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„Achse Moskau-Teheran funktioniert sehr gut“

Nach Sanktionsstopp

Die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran bedeutet nach Ansicht des Nahost-Experten Dr. Oliver Ernst noch keine kurzfristige Wirtschaftsexplosion, denn der Iran muss seine Geschäftsbeziehungen erstmal wieder aufbauen. Das Verhältnis zu Russland werde dabei auch weiterhin gut funktionieren.

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Der Erfolg des Iran-Deals sei auf die kontinuierlichen Verhandlungen des Westens zurückzuführen, sagt Dr. Oliver Ernst, Nahost-Referent der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin: „Teheran ist sehr deutlich geworden, dass wenn man zur Realpolitik zurückfinden möchte, muss man sich entsprechend auf ein Abkommen einlassen.“

Das Ende der internationalen Sanktionen gegen den Iran hat die Ölpreise auf den tiefsten Stand seit rund 13 Jahren gedrückt. „Der Preis pro Barrel war schon vor dem Verhandlungserfolg extrem dramatisch eingebrochen. Für die Iraner ist das eine schwer zu schluckende Kröte, weil die Produktionskosten noch wesentlich höher sind als z. B. in Saudi-Arabien“, sagt Dr. Ernst weiter. Der Iran müsse erstmal seine Geschäftsbeziehungen wieder aufbauen und entwickeln.

Erschwerend für den Iran sei auch die Tatsache, dass die eigenen Raffineriekapazitäten sehr gering seien. „Der Iran ist aktuell in einer sehr schweren Situation. Was das Ganze sehr dramatisch macht, dass aktuell überhaupt nicht absehbar ist, dass der Ölpreis in absehbarer Zeit wieder in die Gewinnzone hineinsteigen wird. Das Problem ist auch, dass die Weltwirtschaft in Teilen auch rückläufig ist“, fügt der Nahost-Referent hinzu.

Aktuell müsse man eher vorsichtig sein. Man spreche im Grunde von Entwicklungszeiträumen von fünf bis acht Jahren: „Wir werden jetzt nicht in zwei bis drei Jahren eine unglaubliche Explosion des Iran-Geschäfts sehen, weil der Iran natürlich dazu noch nicht die Mittel bereitstellen kann. Diese Euphorie, die jetzt seitens der Wirtschaft herrscht, ist ansatzweise etwas zu optimistisch.“

Die amerikanischen Sanktionen gegen den Iran werden somit ja nur zum Teil aufgehoben: „Wir haben ein extrem komplexes Verhältnis zwischen den USA und dem Iran, das schon lange sehr kompliziert war. Wir müssen uns hier darauf einstellen, dass dieses politische Momentum grade in diesem Jahr benutzt werden muss, um bilateral über weitere Sanktionsmilderung zu verhandeln.“

Das iranisch-russische Verhältnis habe sich dagegen als ein sehr gut funktionierendes bewährt: „Russland und der Iran bilden praktisch eine Achse, die auf verschiedenen Ebenen sehr gut funktioniert und auf der ein gegenseitiges Vertrauen herrscht“, meint Dr. Ernst. Grade im Bereich der Nuklearenergie sei Russland an erster Stelle und das werde auch so bleiben.

„Die internationale Konkurrenz wird in anderen Bereichen in den kommenden Jahren sehr viel härter werden. Ich würde das aber nicht dramatisieren. Ich denke, dass der Iran und Russland politisch einander wesentlich freundschaftlicher stehen, als z.B. der Westen und der Iran“, fügt der Experte hinzu. Auch in der Lösung des Syrien-Konfliktes sei die Achse zwischen Moskau und Teheran ganz unverbrüchlich. „Ich glaube, dieses enge Zusammenwirken wird auch in den nächsten Jahren einen besonderen Stellenwert für beide Länder haben“, äußert Dr. Ernst abschließend.

Das Interview im Wortlaut:

Was hat, Ihrer Meinung nach, diesen Durchbruch in den Verhandlungen ermöglicht und welche politischen Folgen wird die Aufhebung der Sanktionen haben?

