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Menschenrechtsverteidiger Abdolfattah Soltani im Hungerstreik

Internationale Appelle für seine Freilassung setzen Präsident Rohani unter Druck

Einen Tag nach seinem 60. Geburtstag, den Abdolfattah Soltani am 2. November als Häftling im Teheraner Evin-Gefängnis begehen musste, ist der Menschenrechtler in einen Hungerstreik getreten, um eine bessere medizinische Versorgung für sich und alle erkrankten Häftlinge zu erwirken. Drei weitere Mitgefangene haben sich im Evin-Gefängnis dem Hungerstreik angeschlossen. In einem anderen Gefängnis, westlich von Teheran, sollen sich 80 Gefangene im Hungerstreik für eine bessere medizinische Versorgung befinden.

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Abdolfattah Soltani (Foto: privat)

Fünf Monate lang hatte Soltani, der bereits seit 26 Monaten im Evin-Gefängnis seine 13jährige Haftstrafe absitzt, keinen seiner zwölf Anwälte mehr sprechen dürfen. Nur kurz erlaubte ihm nun die Gefängnisverwaltung am 5. November den Kontakt mit einem seiner Anwälte, was zumindest als ein kleiner Erfolg seines Hungerstreiks gewertet werden kann. Doch seinen Hungerstreik setzt der schwerkranke Soltani, dem, den Berichten seiner Angehörigen zufolge, auch die adäquate medizinische Versorgung verwehrt wird, fort und setzt damit sein Leben aufs Spiel.

Abdolfattah Soltani ist, neben der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, der bekannteste iranische Menschenrechtler. Doch während Shirin Ebadi, die gemeinsam mit Soltani in Teheran das Büro für Menschenrechtsverteidiger gegründet hatte, aus Angst vor Todesdrohungen seit 2009 im Ausland lebt, hat sich Soltani in Teheran weiter als Anwalt für die Beachtung der Menschenrechte eingesetzt. Im Jahr 2009 erhielt er für diesen Einsatz den Nürnberger Menschenrechtspreis. Auch weil er diesen Preis angenommen hat, zu dessen Annahme damals nicht er selbst, sondern nur seine Frau nach Deutschland ausreisen durfte, wurde er zu der langen Haft verurteilt.

Politische Patenschaften und internationaler Druck

Internationale Politiker, wie die Abgeordneten Elmar Brok MdEP (EVP) und Michael Frieser MdB (CSU), haben inzwischen „politische Patenschaften“ für Soltani übernommen. Frieser kündigte in dieser Woche zudem an, nach der Konstituierung des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag eine neue Resolution für die sofortige Freilassung Soltanis zu initiieren. Gemeinsam mit der Vorsitzenden der Arbeitsgruppe für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Erika Steinbach, appellierte er an die iranische Regierung: „Wir erinnern an sein Schicksal und bekräftigen unseren Einsatz für seine Freiheit. Abdolfattah Soltani und seine Familie dürfen nicht bei ihrem bemerkenswerten Einsatz für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Iran alleingelassen werden. Wir stehen auch weiterhin zu ihnen und fordern die Verantwortlichen des Irans auf, Soltani unverzüglich aus seiner Haftstrafe zu entlassen.“

Die internationale Jury des Nürnberger Menschenrechtspreises, der auch Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi angehört, schrieb am 6. November 2013 in einem offenen Brief an den iranischen Präsidenten: „Lieber Staatspräsident, Ihre versöhnliche Rede auf der 68. Generalversammlung der Vereinten Nationen, am 26. September 2013, hat uns mit der Hoffnung erfüllt, dass in Zukunft, unter Berücksichtigung der Menschenrechtsverteidiger in der Islamischen Republik Iran, ein Klima herrschen wird, das bestimmt ist durch Aussöhnung, Respekt für die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit.“ Die elfköpfige Jury erinnerte in dem Schreiben den Präsidenten der Islamischen Republik daran, dass Iran nicht nur in Artikel 3 der Verfassung der Islamischen Republik die Grundfreiheiten zusichert, sondern sich auch international und völkerrechtlich verbindlich zum Schutz der bürgerlichen und politischen Rechte verpflichtet hat.

Erste menschenrechtspolitische Erfolge und innere Widerstände

Der internationale Druck könnte helfen: Erst im September war eine Gruppe von politischen Gefangenen aus der Haft entlassen worden, darunter Nasrin Sotudeh, wie Soltani eine Mitstreiterin der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi im Teheraner Büro der Menschenrechtsverteidiger. Dies war als ein erstes Anzeichen eines möglichen Kurswechsels in der iranischen Menschenrechtspolitik gedeutet worden. Massive Einschränkungen der Pressefreiheit und Hinrichtungswellen haben in den letzten Wochen jedoch die ersten Hoffnungen wieder getrübt.

