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EU-Gegner finden sich zu einer weiteren EU-feindlichen Fraktion im EP zusammen

Dennoch: Keine Angst vor dem rechten Block

Angekündigt war es ja schon lange. Im Vorfeld der Europawahl verkündeten die FN-Vorsitzende Marine Le Pen und Geert Wilders, Chef der niederländischen Freiheitspartei PVV, dass sie nach der Wahl eine Fraktion bilden wollten, deren primäres Ziel die Abschaffung der EU und die Rückverlagerung aller Entscheidungsbereiche auf die nationale Ebene sei (The Guardian, 13.11.2013). Aus diesem Plan wurde dann bekanntlich nichts. Die PVV und der FN fristeten, wie die meisten anderen EU-Gegner auch, ein Schattendasein als Fraktionslose.

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Das soll sich nun ändern. Nach Aussagen der FN-Vorsitzenden hätte sie nun genügend Abgeordnete beisammen, um die komplizierte Bedingungen, die zur Fraktionsbildung im Europäischen Parlament nötig sind, zu erfüllen: mindestens 25 Abgeordnete aus sieben Mitgliedsländern der EU. Mit 20 oder 21 von 23 FN-Abgeordneten (ein Abgeordneter, Aymeric Chauprade, schwankt noch und die rechtsextremen Hardliner Jean-Marie le Pen und Bruno Gollnisch dürfen oder wollen nicht mitmachen), drei der vier PVV-MdEP, vier FPÖ- und fünf Lega-Nord-Abgeordneten, zwei Vertretern der polnischen Kongress der Neuen Rechten, einem Abgeordneten der Flämischen Interessen und schließlich der von UKIP aufgrund falscher Spesenabrechnungen ausgestoßenen Janice Atkinson wird die Fraktionsarithmetik erreicht und der Bildung einer weiteren EU-feindlichen Fraktion steht formal nichts mehr im Wege (vgl. Politico, 16.06.2015).

Was bedeutet das für das Europäische Parlament oder gar die EU, die in diesen Tagen so ernst wie niemals zuvor um den Verbleib Griechenlands in der Eurozone ringt? Sind EP oder EU in Gefahr? Vermutlich nicht. EU-feindlich waren die betreffenden Abgeordneten schon vorher und mehr sind sie auch nicht geworden. Von einer eigenen Mehrheit sind die EU-Gegner nach wie vor weit entfernt. Nun haben die bislang fraktionslosen EU-Gegner lediglich Fraktionsstatus (wenn es denn tatsächlich dazu kommt) und damit Zugang zu wichtigen Ressourcen wie z.B. der Konferenz der Fraktionsvorsitzenden, die die Tagungsordnung der Plenardebatten festlegt, einem Fraktionssekretariat, längeren Redezeiten oder verbesserten Antragsmöglichkeiten im Plenum und den Ausschüssen des EP.

Dennoch: Wir haben uns die Aktivitäten der EU-Gegner, darunter ein Großteil derer, die nun die neue EU-feindliche Fraktion bilden wollen, ein knappes Jahr lang angesehen. Dabei wurde sichtbar, dass keiner der EU-Gegner im EP eine ernsthafte Gefahr für das Parlament oder gar die EU darstellt (vgl. Grabow und Oppelland 2015). Zu diesem Befund kamen wir zwar auch unter der Bedingung der bisherigen Fraktionslosigkeit der meisten EU-Gegner, aber die Analysen haben sehr deutlich gemacht, dass gerade die größeren EU-Gegner, der FN und UKIP, bestenfalls nur das Plenum als Bühne für lautstark vorgetragene Anti-EU-Rhetorik benutzten, dabei auffallend wenig Wert auf die eigene, gegen die EU gerichtete Programmatik legten und in den Ausschüssen des Parlaments recht passiv waren. Davon, dass sie „die EU zerstören“ wolle, so Marine Le Pen im Lichte ihres beeindruckenden Wahlergebnisses vom Mai 2014, war bislang eher wenig zu sehen. Die meisten ihrer Aktivitäten im Plenum waren dem Schutz der französischen Produkte vor der wachsenden Globalisierung zum einen und zum anderen der Verteidigung ihres Mäzens Wladimir Putin gegen Initiativen der Europäischen Union angesichts von dessen wiederholten Verletzungen des Völkerrechts gewidmet. Bissig und programmtreu, d.h. gegen die EU, ihre Institutionen und Verfahren, gegen den Euro, gegen Einwanderung in die EU verhielten sich hingegen die PVV und FPÖ. Letztere haben sich allerdings nicht als notorische EU-Verweigerer aufgeführt, sondern überraschend oft, wie übrigens die Abgeordneten des FN auch, mit der Mehrheit des EP gestimmt. Konsequent war die EU-Gegnerschaft bisher jedenfalls nicht durchgängig.

Die organisatorische Stärkung der EU-Gegner kommt zweifellos zur Unzeit, da sich gerade in diesem Moment für die EU, ihr Mitglied Griechenland und dessen Gläubiger die Schicksalsfrage stellt, die gerade für die EU-Gegner ein stets willkommenes Mobilisierungsthema war. Und Griechenland, wie immer es ausgehen wird, ist bei weitem nicht die einzige Herausforderung an die EU, ihre Institutionen und deren Leistungsfähigkeit. Wenn sich die EU-Gegner nun also neu formieren, gilt es für die pro-europäischen Kräfte umso mehr, geschlossen und lösungsorientiert aufzutreten. Bislang hat der pro-europäische Konsens gehalten. Die EU-Gegner erwiesen sich als zu wenig willens, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Mit Bildung der neuen Fraktion hätte Marine Le Pen ihr erstes Wahlversprechen erfüllt. Nicht mehr und nicht weniger. Dennoch bleibt vor allem

die Wirkung, die die EU-Gegner zu Hause entfalten, eine latente Gefahr für die Union. Diesbezüglich haben sie nun einen neuen, wenngleich eher symbolischen Schritt vollzogen.

Quellen

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Analysen und Argumente
27. April 2015
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Einzeltitel
22. Mai 2015
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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

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Berlin Deutschland