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Länderberichte

Am Ziel vorbei

von Florian Rauchfuß

Mit Spannung wurde auf das Treffen zwischen Donald J. Trump und Kim Jong-un gewartet.

Die damit verbundenen Hoffnungen konnten jedoch in Japan nicht zwangsläufig erfüllt werden. Auch im Land der aufgehenden Sonne wurde der Gipfel zwischen Donald J. Trump und Kim Jong-un mit Spannung entgegengesehen. Große Erwartungen gab es in Japan an eine schnelle Lösung im Streit um die von nordkoreanischen Agenten entführten japanischen Staatsbürger (17). Zufriedenstellende Ergebnisse konnten nicht erzielt werden. Nicht nur deshalb herrscht nach dem Treffen im Land der aufgehenden Sonne vor allem eines: Ernüchterung.

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Die Verunsicherung ist spürbar

Schon am Tag danach wurden die in Singapur geschaffenen Fakten von den Medien detailliert analysiert und bewertet. Der historische Gipfel zwischen einem amerikanischen Präsidenten und nordkoreanischen Führer vom 12. Juni 2018 hatte einen besonderen Platz in den japanischen Kalendern. Nach Jahren der gegenseitigen Bedrohungen, Sanktionen und des Schweigens gab es wieder einen Dialog mit der Demokratischen Volksrepublik Korea – für Japan selbst derzeit unmöglich. Folglich wurde es als „letzte Hoffnung“ tituliert, um bestehende Probleme endlich aus der Welt zu schaffen.

Der neu entstandene Dialog ist ein politischer Gewinn in Ostasien. Er wird als Chance auf eine nachhaltige Verbesserung der Beziehungen rezipiert. Die Ergebnisse, die in der gemeinsamen Erklärung festgehalten wurden, werden in der Presse aber gespalten aufgenommen. Im Vergleich zu früheren Communiqués sind keine neuen Möglichkeiten des gemeinsamen Zusammenarbeitens entstanden. Das erhoffte Ergebnis ist es damit nicht.

Nippons außenpolitische Strategie im Nordkoreakonflikt kreist um zwei Kernthemen: 1. Die Lösung der Entführtenfrage und 2. die vollständige (nukleare) Abrüstung Nordkoreas. Am Mittwoch musste die Öffentlichkeit Japans aber erkennen, dass beides nicht in der von ihr gewünschten Weise behandelt worden sind. Bahnbrechende Lösungen konnten nicht präsentiert werden. Das allein wird als Enttäuschung gesehen.

Donald Trump wird vorsichtig gelobt, was vorwiegend in seinem (zurückhaltenden) Einsatz für japanische Interessen begründet liegt. Er hat das Thema der entführten japanischen Staatsbürger an Kim herangetragen und an den Verhandlungstisch gebracht – ein Gewinn für die Inselnation. In der Vergangenheit hat sich die nordkoreanische Führung verschlossen gegenüber einem Dialog zu diesem Thema gezeigt – die Beziehungen zu Japan sind seit Jahren angespannt. In Singapur wiederum wurde das Thema (auch wenn letztendlich nicht schriftlich fixiert) von Nordkorea nicht als beendet erklärt. Das bedeutet vor allem eines: Grund zur Hoffnung. Nicht nur Premierminister Shinzo Abe und sein Kabinett sehen nun die Möglichkeit für Gespräche gegeben. Auch die Familienangehörigen der Entführten, die derzeit eine mediale Dauerpräsenz erfahren, sehen die Zeit für einen ergebnisorientierten Dialog gekommen. Sie setzen noch immer ihr gesamtes Vertrauen in Premierminister Abe und seine (mittlerweile nicht mehr unumstrittene) Null-Toleranz-Politik gegenüber der Kim-Dynastie. Es sollen erst Verhandlungen nach Umsetzung aller Forderungen stattfinden.

Das Verhältnis kühlt sich ab

Das Zugeständnis zur Denuklearisierung sorgte für positive Resonanz, ist doch die vollständige Abrüstung das zweite große Ziel in der hiesigen Nordkoreastrategie. Aber längst nicht alle Experten sind mit dem Verhalten des amerikanischen Präsidenten zufrieden. Ganz im Gegenteil: neben der Aussetzung von Militärübungen sorgt der mutmaßliche Abzug von US-Truppen aus der Region für Verwunderung.

Für Japan, das lediglich über Selbstverteidigungsstreitkräfte zur eigenen Verteidigung verfügt, sind die US-Truppen für die eigene Sicherheit, aber auch für die regionale Sicherheitskonstellation in Ostasien von besonderer Bedeutung. Verteidigungsminister Itsunori Onodera betonte die Bedeutung des engen Austauschs mit den eigenen Partnern in dieser Sache. Dafür reiste der der höchste Diplomat Japans, Außenminister Taro Kono direkt am Mittwoch nach Südkorea. Er suchte nicht nur das Gespräch mit US-Außenminister Mike Pompeo, sondern auch mit seiner südkoreanischen Kollegin Kang Kyeong-hwa. Die drei Top-Diplomaten waren sich einig, dass ohne die Umsetzung nordkoreanischer Zusagen keine Sanktionen gelockert werden können.

Die Frage nach der von Shinzo Abe angestrebten Verfassungsänderung (Friedensartikel) rückt nun wieder stärker in den Fokus. Nach Wochen des Umfragetiefs, gab es in der letzten Woche wieder steigende Zustimmung für Abe. Im September wird der neue Vorsitz der LDP gewählt, eine für Abe entscheidende Etappe. Im Falle einer Wiederwahl dürfte er sein großes Ziel mit höherer Intensität verfolgen, auch wenn es bisher keine - auch nicht nach dem Kim/Trump-Gipfel - tragfähige Mehrheit in der Bevölkerung gibt. Eine neue Eigendynamik in der Diskussion hat der Gipfel nicht ausgelöst.

