Asset-Herausgeber

Einzeltitel

Was ist Zeit?

von Prof. Dr. Michael Braun

Buchempfehlungen zum Advent

Was ist Zeit, fragt Augustinus im elften Buch seiner „Bekenntnisse“: „Wenn niemand mich danach fragt, weiß ich es, will ich es aber einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht“. Es sind die Philosophen und die Dichter, die Antwort auf die Fragen der Zeit und auf die Frage nach der Zeit geben. Literaturpreisträger der Konrad-Adenauer-Stiftung fehlen dabei natürlich nicht. Einige Empfehlungen im Vorhof der Weihnachtsferien.

Asset-Herausgeber

Wer hat an der Uhr gedreht?

Für Leser ohne Hast. Der skeptische Philosoph Rüdiger Safranski hat ein Buch darüber geschrieben, was man mit der Zeit macht und was die Zeit aus uns macht. Gemessen, ist die Zeit ein Medium der Beschleunigung. Sie wird knapp. Wir verinnerlichen diese bewirtschaftete Zeit als „Zeitgewissen“, sagt Safranski. Es kann zu zeitpathologischen Erscheinungen kommen, zu Depression oder Hysterie. Dagegen hilft der Trost der Kunst, die lang ist – anders als die „knappe Zeit“ (Harald Weinrich). Ein faszinierender Denkzettel mit historischer Tiefenschärfe. Der auch darüber Auskunft gibt, warum die Amsterdamer Ortszeit, deren Glockenschlag Anne Frank in ihrem Versteck tröstete, als Folge der deutschen Besatzung der Niederlande Anfang der 1940er Jahre auf 100 Minuten vorgestellt wurde.

Zwischen Koran und Kafka

Für interkulturelle Leser. Navid Kermani, Orientalist und Schriftsteller, Friedenspreisträger 2015, hat den Koran wie auch die Bibel als Poesie gelesen. Bewundernd, frei von jedweder Dogmatik, erzählt er von der Ästhetik des Glaubens. Auch Kermanis Essays sind Zeugnisse eines interkulturellen Dialogs, der sich auf die Suche nach dem islamischen Erbe der europäischen Aufklärung begibt. In den Werken von Goethe, Hesse, Kafka, Mosebach findet Kermani Verbindungen zwischen Offenbarung und Kultur. Es sind allerdings handfeste Analysen, keine religionsgeschichtlichen Höhenflüge. Die marokkanischen Flüchtlinge, die nach Europa wollen, weiß Kermani, interessiert zunächst eine Krankenversicherung. Ein Bekenntnisbuch von einem Weltbürger „deutschen Geistes“, dessen Familie in den 1950er Jahren aus dem Iran nach Deutschland kam.

Schöne Bescherung

Für Spannung im Advent sorgt ein Adventskalender der besonderen Art. 24 Krimigeschichten auf einer Doppelseite zum Aufschneiden bietet die ars-Edition in einer schmucken Ausgabe. Die Bonner Krimiautorin Judith Merchant hat die Erzählung „X-Mas“ beigesteuert, die sie 2015 auf der Autorenwerkstatt der KAS in Cadenabbia las. Eine Frau stellt alleine ihren Weihnachtsbaum auf, antwortet ausweichend auf die Frage des Briefträgers nach ihrem Mann, im Backofen brutzelt etwas. Man denkt an Roald Dahls „Lammkeule“ – und es kommt doch ganz anders. Geschichten mit Suspense und Überraschungspointen, bis zur skurrilen „Weihnachtsbeichte“ am 24.

Philosophie in Comics

Für Bilder-Leser: Der Wiener Nicolas Mahler wird gerühmt für seine Comic-Bücher. Sie sind amüsant und überraschend, lehrreich zumal. Das Geheimrezept seiner Zeichnungen besteht aus einem Portion Situationskomik und einer Prise typischer Denkessenz. So bringt er in seinen "Filosofunnies" alte Stubengelehrsamkeit witzig aufs Papier. Zum Beispiel wenn Hegel mit Pelzschal nölig durch eine Kunstausstellung schlendert und am Ende am Wirtshaustisch über „Genrebilder“ räsoniert: da ist er selbst eines geworden, im Hintergrund seine Frau mit dem sprichwörtlichen Nudelholz. Wir gehen in die Fahrschule mit Schopenhauer, ins Pfadfindercamp mit Nietzsche, ins Kino mit Deleuze. Alle Zitate sind wörtlich aus Hauptwerken der Philosophen entnommen, punktgenaue Treffer ins Bilderherz der Minicomics. Und wenn ein Bekenntnis erlaubt ist: Mir gefällt am besten der „Besensketch“ mit Wittgenstein: Mit dem Wort wird auch die Sache in ihre Teile zerlegt, und die Sprechhandlung – am Ende bricht die Bürste vom Stil ab und der Philosoph verlässt heiter den „Comedy-Club“. Eine köstlich-komische Fahrt ins Bilderreich der Philosophie.

Und für literarisch musikalische Leser:

Der hessische Schriftsteller Andreas Maier, Altstipendiat der Stiftung, lebt inzwischen in Hamburg, schreibt aber weiter an seinem Familienepos „Ortsumgehung“. Mehr als ein Pausenspiel ist sein neues Buch „Mein Jahr ohne Udo Jürgens“. Nach dem Tod des Künstlers Ende 2014 hat Maier in Kolumnen das Phänomen Udo Jürgens auf seine Art ergründet, humorvoll, tiefschichtig, ohne Retro-Sound. Maier, der sich als „Anti-Hipster“ versteht, sieht den Chansonnier vor allem als eine (öffentliche) Person, von der man gut erzählen kann. Etwa, wenn man mit Maier aus dem Ohrwurm „Merci Chérie“, gesungen 1966 beim Grand Prix d’Eurovision de la Chanson, das schlechte Gewissen eines Egoisten heraushört, der seine Geliebte einfach sitzen lässt.

„Mein Weihnachtsbild“

Und wer es denn schon weihnachtlich haben will: In einer kleinen Anthologie des Insel Verlags erzählen Ulrike Draesner, Norbert Lammert, Martin Mosebach, Patrick Roth und andere von einem Bild, das sie besonders berührt hat. Manchmal entspringt den Bildbetrachtungen eine eigene, ganz andere Weihnachtsgeschichte, die einen Roman („Sunrise – Das Buch Joseph“ von Patrick Roth) gestiftet oder eine politische Lesart angeregt hat (die Erinnerung an das „magische“ Vermächtnis der „Drei Könige“ von „Frieden und Freiheit und Brüderlichkeit“, so Norbert Lammert).

  • Mein Weihnachtsbild. Hrsg. von Gesine Dammel. Berlin: Insel.
  • 24 spannende Krimigeschichten für den Advent. München: arsEdition.
  • Navid Kermani: Zwischen Koran und Kafka. West-östliche Erkundungen.
  • Nicolas Mahler: Partyspass mit Kant. Philosofunnies. Berlin: Suhrkamp, 2015. 160 S., 14,00 Euro
  • Andreas Maier: Mein Jahr ohne Udo Jürgens. Berlin: Suhrkamp.
  • Rüdiger Safranski: Zeit. Was sie mit uns macht und was wir mit ihr machen. München: Hanser.

Asset-Herausgeber

Konrad Adenauer dpa

comment-portlet

Asset-Herausgeber

Asset-Herausgeber

Asset-Herausgeber

Bestellinformationen

Herausgeber

Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

erscheinungsort

Berlin Deutschland