Welchen Eindruck haben Sie von der Reaktion der arabischen Welt auf die Proteste in Iran, insbesondere den arabischen Golfstaaten?
Offiziell halten sich die Golfstaaten mit Kommentaren zurück. Iran wirft ihnen jedoch vor, dass sie die Protestbewegung unterstützen und mit ihren Medien die iranische Jugend „verführen“ würden. Sehr populär ist in Iran der von Saudi-Arabien mitfinanzierte persischsprachige Satellitensender „Iran International“. Mutmaßlich unterstützt Saudi-Arabien auch die Separatistenbewegung in der unruhigen östlichen Provinz Sistan-Belutschistan. Es ist kein Geheimnis, dass Saudi-Arabien, das sich Stellvertreterkriege mit Iran liefert, den Sturz der Islamischen Republik und eine andere politische Ordnung in Teheran will. Zurück geht das auf das Gebot von Revolutionsführer Khomeini, die Revolution zu exportieren. So hatte der frühere König Abdallah im Jahr 2010 gefordert: „Schlagt der Schlange den Kopf ab.“ Dennoch hat das Königreich einen Angriff der USA und Israels gegen Iran wegen sehr wahrscheinlicher Vergeltungsschläge in Saudi-Arabien nie befürwortet. Kronprinz Muhammad Bin Salman warnte 2017 Iran, sollte es zwischen den beiden Ländern einen Krieg geben, würde der in Iran ausgetragen und nicht in Saudi-Arabien.
Europa befindet sich im Krieg und es stehen kalte Wintermonate bevor. Trotzdem schauen europäische Länder auch auf die Entwicklungen im Iran und das Schicksal der Demonstrierenden. Was will und kann Europa tun?
Zunächst was „will“ Europa tun? Europa will nicht, dass das Land implodiert und nichts vorhanden ist, was unmittelbar das Vakuum füllen kann. Eine solche Implosion würde nur die Achse des Scheiterns in der arabischen Welt nach Osten verlängern und einen weiteren gescheiterten Staat hervorbringen. Europa wünscht sich gewiss eine andere, dann auch stabile politische Ordnung in Iran. Die politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten, dazu beizutragen, sind indes begrenzt. Direkt einzugreifen, ist keine Option. Sanktionen haben zwar die iranische Wirtschaft geschwächt, die Islamische Republik aber nicht in die Knie gezwungen. Auch wenn die Sanktionen personenbezogen formuliert sind, bringen sie nicht viel, da für die Säulen des Regimes die Pfründe im Inland wichtiger sind als eventuellen Reisen in der EU. Wenn Deutschland etwas beitragen will, dann sollte es versuchen, dass sich die breite Dissidentenszene in der Diaspora zu einer wirklichen Alternative zum Regime in Iran zusammenfindet. Ein ähnlicher Versuch ist jedoch vor zehn Jahren bei der syrischen Opposition gescheitert.