Der Kontakt wird aufgenommen

Onodera lobte, übrigens genau wie Chefkabinettssekretär Yoshihide Suga, noch am Tag des Gipfels die Verhandlungen. An diese müsse nun angeknüpft werden und Japan durch mehr Eigeninitiative wieder in den engeren Kreis der Verhandlungen vorstoßen. Bemühungen dafür werden schon seit geraumer Zeit intensiviert, die auch immer wieder in der politischen Berichterstattung hervorgehoben werden. Die Regierung in Tokio hat in ihrer isolierten Außenseiterposition derzeit kaum Handlungsspielraum oder Möglichkeiten Einfluss auf seine Partner zu nehmen. Deswegen wird nun alles darangesetzt, damit ein Treffen zwischen Shinzo Abe und dem nordkoreanischen Machthaber arrangiert werden kann. Abe selbst sagte, dass es Zeit sei endlich direkt miteinander zu sprechen. Nur so können die bestehenden Probleme gelöst werden. Eine Abwendung in der bisherigen außenpolitischen Position.

Diplomatische Beziehungen zwischen den beiden asiatischen Staaten gibt es nicht. Kontakte sollen deshalb über Umwege aufgenommen werden. Tokio hatte bereits mehrere Top-Diplomaten nach Singapur entsendet, um Möglichkeiten eines persönlichen Zusammenkommens zwischen beiden Staatschefs zu diskutieren. Am Donnerstag, den 14. Juni, haben hochrangige Vertreter des japanischen Außenministeriums in der Mongolei Gespräche mit einer nordkoreanischen Delegation geführt. Es wird zudem spekuliert, dass Abe plant über die Geheimdienste einen Draht zur DVRK aufzubauen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei Shigeru Kitamura, dem Direktor des Kabinettsuntersuchungsbüros, zu.

Premier Abe hat schon bei einer Pressekonferenz direkt nach dem Gipfel seinen Freund Donald Trump für sein Agieren gelobt. Er hat Abe einen Gefallen getan, für diesen musste er lang, hart und nachgiebig arbeitet. Vor dem 44. G7-Gipfel in La Malbaie und unmittelbar vor dem Trump/Kim-Gipfel in Singapur hatte Abe das Gespräch mit Trump gesucht und ihn ausführlich über die eigenen Interessen und Standpunkte aufgeklärt. Die Lösung der Entführtenfrage hat für Shinzo Abe einen besonderen Stellenwert. Seit den letzten stichhaltigen Ergebnissen zwischen Kim Jong-il und Junichiro Koizumi (2002) stocken die Verhandlungen. Damals war Shinzo Abe noch stellvertretender Leiter des Kabinettssekretariats. Heute möchte er nun schnellstmöglich selbst mit Kim Jong-un in dieser Angelegenheit sprechen.

Keine eindeutigen Antworten

Für Skepsis sorgten Abes Äußerungen zum Gipfeltreffen auf einer Pressekonferenz am Dienstag. Auf Nachfragen unterschiedlicher Journalisten wollte er keine Antworten geben, was genau er von Donald Trump über die Gespräche erfahren hat.

Das sorgte in den Medien für Spekulationen. Konnte er nicht antworten, weil er keine vertraulichen Informationen über die Gespräche teilen darf oder, weil es gar keine Ergebnisse zu den so wichtigen Themen zu präsentieren gibt? Abe wird auch weiterhin den engen Dialog zum amerikanischen Partner suchen, bereits einen Tag nach dem Gipfel, am Mittwoch, fand schon das nächste Telefongespräch statt.

Viele Experten, Politiker und Bürger äußerten ebenfalls Unverständnis auf Donald Trumps Haltung gegenüber Japan. Die stolze Nation sieht sich in eine Vasallenrolle gedrängt und so zur Marionette der USA verkommen. Wirtschaftliche Unterstützung ist die einzige Möglichkeit Einfluss im Nordkoreakonflikt zu nehmen, die Verhandlungen beeinflusst das aber nicht.

Das erratische Verhalten des US-Präsidenten wird als bestimmend und dadurch abwertend interpretiert. Beide Partner scheinen nicht auf Augenhöhe zu sein. Eine Situation, die im Land der aufgehenden Sonne niemanden gefällt. Die offensichtliche Missachtung eigener Interessen wird kritisch zur Kenntnis genommen. Experten gehen davon aus, dass die japanische Regierung ihre Position zumindest kurzfristig nicht ändern wird, selbst wenn es Differenzen und Unzufriedenheit mit den Vereinigten Staaten geben sollte. In Tokio weiß man, dass sie auf die Gunst Trumps und die Unterstützung der USA angewiesen ist, um nicht völlig an den Rand gedrängt zu werden. Sorge bereitet den Verantwortlichen die Selbstverständlichkeit, mit der Trump seine Verbündeten öffentlich brüskiert. Das hat die Inselnation schon mehrfach am eigenen Leib erfahren müssen.

Alles in allem sind die Ergebnisse des Gipfels für Japan "hinter den Erwartungen zurückgeblieben" und hinterlassen einen Beigeschmack bei dem Blick auf eigene Handlungsmöglichkeiten in der Zukunft.

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Donald Trump und Kim Jong-un beim Gipfeltreffen in Singapur

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