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Hans Katzer (1919-1996)

Zum 90. Geburtstag eines der profiliertesten Sozialpolitiker der Union

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Hans Katzer gehört innerhalb der Union zu den prägenden Persönlichkeiten der Sozialausschüsse der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). In der Rückschau scheint ihm dieser Weg fast vorgezeichnet gewesen zu sein. Geboren wurde Katzer am 31. Januar 1919 als Sohn des aus Böhmen stammenden, auf seiner Wanderung in Köln gebliebenen Schreinergesellen Karl Katzer. Sein Vater war zu diesem Zeitpunkt schon Verbandsgeschäftsführer der deutschen Kolpingfamilie und übernahm auch eine Redaktionsstelle beim „Kolpingblatt“. Außerdem saß er als Mitglied der Zentrumsfraktion im Rat der Stadt Köln – eine für einen Handwerksgesellen beeindruckende Karriere. Er steht idealtypisch für die katholischen Arbeiterschaft, die sich kurz nach der Jahrhundertwende selbst organisierte und bei allen Schwierigkeiten mit Zentrumshonoratioren und der Amtskirche doch genug Raum fand, um innerhalb des politischen Katholizismus religiöse Prägung und soziale Interessen miteinander zu verbinden. Indikator für den sozialen Aufstieg der Familie ist, dass Hans Katzer das Realgymnasium besuchte und damit für eine akademische Ausbildung vorgesehen war – er selbst träumte davon, Architekt zu werden. Mit der Machtergreifung wurde freilich diese Entwicklung brutal beendet: Der Vater verlor mit der Gleichschaltung und Zerschlagung der christlichen Gewerkschaften Mandat und Stelle, der Sohn musste 1935 – als eines von sechs Kindern – aus finanziellen Gründen die gymnasiale Ausbildung abbrechen und die Höhere Fachschule für die Textilindustrie besuchen.

Die politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Familie dürften die innerhalb des Katholizismus sowieso gering entwickelten Neigungen, sich mit dem NS-Regime zu arrangieren, bei Katzer noch zusätzlich vermindert haben. Seine Funktion als Kölner Leiter des Bundes „Neudeutschland“ bis zu dessen erzwungener Auflösung 1939 zeigt seine Resistenz gegenüber der NS-Ideologie. Sein Wehrdienst im Zweiten Weltkrieg ist dazu kein Widerspruch – man war als deutscher Katholik deutscher Patriot, auch wenn man Hitlers Regime ablehnte: Die Vorstellung, das eigene Volk in einem Existenzkampf im Stich zu lassen und den Wehrdienst zu verweigern oder sich ihm durch Desertion zu entziehen, sind moralische Postulate, die sich erst nach den NS-Verbrechen entwickeln konnten. Katzer diente selbstverständlich als Soldat, erlitt am 8. Dezember 1941 vor Moskau einen lebensbedrohlichen Lungensteckschuss und wurde nach seiner Genesung zur Offiziersausbildung nach Metz kommandiert. Er beendete den Krieg im Rang eines Leutnants.

Nach dem Krieg regenerierten sich die Kommunikationsnetze innerhalb des katholischen Milieus in Köln, die auch in der NS-Zeit nie völlig zerstört waren, schnell. Nach kurzer Gefangenschaft, politisch unbelastet und aus einer Zentrumsfamilie kommend, wurde Katzer 1945 durch die Vermittlung von Johannes Albers, dem Mitgründer der Kölner CDU und führenden Kopf der katholischen Arbeiterbewegung in Köln, im Kölner Arbeitsamt untergebracht – in der Arbeitslosigkeit der Nachkriegszeit ein Berufsstart nach Maß. Dort avancierte er schnell zum Abteilungsleiter, zuständig für berufliche Weiterbildung und Umschulung. Auch sein privates Glück fand er in diesem Umfeld: Im Kölner Arbeitsamt lernte er Elisabeth, die Tochter des christlichen Gewerkschafters und späteren Bundesministers Jakob Kaiser, kennen, die dort ein Praktikum absolvierte. 1949 heiratete das Paar; aus der Ehe ging die Tochter Marietheres hervor.

Politisch erwies sich die Beheimatung im Arbeitnehmerflügel der Union, der er schon 1945 beigetreten war, als Sprungbrett für Katzers Karriere. 1950 in den Kölner Rat gewählt, übernahm er im selben Jahr auch die Geschäftsführung der Sozialausschüsse der CDA, eine Schaltstelle mit großem Gestaltungspotential, die er bis 1963 innehatte. Wie sein Mentor Albers und sein Schwiegervater Kaiser war Katzer ein Verfechter der Einheitsgewerkschaft und lehnte deshalb 1955 die Ausgründung der christlichen Gewerkschaften ab. Freilich engagierte er sich innerhalb des DGB immer für dessen Überparteilichkeit, was ihm noch 1972 einen Ausschlussantrag eintrug.

Als Vertreter des Arbeitnehmerflügels innerhalb der CDU wurde Katzer 1957 in den Bundestag und schon drei Jahre später in den Bundesvorstand der CDU gewählt. 1963 übernahm er nach dem Tod von Johannes Albers den Vorsitz der Sozialausschüsse der CDA und war damit „geborenes Mitglied“ im engeren Führungskreis der Union. Folgerichtig wurde er 1965 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Kabinett Erhard. Angesichts der angespannten Haushaltslage stemmte er sich als Mitglied des „Streichquintetts“, das Vorschläge zur Kürzung von Etatposten erarbeiten sollte, gegen tiefere Einschnitte ins soziale Netz und scheute hier im Oktober 1966 auch den Konflikt mit dem Kanzler nicht. Für die folgende Grosse Koalition empfahl er sich damit jedoch und sollte mit demselben Ressort wohl im Kalkül von Kiesinger und Barzel verhindern, dass die SPD sich im Kabinett zu sehr sozialpolitisch profilieren konnte.

Tatsächlich gelang es Katzer, wesentlichen Reformgesetzen eine spezifisch christdemokratische Prägung zu geben. Noch unter Erhard wurde der Einstieg in die von der christlichen Gewerkschaftsbewegung seit langem geforderte staatliche Förderung der Vermögensbildung erreicht, er engagierte sich für Volksaktien und die Verbesserung der Kriegsopferversorgung. Höhepunkt seiner legislativen Tätigkeit war sicherlich das Gesetz zur Arbeitsförderung 1969, das den Wandel der Bundesanstalt für Arbeit von einer reinen Auszahlungsbehörde zu einem Dienstleister mit weitgehenden arbeitsmarktpolitischen Kompetenzen einleitete. Absichern konnte Katzer diese Entwicklung personalpolitisch über das Ende der Grossen Koalition hinaus durch die Ernennung von Josef Stingl zum Präsidenten der Bundesanstalt.

Die Vorstellung, dass sich insbesondere in Katzers Amtszeit eine entscheidende Zäsur beim Übergang vom wohlfahrtstaatlichen Konzept zur aktiven Sozialpolitik festmachen lässt, ist zu hinterfragen: Schließlich ist der Wandel des vormodernen Fürsorgestaates zum Sozialstaat ein Prozess, der spätestens im Ersten Weltkrieg beginnt und mit den Hartz-Reformen noch nicht beendet ist, sich mithin über ein Jahrhundert erstreckt. Sicherlich richtig ist jedoch, dass Katzer, dem an einer Verzahnung von Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik lag, diese Entwicklung gesehen, bejaht und gezielt vorangetrieben hat.

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