Doch die iranische Regierung ist derzeit darum bemüht, die gespannte Atmosphäre in den Nuklearverhandlungen zu verbessern, um die Sanktionen zu lockern und die internationale Isolation zu beenden. Negative Schlagzeilen in der Menschenrechtsfrage stören dabei nur - zwar nicht die Russen und Chinesen - wohl aber die westlichen Verhandlungspartner.

Doch wie der ehemalige Reformpräsident Chatami, so muss auch Präsident Rohani mit starken Widerständen in der politischen und militärischen Führung des Landes rechnen. Menschenrechtspolitische Ansätze von außen dürfen diese Herausforderung, der sich die iranischen Reformkräfte ganz grundsätzlich und lagerübergreifend gegenüber sehen, nicht ignorieren. Vielmehr muss es der Menschenrechtspolitik wieder verstärkt darum gehen, Iran für den Diskurs über Menschenrechte zu gewinnen. Auf deutscher und europäischer Ebene hat es hier in der Vergangenheit bereits Ansätze gegeben, von denen derzeit nur noch ein bilateraler iranisch-schweizerischer Dialog übrig geblieben ist.

Die iranische Zivilgesellschaft – ein schlafender Tiger

Wenngleich die öffentliche Debatte im Iran - auch unter dem zaghaft reformerischen neuen Präsidenten Rohani - durch harsche Unterdrückung beeinträchtigt wird, so hat sich das Land doch in den letzten 15 Jahren sehr gewandelt. Die Zivilgesellschaft hatte sich unter Präsident Chatami mit den weiterhin von Repression geprägten Realitäten mehr schlecht als recht arrangiert und nach der gewaltsamen Niederschlagung der Studentenproteste im Jahr 1999 vor den brutalen Schlägern des Regimes weggeduckt. Dieselbe defensive Reaktion war nach den Wahlen im Jahr 2009 zu beobachten als sich die Massenproteste gegen Ahmadinedschad -ebenfalls aufgrund der Gewalt der Sicherheitskräfte – schneller als von vielen Beobachtern gedacht - beruhigten und die sogenannte „Grüne Bewegung“ - unter den seit Jahren unter Hausarrest stehenden Reformpolitikern Karroubi und Moussavi - letztlich nahezu aus der Öffentlichkeit verschwand.

Doch trotz der bis heute anhaltenden Ausschaltung kritischer Medien und den Verhaftungen von zahllosen Bloggern und anderen relevanten gesellschaftlichen Akteuren, ist eine deutliche Ausweitung des demokratisch-zivilgesellschaftlichen Diskurses im Iran und eine stärkere Interaktion iranischer gesellschaftlicher Kräfte im In- und Ausland vorhanden.

Der Generationenwechsel als Chance für die politische Erneuerung

Sehr stark gestützt wird diese Entwicklung durch die oft gut ausgebildete und durch soziale Medien und persönliche Auslandsaufenthalte international vernetzte junge Generation im Iran, die heute schon zu über 60% erst nach der Islamischen Revolution geboren wurde.

Die alten politischen Gefechte zwischen Anhängern des Schah, Kommunisten, Republikanern und Anhängern des Revolutionsführers Chomeini, sind dieser Generation nur mehr vom Hörensagen vertraut.

Eine zukunfts- und fortschrittsorientierte Politik kann auf diese junge Generation nicht verzichten. Für Rohani und die Islamische Republik bedeutet dies aber die Herausforderung, dass endlich auch diese junge, stark weiblich geprägte und nicht selten offen prowestlich orientierte Bildungselite verstärkt in den politischen Prozess im Iran eingebunden werden muss. Eine unabdingbare Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch die Liberalisierung des politischen Systems und der Abbau des staatlichen Repressionsapparates.

Ein neuer menschenrechtspolitischer Dialog mit der Islamischen Republik kann und muss daher künftig als „Querschnittsthema“ viel stärker auch in anderen Bereichen des zivilgesellschaftlichen Dialoges verankert werden - von den Wissenschafts- bis zu den Kulturbeziehungen, um die Protagonisten des Wandels in der jungen Generation im Iran zu erreichen.

Die Menschenrechtsverteidiger Soltani, Sotudeh und Ebadi sind „Leuchttürme“ dieser Entwicklung, die verfolgte Dissidenten im Lande selbst –wie auch im Exil -für die Hoffnung auf einen Wandel im Iran stehen, der eine Überwindung der politischen, religiösen und ethnischen Spaltungen und die Formierung einer freien, demokratischen Gesellschaft zum Ziel hat.

Die politische und die gesellschaftliche Unterstützung der iranischen Menschenrechtler, ist daher eine wichtige Säule unserer bilateralen Beziehungen mit dem Iran und - neben einer friedlichen, diplomatischen/politischen Lösung im Atomstreit - eine der vordringlichsten Aufgaben unserer Iranpolitik.

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2. November 2012
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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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Berlin Deutschland