom das Martyrium erlitten hat, kämpfte in seinem Leben darum, dass sich die Christen vor Häresien hüten und die Einheit der Kirche in der Einheit des Bekenntnisses wahren sollten. Dieses Anliegen macht sich im Verlauf der Kirchengeschichte immer wieder geltend. So hatte man sich auch schon im Reich der Westgoten durch Isidor von Sevilla (560-636) und später zur Zeit Karls des Großen (747-814) bewusst auf die Traditionen der Väter gestützt. Die Schriften der Kirchenväter sammeln das, was überall, immer und von allen geglaubt werden soll.

Zur Bestimmung eines Theologen als Kirchenvater werden vier Kriterien herangezogen. Als Kirchenvater gilt, wer in der großen Lehrtradition der Kirche steht und sich nicht willkürlich aus dieser Lehrgemeinschaft der Kirche herausnimmt. Zweitens wird ein heiligmäßiges Leben verlangt, welches sich in der Verehrung durch die Gläubigen widerspiegelt. Weiters muss eine Anerkennung der Lehre sowie des Lebens der Person durch die Kirche vorliegen, und viertens muss er dem Zeitraum der alten Kirche zugehören. Welche Personen aber alle zu den Kirchenvätern gezählt werden, ist nicht genau festgelegt und so gibt es unterschiedliche Aufzählungen. Heute kann der Begriff ‚Kirchenvater‘ als ein gebräuchlicher Ausdruck für altchristliche Schriftsteller bezeichnet werden. Gewöhnlich setzt man das Ende der Väterzeit etwa im 7. Jahrhundert mit Papst Gregor dem Großen (540-604) sowie Idisor von Sevilla und Johannes Damascenus (+754) an.

Spätestens seit dem Mittelalter gelten die Kirchenväter als Autoritäten. Da sowohl die Heilige Schrift als auch das in der Tradition der Kirche Weitergetragene verbindlichen Glaubenscharakter besitzen, werden die Kirchenväter als unmittelbare und privilegierte Zeugen der frühen Kirche verstanden. Diese Sonderstellung der Kirchenväter wurde auch vom Konzil von Trient hervorgehoben. Es betonte, dass es niemandem gestattet sei, gegen die einmütige Auffassung der Kirchenväter die Heilige Schrift auszulegen. Für Joseph Ratzinger liegt der Akzent, wie er 1968 in dem Aufsatz „Die Bedeutung der Väter für die gegenwärtige Theologie“ betonte, weniger in der zeitlichen Nähe zum Leben und Sterben Jesu, sondern darin, dass sie Ihm innerlich nahe stehen und Lehrer der ungeteilten Kirche sind.

Quelle der Theologie der Kirchenväter ist die Heilige Schrift. Ein Großteil ihrer Werke besteht aus Kommentaren zur Bibel und aus Homilien, teilweise in poetischer Form. Ein schönes Beispiel zur geistlichen Dichtung findet sich bei dem hl. Ephräm dem Syrer (306-376). Mit Joseph Ratzinger fomuliert, läßt sich sagen, dass Schrift und Väter zusammengehören wie Wort und Antwort. Beides ist verschieden und läßt doch keine Trennung zu. Mit großer Eindringlichkeit wiederkehrende Fragestellungen sind: Die Begründung des Glaubens, wie das Heil Gottes den Menschen zuteil wird, die Frage nach Jesus dem Christus und der Heiligen Trinität, die Vergöttlichung des Menschen sowie die Bedeutung der Kirche. Eine wichtige Stellung nimmt besonders beim hl. Augustinus die Frage nach der Freiheit und Sündhaftigkeit des Menschen sowie die Gnadentheologie ein. Bereits in der Person des hl. Märtyrers Justinus (100-165) und im Werk des Klemens von Alexandrien, für den die Philosophie eine Vorunterweisung für den christlichen Glauben war, zeichnet sich die eine entschiedene Option der frühen Kirche für die Philosophie und für die Vernunft ab. Eine Wertschätzung, die im Werk von Joseph Ratzinger/ Benedikt XVI. unübersehbar ist. Im Diskurs zwischen dem Herrn Kardinal und dem Philosophen Jürgen Habermas hat sich im Praktischen und auf unsere heutige Zeit übertragen gezeigt, wie der christliche Glauben gegen die falschen Götter des Zeitgeistes Stellung bezieht.

Frater Dr. Justinus C. Pech OCist ist seit 2006 Mönch der Zisterzienserabtei Heiligenkreuz Wienerwald, Österreich. In seiner Dissertation untersuchte er die praktische Bewährung von wirtschaftsethischen Ansätzen in der marktorientierten Unternehmensführung.

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