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„Dem Staate verpflichtet“ – 100. Geburtstag von Gerhard Schröder

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Außen- und Sicherheitspolitiker in den 1960er Jahren

Als Schröder nach der Bundestagswahl 1961 als Nachfolger von Heinrich von Brentano, der in den Koalitionsverhandlungen mit der FDP nicht durchzusetzen war, zum Bundesaußenminister berufen wurde, überraschte er die vorher von ihm nicht gerade umworbene Opposition mit kontinuierlichen Kooperationsangeboten.

Schröder, der sich für eine starke Nordatlantische Allianz einsetzte und den Beitritt Großbritanniens zur EWG befürwortete, plädierte für eine flexiblere Haltung in der bundesdeutschen Ostpolitik. Wenige Monate nach seiner Amtsübernahme – im Februar 1962 – legte er in einer Denkschrift der Bundesregierung an die Sowjetunion das deutsche Interesse an einer Politik der Verständigung und friedlichen Zusammenarbeit auch mit dem Osten dar. Im gleichen Jahr begannen Verhandlungen mit Polen, Rumänien, Ungarn und Bulgarien über den Abschluss von Handelsabkommen und der Errichtung von Handelsmissionen. Entsprechende Vereinbarungen wurden im März 1963 mit Polen, im Oktober und November mit Rumänien und Ungarn und schließlich im März 1964 mit Bulgarien unterzeichnet.

Seine Ostpolitik stand im Kontext der nach der Kuba-Krise im Herbst 1962 verstärkten internationalen Bemühungen um Friedenssicherung und um einen Abbau der Spannungen zwischen Ost und West. Die „Friedensnote“ der Bundesregierung vom 25. März 1966 formulierte prägnant die Grundzüge der Schröderschen Außenpolitik: In ihr war der Gedanke formuliert, mit den osteuropäischen Staaten, vor allem der Sowjetunion, Polen und der Tschechoslowakei, Gewaltverzichtserklärungen auszutauschen und damit eine wichtige Voraussetzung für eine weitere konstruktive Entwicklung der beiderseitigen Beziehungen zu schaffen. Auch erklärte die Bundesregierung im Sinne der amerikanischen Entspannungspolitik ihre Bereitschaft, einem Abkommen über die Nichtverbreitung von Atomwaffen und über die Verminderung des nuklearen Potentials in Europa beizutreten.

Die atlantisch orientierte Außenpolitik Schröders, die nach dem Regierungswechsel von 1963 durch den neuen Bundeskanzler Ludwig Erhard voll gedeckt wurde, stützte sich im Regierungslager auf die norddeutschen Landesverbände der CDU und die FDP und konnte im Bundestag auf Rückendeckung von Seiten der SPD rechnen. Gegen diesen außenpolitischen Kurs formierte sich in den Unionsparteien massiver Widerstand, angeführt von den beiden Parteivorsitzenden Adenauer und Strauß und dem einflussreichen CSU-Bundestagsabgeordneten Freiherr zu Guttenberg. Die sogenannten Gaullisten fürchteten, dass die Bundesrepublik ein Opfer der amerikanischen Entspannungspolitik werden könnte, und wollten daher das Gewicht der Bundesrepublik gegenüber der USA durch eine enge deutsch-französische Zusammenarbeit verstärken. Hinsichtlich der Ostpolitik hielten sie starr am Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik und an der Hallstein-Doktrin fest; ihnen ging bereits die Schrödersche Ostpolitik zu weit. Deshalb konnten sie auch kein Interesse daran haben, dass der Atlantiker Schröder nach dem Ende der christlich-liberalen Koalition im Herbst 1966 Erhard im Kanzleramt folgte. Darin ist ein wesentlicher Grund für die Wahl des von den Bonner Auseinandersetzungen unbelasteten baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kurt Georg Kiesinger zum Kanzlerkandidaten von CDU und CSU zu sehen, dem Schröder bei der fraktionsinternen Entscheidung unterlag.

In der Regierung der Großen Koalition übernahm er das Amt des Bundesverteidigungsministers, das er souverän leitete, ohne allerdings besondere Akzente setzen zu können. Für den Fall eines Scheiterns der Großen Koalition und der Neuauflage einer Koalition mit der FDP stand Schröder als Kanzlerkandidat bereit.

Langer Ausklang einer politischen Karriere

Nachdem die Kanzlerschaft für Schröder nicht mehr erreichbar war, strebte er das Amt des Bundespräsidenten als Krönung seiner politischen Laufbahn an. In der Bundesversammlung am 5. März 1969 verlor er jedoch im 3. Wahlgang gegen den SPD-Kandidaten Gustav Heinemann, da die FDP trotz vorhandener Sympathien für Schröder den Machtwechsel in Bonn zugunsten einer sozial-liberalen Koalition einleiten wollte.

Nach dem Wahlsieg der sozial-liberalen Koalition 1969 übernahm Schröder den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages. In diesem Amt beeinflusste er aus der parlamentarischen Opposition heraus die Außenpolitik der Bundesregierung unter den Bundeskanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt. Hervorzuheben ist Schröders Reise nach Peking im Juli 1972, um die Aufnahme diplomatischer Beziehungen in die Wege zu leiten. In langen Gesprächen mit der chinesischen Regierung konnte er die Voraussetzung für eine baldige Normalisierung der deutsch-chinesischen Beziehungen schaffen. Bereits im Oktober 1972 wurden in Peking Vereinbarungen zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen unterzeichnet.

Nach dem Rücktritt Rainer Barzels als Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Mai 1973 versuchte Schröder noch einmal, einen Spitzenplatz im Machtgefüge der Unionsparteien zu besetzen, und stellte sich zur Wahl. Er unterlag allerdings gegen seinen früheren Staatssekretär Karl Carstens deutlich und verzichtete danach auf eine erneute Kandidatur als stellvertretender Parteivorsitzender.

1980 schied Schröder aus dem Bundestag aus. Dem engagierten Befürworter der deutschen Einheit war es noch vergönnt, den Fall der Berliner Mauer bewusst mitzuerleben, bevor er am 31. Dezember 1989 verstarb.

Stefan Marx / Wolfgang Tischner

Literatur

  • Franz Eibl: Politik der Bewegung. Gerhard Schröder als Außenminister 1961–1966 (Studien zur Zeitgeschichte, Band 60), München 2001.
  • Jurist und Politiker. Ansprachen anlässlich des Goldenen Doktorjubiläums von Dr. Gerhard Schröder, gehalten am 12. November 1984 in der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Politeia 15), Bonn 1985.
  • Hermann Kunst/Helmut Kohl/Peter Egen (Hrsg.): Dem Staate verpflichtet. Festgabe für Gerhard Schröder, Stuttgart – Berlin 1980.
  • Ernst Kuper: Frieden durch Konfrontation und Kooperation. Die Einstellung von Gerhard Schröder und Willy Brandt zur Entspannungspolitik, Stuttgart 1974.
  • Torsten Oppelland: Gerhard Schröder (1910–1989). Politik zwischen Staat, Partei und Konfession (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte, Band 39), Düsseldorf 2002.

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