Ich glaube, dass das Hauptelement für diesen Durchbruch war, das die internationale Gemeinschaft von Anfang an sehr geschlossen in der Frage des iranischen Atomprogramms aufgetreten ist. Es gab von Teheran immer wieder Versuche, die Amerikaner und die Europäer beispielsweise auseinander zu treiben. Das hat aber nie geklappt, das heißt, wir haben eine relativ kontinuierliche Verhandlung der ständigen Sicherheitsratsmitglieder plus Deutschland gegenüber dem Iran gehabt. Das war schon eine außenpolitisch sehr ungewöhnliche Konstellation, die sich über einen sehr langen Zeitraum auch bewährt hat. Und Teheran ist auf dieser Art und Weise auch sehr deutlich geworden, dass man, wenn man zur Realpolitik zurückfinden möchte, sich auch entsprechend auf ein Abkommen einlassen muss.

Ja soweit zur politischen Stellung der Internationalen Gemeinschaft. Auch der Energiemarkt hat darauf sofort reagiert: Das Ende der Sanktionen gegen den Iran hat den Ölpreis bekanntlich auf den tiefsten Stand seit rund 13 Jahren gedrückt. Das waren dann knapp 28 US Dollar pro Barrel. Wie werden sich

Ihrer Meinung nach die Kräfteverhältnisse auf dem Energiemarkt weltweit ändern?

Also das Zustandekommen des Abkommens zur dieser Zeit ist für Iran natürlich problematisch, weil tatsächlich der Preis pro Barrel so extrem dramatisch eingebrochen war - schon vor dem Verhandlungserfolg. Und das ist ehrlich gesagt für die Iraner eine schwer zu schluckende Kröte, weil die Produktionskosten im Iran noch wesentlich höher sind als beispielsweise in Saudi-Arabien. Man sagt ja schon, dass Saudi-Arabien im Grunde kein Geschäft mehr macht und auch die Amerikaner, die beispielsweise ja heute der stärkste Ölproduzent sind, haben eine Gewinnmarge erst ab einem Barrel-Preis von ungefähr 50 Dollar. Das heißt, sie liegen jetzt weit unter dieser Gewinnzone. Das gleiche trifft natürlich für andere Ölstaaten wie Venezuela zu, ist aber insbesondere natürlich für Iran problematisch, da Iran jetzt erst einmal seine Geschäftsbeziehungen wieder aufbauen und entwickeln muss. Was noch erschwerend für den Iran dazu kommt: man hat sehr geringe eigene Raffinerie-Kapazitäten im Iran. Das heißt, man kann das geförderte Öl, wenn man es jetzt nicht massiv unter den Produktionskosten auf dem Weltmarkt verkaufen möchte, noch nicht einmal heimisch wirklich verwerten, weil die Raffinerie-Kapazitäten nicht ausreichen. Iran ist da aktuell in einer sehr schweren Situation. Und was das Ganze sehr dramatisch macht, dass aktuell überhaupt nicht absehbar ist, dass der Ölpreis in absehbarer Zeit wieder in die Gewinnzone steigen wird. Im Gegenteil: Diese aktuelle Ölschwemme hängt ja nicht nur damit zusammen, dass die Saudis beispielsweise ganz massiv und ungebremst fördern und die Amerikaner auch immer noch weiter fördern und alle Ölstaaten im Grunde ungebremst und unabgestimmt fördern und keine Begrenzung vorsehen. Sondern das Problem ist auch, dass die Weltwirtschaft in Teilen auch rückläufig ist. Ein ganz wichtiger Energie-Nachfrager - wie beispielsweise China - ist ja aktuell wirtschaftlich unter Druck geraten und nimmt wesentlich weniger Öl ab, als das eigentlich erwartet worden war. Und diese konjunkturelle Situation wird wahrscheinlich noch eine längere Zeit anhalten. Für den Iran bedeutet das, dass diese Erwartung, dass jetzt der Ölrausch ausbricht und die iranische Wirtschaft innerhalb sehr kurzer Zeit aufgrund der Ölexporte - das sind ja die Hauptexporte, die Energie-Exporte Irans - dass aufgrund dieser jetzt wieder möglichen Energie-Exporte, Irans wirtschaftliche Bilanz sich sehr schnell sehr positiv entwickeln wird, mit großer Vorsicht gesehen werden muss. Die Iraner selbst sind auch, was das angeht, sehr vorsichtig. Seit Sommer letzten Jahres haben sie auch immer wieder relativ vorsichtige Prognose abgegeben was den bilateralen Handel mit Deutschland angeht. Man spricht da im Grunde von Entwicklungszeiträumen von fünf bis acht Jahren. Das heißt, wir werden jetzt nicht in ein, zwei bis drei Jahren eine unglaubliche Explosion des Iran-Geschäfts sehen, weil Iran dazu noch nicht die Mittel bereitstellen kann. Und deshalb ist diese Euphorie, die im Moment ein bisschen auf Seiten der Wirtschaft herrscht, diese Euphorie ist vielleicht ansatzweise etwas zu optimistisch. Ich gehe davon aus, dass gerade die sehr niedrigen Energiepreise den Iran ein bisschen an den Strick nehmen. Und man weiß ja auch, dass nicht nur der Iran - sondern auch andere Staaten - wie der Irak zum Beispiel - hat seinen Jahreshaushalt an erheblich höheren Ölpreisen festgemacht. Und wir werden nicht nur im Iran, sondern auch in anderen Ländern der Region, im Laufe des Jahres die Konsequenzen dieses sehr niedrigen Ölpreises, der möglicherweise ja auch in diesem Jahr auf einen historischen Tiefpunkt fallen könnte, beobachten.

