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„Das ganze Land war ein großes Gefängnis“

Zeitzeugengespräch mit Dr. Hubertus Knabe zur Diktatur in der DDR

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Obwohl er in Westdeutschland geboren ist, hat Hubertus Knabe alle Schattenseiten der DDR-Diktatur kennengelernt - am eigenen Leib sowie aus unzähligen Akteneinsichten und Begegnungen, die er als Mitarbeiter der Gauck-Behörde und später als Leiter der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen gemacht hat. Bis heute setzt er sich so in besonderem Maße für die Aufarbeitung des DDR-Unrechts ein. Dabei trifft er auch auf Widerstände. „Insbesondere von der Linkspartei wird immer wieder dieser Zusammenhang hergestellt: Wenn man die Stasi kritisiert oder darüber aufklären will, wolle man damit angeblich die DDR-Bürger bestrafen", sagt er im Zeitzeugengespräch mit kas.de.

Bestrafen will Knabe indessen nur die Täter, nicht aber die Opfer: „99 Prozent der DDR-Bürger haben nicht für die Stasi gearbeitet, die meisten haben sich immer gegen dieses Regime verhalten. Deswegen ist es auch 1989 durch eine friedliche Revolution der Bürger zusammengebrochen.“

Vor diesem Zusammenbruch besucht Knabe regelmäßig dir DDR. Zunächst handelt es sich um Familienbesuche. Ende der siebziger Jahre kommt er dann über eine Cousine mit Kirchenkreisen in Kontakt und verliebt sich in eine ostdeutsche Theologie-Studentin. „Für mich war damals insbesondere interessant, dass eine Generation die ungefähr so alt war wie ich, in diesem System kritisch mit der Obrigkeit umging“, sagt Knabe. Er unterstützt diese Kritik, indem er verbotene Bücher in die DDR schmuggelt. Es folgt ein Einreiseverbot von 1980 bis 1987.

Erst mit der Akteneinsicht nach der Wende erkennt Knabe, wie sehr er sich im Fadenkreuz der Staatssicherheit befunden hatte, als er die Berichte von Freunden und Kollegen über ihn lesen muss, die sie in ihrer Funktion als IM's verfasst haben. „Im Nachhinein muss ich sagen, müssen wir doch einen großen Schutzengel gehabt haben. Ich habe die Erfahrung gemacht, wie sehr eine Diktatur auch ins persönliche Leben eingreifen kann und wie gefährlich sie ist“, so Knabe in der Rückschau.

Der promovierte Historiker setzt sich seitdem mit den Mechanismen von Diktaturen - insbesondere in der DDR - auseinander. Erschwert wird die Aufarbeitung des DDR-Regimes seiner Ansicht nach vor allem durch die Gesetzeslage des Unrechtsstaates - einem der effektivsten Mittel zum Erhalt einer Diktatur, wie er erläutert: „Alles beruht auf Paragraphen, Richtlinien, Gesetzen und Vorgaben. Es ist also nicht mehr der einzelne Polizist oder Stasibeamte, der willkürlich jemanden von der Straße fängt, ins Gefängnis sperrt oder womöglich dort misshandelt. Das ist eine große Entlastung des Einzelnen, deswegen funktionieren Diktaturen meines Erachtens überhaupt.“

Hören Sie das ganze Zeitzeugen-Gespräch mit Dr. Hubertus Knabe mit einem Klick auf den Media-Player in der rechten Spalte.

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KAS