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Paralysierte Parteien, verlorenes Vertrauen und Wahlkampf-Wunder

#IKPK17: Einschneidende internationale Trends und Erfahrungen aus Wahlkämpfen in Frankreich, Österreich und Venezuela

Seit 15 Jahren widmet sich die Internationale Konferenz für Politische Kommunikation der Konrad-Adenauer-Stiftung allen Themen rund um politische Kampagnenführung. Die Jahre 2016 und 2017 gaben nun besonders viel Diskussionsmaterial allein über Europa her: Wahlen fanden statt in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Österreich und den Niederlanden, aber auch in den USA und in Venezuela. Die lateinamerikanische Perspektive bildete mit einem besonders drastischen Beispiel, wie Wahlkampf nicht geführt werden sollte, den Auftakt.

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Unfaire Wahlkämpfe in Venezuela…

In Venezuela wählten die Bürger am 15. Oktober ein neues Parlament, doch für viele erhöhte die sozialistische Regierung von Staatspräsident Nicolás Maduro die Barrieren, berichtet der oppositionelle Wahlkampfberater Armando Briquet in Berlin. So hätte der venezolanische Wahlrat nur 48 Stunden vor der Wahl die Wahlbezirke für 600.000 Menschen geändert, sodass diese ihre Stimme nicht oder nur unter größtem Aufwand abgeben konnten. Schon 2013 hatte die Regierung die Oppositionsliste Unidad benachteiligt: So hatte Maduro kurzerhand eine eigene Liste aufgestellt, die ebenfalls Unidad hieß und deren Logo dem Original zum Verwechseln ähnlich sah, inklusive Spitzenkandidat, der sogar den gleichen Namen wie der echte Oppositionspolitiker hatte, kritisiert Briquet.

 

... und in Österreich

In Österreich wählten die Menschen am gleichen Tag ihren Nationalrat – und auch hier führte die sozialdemokratische Regierung den Wahlkampf mit unlauteren Mitteln. Der Spitzenkandidat der konservativen ÖVP, Sebastian Kurz, stand im Mittelpunkt des öffentlichen Wahldiskurses, wurde von allen anderen Parteien angegriffen, fand aber auch viele Unterstützer, sagt Elisabeth Köstinger auf der IKPK. Doch wenige Wochen vor dem Wahltermin tauchte eine Facebook-Gruppe auf, die sich zunächst ebenfalls als Fan-Gruppe auftat, dann aber bei jedem zehnten Post äußerst grenzwertig hetzte, um Kurz in Verruch zu bringen und für bestimmte Zielgruppen unwählbar zu machen. Erst später, aber noch vor der Wahl, stellte sich heraus, dass dahinter der Spin-Doktor der SPÖ-Kampagne, Tal Silberstein, steckte. Am Ende gewann die ÖVP, machte ein Plus von etwa 7,6 Prozentpunkten. Die SPÖ konnte keine Stimmen hinzugewinnen.

 

Geringes Vertrauen in Parteien und Politiker

Auch solche Wahlkämpfe zerstören das Vertrauen der Menschen in die Politik. Das Wort Vertrauenskrise macht die Runde. Und tatsächlich könnte man meinen, dass die Wahl Trumps zum US-Präsidenten, das Brexit-Referendum oder auch der Einzug der AfD in den Deutschen Bundestag Symptome eines verlorenen Vertrauens vieler Bürger in etablierte Politiker und Parteien darstellen. Doch zumindest bis 2015/2016 sei eher ein leichter Aufwärtstrend zu sehen, berichtet Dr. Evelyn Bytzek. Die Kommunikationswissenschaftlerin sieht weder eine Erosion von Vertrauen in die Politik, noch in die Medien. Allerdings, relativiert sie, ist das Vertrauen durchweg sehr gering und sie kann noch nicht genau sagen, wie sich die Lage im letzten Jahr entwickelt habe.

 

„Die Parteien der Mitte sind von der neuen Polarisierung paralysiert“

Hans Janssens, Kommunikationschef der niederländischen CDA, macht für die Situation der Demokratie weltweit mehrere Trends aus: viele Menschen sehen sich von den Parteien nicht mehr vertreten, sie „fühlen sich nicht mehr geschützt“ in ihrer jeweiligen Rolle, beispielsweise als Arbeiter. Das traditionelle Familienbild stehe unter Druck, es gebe immer mehr Alleinerziehende. Und „die Parteien der Mitte sind von der neuen Polarisierung paralysiert“, kritisiert Janssens. Dagegen helfe nur: Politiker müssten wieder Kontakt mit den Wählern herstellen, ihr Politikangebot noch einmal überlegen, die Parteien neu organisieren und ihre Kampagnen erneuern.

 

Wähler beobachten und zielorientiert kommunizieren…

Ein Beispiel für eine gute Kampagnenführung war bei den französischen Präsidentschaftswahlen zu beobachten. Dort hatte Francois Fillon einen wunderhaften, vertikalen Aufstieg hingelegt, von chancenlosen 9 auf führende 29 Prozent zwischen Januar und November 2016. In TV-Debatten gab er sich kühl und wahrte die nötige Distanz, verteidigte seine Werte und leistete sich keine Ausrutscher, berichtet der Pariser Kommunikationsberater Patrick Stefanini. Fillon hielt zielorientierte Reden, reagierte bei wichtigen Ereignissen schnell öffentlich, beobachtete seine Wählergruppen genau, setzte auf einfache Ziele – und bediente sich auch traditioneller Methoden wie einer Kampagnenzeitschrift.

 

... doch gegen charismatische Politiker kommt jeder schwer an

Damit konnte sich Fillon zwar gegen seine Mitbewerber bei den Républicains durchsetzen, nicht aber gegen Emmanuel Macron. Ausschlaggebend war nicht nur die Beschäftigungsaffäre um Fillons Frau: Fillon und Macron vertreten beide die offene Gesellschaft, im Gegensatz zu den Populisten Marie Le Pen und Jean-Luc Mélenchon, und waren damit Konkurrenten um dieselbe Wählergruppe der Globalisierungsoptimisten, sagt Stefanini, und am Ende schwenkte das bürgerliche Zentrum zu Macron. Zudem bringen Kandidaten wie Emmanuel Macron oder Sebastian Kurz etwas mit, wofür Wähler ihnen bereits vorab viel Vertrauen entgegenbringen und was sich auch durch die beste Kampagne nur schwer bekämpfen lässt: Charisma.

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