Ja eben, Herr Dr. Ernst. Die Sache ist kompliziert für den Iran. Nicht nur aufgrund der Neuanpassung an den internationalen Energiemarkt, sondern auch aufgrund der bilateralen Beziehungen zu anderen Partner. Sie haben Deutschland angesprochen, ich würde auch eine Frage in Bezug auf die USA stellen. Nach der Aufhebung der Sanktionen nimmt der Iran die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA nicht im vollen Umfang wieder auf, das hat der iranische Präsident Hassan Rohani auf einer Pressekonferenz gesagt. Was ist Ihre Prognose für die Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Iran und den USA?

Das Verhältnis zwischen dem Iran und den USA war ja schon lange vor den Beginn der Sanktionen im Rahmen des Atomprogramms sehr kompliziert. Und im Grunde seit 1979, genau gesagt seit der Besetzung der US-Botschaft, die 444 Tage in Teheran angedauert hatte, haben die USA ganz massiv mit Sanktionen gegen den Iran operiert. Das heißt, die amerikanischen Sanktionen gegenüber Iran werden nur zum Teil aufgehoben, nämlich genau die Sanktionen, die gegen das Atomprogramm verhängt wurden. Das ist nur ein Teil der Sanktionen. Das heißt, wir haben heute auch schon wieder gehört, dass die Amerikaner - als Reaktion auf das Raketenprogramm der Iraner - wieder neue Sanktionen verhängen. Die USA verhängen ohnehin praktisch in jedem Jahr neue Sanktionen gegenüber dem Iran - aus politischen Gründen, weil der Iran offiziell vom State Department immer noch als Förderer des internationalen Terrorismus gesehen wird, auch deshalb wird er mit Sanktionen belegt. Dann gibt es weitere Sanktionen - nicht nur der USA, aber auch der USA und auch der Europäischen Union gegenüber dem Iran - aufgrund der Menschenrechtsverletzungen im Iran. Iran hat allein im letzten Jahr über 700 Menschen hingerichtet, auch darauf haben die USA mit weiteren Sanktionen reagiert. Das heißt, wir haben ein extrem komplexes Verhältnis zwischen den USA und dem Iran. Das bedeutet für die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen, dass die USA natürlich - nach den Regeln des Abkommens - die Sanktionen, die durchgesetzt wurden gegenüber dem Iran, um bei den Verhandlungen über das Atomprogramm Druck aufzubauen, diese Sanktionen werden natürlich, wie das vereinbart worden ist im Abkommen, abgebaut werden. Die anderen Sanktionen sind davon aber überhaupt nicht betroffen. Das heißt, wir müssen uns hier darauf einstellen, dass gerade im Laufe diesen Jahres, wo wir dieses politische Momentum auf beiden Seiten haben, sowohl in den USA als auch im Iran, dass dieses politische Momentum genutzt werden muss, um auch bilateral über weitere Sanktionsmilderung zu verhandeln. Wie erfolgreich das dann sein wird, ist sehr schwer vorherzusehen. Weil wir jetzt im Wahlkampf ja schon sehen, im aktuellen amerikanischen Wahlkampf, dass der Iran ein wichtiges Thema ist, auch für die Republikaner. Es gibt immer sehr starke Kräfte in Amerika, gerade auf den Seiten der Republikaner, aber auch auf Seiten der Demokraten, die das Irangeschäft mit größter Vorsicht sehen und die auch den Rückbau der Sanktionen nicht so euphorisch vorantreiben, wie das die Mehrheit in Europa tut.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran auf die Rolle Russlands auf dem Energiemarkt auswirken, beziehungsweise was wäre Ihre Prognose für die bilateralen Beziehungen?

