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Planen die USA eine Krieg gegen den Iran?

von Dr. Karl-Heinz Kamp
Ein Bericht des bekannten amerikanischen Journalisten Seymour M. Hersh hat für Aufregung gesorgt. In der Zeitschrift "The New Yorker" schreibt Hersh unter dem Titel "The Coming Wars" über einen möglichen Militärschlag der USA gegen den Iran. Was sagt der Artikel von Hersh wirklich und wie sind die Informationen einzuschätzen?

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Entsprechend reißerisch waren Schlagzeilen in der deutschen Presse: Während die WELT noch titelte "Bush schließt Militärschlag gegen den Iran nicht aus", stand für den SPIEGEL schon fest "Bush nimmt Iran ins Visier".

Was sagt der Artikel von Hersh wirklich und wie sind die Informationen einzuschätzen?

Zunächst heißt der Untertitel des Artikels "What the Pentagon can now do in secret" und weist damit die Richtung der Argumentation auf. Die Bush-Administration hat nach den Fehlern im Irak-Krieg den Geheimdienst CIA in seiner Macht beschnitten und dem Pentagon eine große Kompetenzfülle übertragen. Auch ist das Pentagon heute eher zu verdeckten (und auch vom Kongress unkontrollierten) Operationen in der Lage, als zu irgend einem Zeitpunkt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Rechtliche Beschränkungen, unter denen die CIA noch operierte, gelten nach Hersh für das Pentagon nicht mehr.

In zehn Ländern im Mittleren Osten und in Südasien sollen derzeit solche "Covert Operations" (heute im Pentagon als "Black Reconnaissance" bezeichnet) durchgeführt werden - vor allem aber im Iran. Seit letztem Sommer sollen dort amerikanische Spezialkommandos un-terwegs sein, um mögliche Ziele für amerikanische Angriffe zu identifizieren. Auch werden Sensoren installiert - sogenannte "Sniffer" - die radioaktive Emissionen erkennen sollen und damit Hinweise auf versteckte Atomprogramme geben. Dies soll in enger Kooperation mit pakistanischen und israelischen Kräften geschehen. Ziel dieser Maßnahmen sei es, einen begrenzten Militärschlag gegen den Iran vorzubereiten und die Entwicklung einer iranischen Atombombe zu verhindern.

Seymour Hersh gilt als investigativer, seriöser Journalist, der mit seinen Berichten den Abu-Ghraib-Skandal ins Rollen gebracht hatte. Das Weiße Haus hat den Artikel als "ungenau" kritisiert, ohne ihn vollständig zu dementieren. Dennoch ist unwahrscheinlich, dass die Bush-Administration in absehbarer Zeit einen Militärschlag anstrebt:

  • Die Ausarbeitung von Einsatzszenarien und Ziellisten ist ein (normaler) Bestandteil amerikanischer Sicherheitspolitik in krisenhaften/feindlichen Beziehungen. Informationen über entsprechende Aktivitäten und mögliche Szenarien sind seit längerem auf dem Inter-net abrufbar (etwa unter www.globalsecurity.org)
  • Angesichts der Fehlleistungen der Geheimdienste (und auch von Regierungsmitgliedern) im Irak ist es nicht überraschend, dass der Präsident Gewissheit über iranische Nuklearaktivitäten bekommen möchte. Das geheime Installieren von Sensoren ist deshalb nicht überraschend.
  • Auch die Zusammenarbeit mit Israel ist nicht ungewöhnlich. Die USA scheinen offenbar gezwungen, Israel zu bremsen, da die israelische Regierung mehrfach die Drohung mit Militärschlägen gegen den Iran ausgesprochen hatte. Zwar hatte Israel bereits 1981 einen im Bau befindlichen Atomreaktor des Irak bombardiert, kann aber einen derart erfolgrei-chen Militärschlag im Iran heute wohl kaum noch durchführen. Ein vorschnelles Handeln Israels könnte die Situation dramatisch verschärfen.
  • Die amerikanische Regierung hat stets betont, dass sie ein militärisches Vorgehen gegen den Iran nicht ausschließt. Angesichts der auch von den Europäern geteilten Einschätzung, dass der Iran massiv an Kernwaffen arbeitet, wären diplomatische Bemühungen gegenüber dem Iran ohne militärische Drohungen womöglich völlig wirkungslos.
  • Das erst vor wenigen Wochen veröffentlichte Ergebnis eines inoffiziellen "Wargames" (in: "The Atlantic"), das einen Militärschlag gegen den Iran durchspielte, zeigte die ge-waltigen Probleme, die sich dabei stellen würden. Aus dieser Perspektive könnten aus der Sicht der Administration die Gerüchte über einen bevorstehenden Militärschlag sogar als "nützlich" angesehen werden, um die iranische Regierung zu einer konzilianteren Haltung zu bewegen.
  • Im Fall des Irak zeichnete sich eine relativ breite Mehrheit in den USA für einen militäri-schen Regimewechsel in Bagdad ab. Selbst heute gibt es noch eine vergleichsweise hohe Zustimmung (der Präsident ist trotz der zu dem Zeitpunkt rund 1300 toten amerikanischen Soldaten im Irak wiedergewählt worden). Allerdings bleiben die Schwierigkeiten der ame-rikanischen Truppen im Irak der amerikanischen Öffentlichkeit nicht verborgen, wenn sie auch in weiten Teilen der Bevölkerung offenbar eher mit Desinteresse registriert werden. Es ist deshalb nur schwer vorstellbar, dass es gelingt, eine ähnliche Kriegsbereitschaft in der Öffentlichkeit zu erzeugen, wie vor dem Angriff auf den Irak.
  • Gerade in diesen Tagen verdichten sich in Washington Diskussionen über eine mögliche "Exit Strategy" aus dem Irak. Das einflussreiche Magazin "Foreign Affairs" veröffentlicht entsprechende Artikel (von James Dobbins und Edward Lutwak). Auch das spricht dagegen, nun rasch von dem einen Abenteuer in das nächste zu schlittern.
  • Zwar geißelt Hersh die Politik der Neocons in der Regierung (obgleich Verteidigungsmi-nister Rumsfeld gar nicht zu den Neokonservativen zu zählen ist). Er lässt aber die neue Außenministerin Rice völlig außer Betracht. Angesichts ihres im Vergleich zu ihrem Vorgänger großen Einflusses auf den Präsidenten, wird man die Stimme des State Department stärker in die Überlegungen einbeziehen müssen.
  • Wenn auch die Bush-Administration nach wie vor zu ihrem militärischen Vorgehen gegen den Irak steht, sind doch die Fehler gegenüber den Verbündeten offensichtlich geworden. Die seit Wochen auf allen diplomatischen Kanälen registrierte "ausgestreckte Hand" des wiedergewählten Präsidenten in Richtung Europa zeigt, dass man offenbar aus einigen Fehlleistungen gelernt hat. Es ist schwer vorstellbar (wenn auch nicht unmöglich), dass diese Klimaverbesserung durch eine neue Militäraktion wieder rückgängig gemacht würde.
  • Es fällt auf, dass Hersh als anonyme Quellen seiner Informationen meist CIA-Vertreter angibt. Angesichts der Unzufriedenheit, die in diesem Geheimdienst angesichts der von der Regierung aufgezwungenen Veränderungen existiert, ist eine gegen das Pentagon und den Präsidenten gerichtete Grundstimmung nicht ungewöhnlich.
  • Bereits im Oktober veröffentlichte das strikt neokonservative "American Enterprise Institute" einen Artikel mit dem Titel "A Strategy for Nuclear Iran". Darin wird (für Neo-cons untypisch) argumentiert, dass man sich mit einem nuklear bewaffneten Iran werde abfinden müssen. Offenbar sind sogar Neocons dabei, andere Optionen als den Militär-schlag zu durchdenken.
Der Artikel von Hersh zeigt zwar, das der Iran für die Regierung von sehr hoher Priorität ist und dass innenpolitisch eine heftige Debatte um die Lösungswege entbrannt ist. Die Entscheidung für einen Militärschlag ist aber offenbar noch

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Dr. Michael A

Kommissarischer Leiter des Rechtsstaatsprogramms Nahost/Nordafrika

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Sankt Augustin Deutschland