Russland und der Iran bilden praktisch eine Achse, die auf verschiedenen Ebenen sehr gut funktioniert. Was sehr wichtig ist, ist das sehr große Vertrauen, das auf beiden Seiten herrscht. In vielen Bereichen, gerade im Bereich der Nuklearenergie, da ist Russland an erster Stelle und das wird auch so bleiben. Was wahrscheinlich problematisch ist - aus Moskauer Perspektive - ist natürlich, dass jetzt viele andere Konkurrenten, die technisch auch sehr weit fortgeschrittene Produkte anbieten, in Konkurrenz treten um den iranischen Markt, in Konkurrenz treten zu Russland. Das heißt, die Konkurrenz wird natürlich jetzt in diesem und in den folgenden Jahren viel härter werden auf dem iranischen Markt. Das betrifft natürlich auch die Energiegeschäfte zwischen dem Iran und Russland, aber auch alle anderen Bereiche. Auch beispielsweise den Maschinenbau, den Anlagenbau und so weiter - auch da wird Russland sich einer viel stärkeren internationalen Konkurrenz gegenüber sehen. Ich würde das aber nicht dramatisieren. Ich glaube, dass der Iran und Russland sich politisch einander wesentlich freundschaftlicher gegenüberstehen, als das beispielsweise der Westen und der Iran tun. Aus dem Westen kommen nach wie vor sehr scharfe, kritische Worte gegenüber Teheran, was die Entwicklung im Lande selbst angeht. Das hat man von russischer Seite sehr selten, dass das iranische Verhalten kritisiert wird. Was auch wichtig ist natürlich: die Sanktionsaufhebung fällt ja auch in eine Zeit, in der der Iran eine zunehmende Rolle zugewiesen bekommt, gerade bei der Lösung des Syrienkonfliktes. Und auch hier ist diese Achse zwischen Moskau und Teheran ganz unverbrüchlich. Beide Seiten sind sehr stark daran interessiert eine Lösung in Syrien zu erzielen, die sich tendenziell von den Vorstellungen unterscheidet, die man im Westen hat, wo man ja eigentlich anstrebt, das Regime zu beseitigen Diese Perspektive teilt man in Teheran und in Moskau ausdrücklich nicht. Und ich glaube, dass das Zusammenwirken von verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Momenten, die wir im Moment beobachten zwischen Iran und Russland, dazu beitragen wird, dass diese sehr enge Kooperation auch in den nächsten Jahren einen besonderen Stellenwert für beide Länder haben wird. Dass wir wichtige westliche Akteure im Iran, im iranischen Wirtschaftsbereich, im iranischen Handel, im iranischen Energiemarkt ganz verstärkt sehen werden, das ist ganz selbstverständlich. Aber ich glaube, dass die russische Position weiterhin für den Iran eine ganz besondere Bedeutung haben wird.

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Putin und Hassan Rouhani dpa

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