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Fidesz-Parteitag vor der Parlamentswahl im Frühjahr 2018

von Frank Spengler, Bence Bauer, LL.M
Unter dem Motto „Lasst uns Ungarn beschützen“ wurde Viktor Orbán als Parteivorsitzender bestätigt. Mit der Wahl von Katalin Novák wird das Parteipräsidium weiter verjüngt.

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Am 12. November 2017 fand auf dem Budapester Messegelände der 27. Parteitag der ungarischen Regierungspartei Fidesz – Ungarische Bürgerliche Union unter dem Motto „Lasst uns Ungarn beschützen“ statt. Wieder einmal stimmte „Listen to your heart“ der schwedischen Popgruppe „Roxette“ die über 1.300 Delegierten auf das Parteitreffen ein, dass alle zwei Jahre stattfindet. Die Parteitagsteilnehmer wählten das Präsidium neu und sollten für den bevorstehenden Wahlkampf motiviert werden. In diesem Sinne beteiligten sich die wichtigsten Vertreter der Parteiführung mit insgesamt 24 kurzen Redebeiträgen. Eine programmatische Diskussion fand nicht statt, doch informierten die eingespielten sechs Kurzfilme über die inhaltliche Ausrichtung für den anstehenden Wahlkampf zur Ungarischen Nationalversammlung im April 2018.

Die Wahlen des Vorsitzenden und der vier Stellvertreter

Der Ministerpräsident und Parteivorsitzende Viktor Orbán konnte sein bisher bestes Ergebnis erzielen, er wurde ohne Gegenstimme wiedergewählt. Fraktionsvorsitzender Gergely Gulyás wurde als Stellv. Parteivorsitzender mit 99,39%, in seiner Position bestätigt. Ebenso wiedergewählt wurden Gábor Kubatov (98,48%) und Szilárd Németh (97,19%). Erstmals wurde die Staatssekretärin Katalin Novák (98,41%) für das Präsidium bestimmt. Nachdem mit dem heute 36-jährigen Gulyás schon vor zwei Jahren eine deutliche Verjüngung des Präsidiums stattfand, konnte dieser Trend in diesem Jahr mit der Wahl der erst 40-jährigen Novák fortgesetzt werden. Damit will die Partei wohl verstärkt auf die jüngeren Wähler zugehen. Als Mutter von drei Kindern steht Katalin Novák in der Partei für die Versöhnung des traditionellen Frauen- und Familienbildes mit den modernen Vorstellungen einer erfolgreichen, berufstätigen Frau des 21. Jahrhunderts. Sie könnte nach Einschätzung der Parteistrategen für viele junge Frauen eine Vorbildrolle wahrnehmen. Außerdem verfügt sie über große internationale Erfahrung und spricht drei Fremdsprachen fließend, wie der Fraktionsvorsitzende Gergely Gulyás tags zuvor in einem Interview in der regierungsnahen Tageszeitung „Magyar Idők“ betonte.

Inhaltliche Schwerpunktsetzung

Nach der vor allem international viel kritisierten Kampagne gegen den US-Multimilliardär George Soros wurde auf dem Parteitag eine Akzentverschiebung vorgenommen. Zwar läuft im Lande noch die in diesem Kontext von der Regierung initiierte „Nationale Konsultation“, eine unverbindliche briefliche Befragung der Bürgerinnen und Bürger, doch fiel der Name von George Soros auf dem Parteitag viel seltener als noch in den offiziellen Stellungnahme in den Wochen zuvor. Mit der Fokussierung auf die Erfolge der Regierung wurde eine Schwerpunktverlagerung in der Kommunikationsstrategie vorgenommen. So wurden mit kurzen, eingängigen, graphisch gut unterlegten Kurzfilmen die Erfolge der Fidesz-KDNP-Regierung seit 2010 hervorgehoben. Die insgesamt sechs Videos dokumentierten die Energienebenkostensenkungspolitik für private Haushalte, die Verstärkung des Grenzschutzes und der Polizeipräsenz, die Stärkung der klein- und mittelständischen Unternehmen, die Unterstützungen im Bereich der Familienpolitik sowie die erfolgreiche Wirtschaftspolitik. Ein Video über die Vizebürgermeisterin des 11. Budapester Stadtbezirks, Nóra Király, die neben dem Beruf fünf Kleinkinder großzieht, rundete das Bild ab und sollte Fidesz gerade in der kritischen jüngeren Altersgruppe attraktiver machen. Für die nächsten Monate ist daher wohl eher mit einem „Ergebnis-Wahlkampf“ zu rechnen.

Die Rede von Viktor Orbán

Auch bei Fidesz ist der Höhepunkt des Parteitages die Rede des Vorsitzenden, die er unmittelbar nach der Bekanntgabe seines Ergebnisses hielt. Entgegen den Erwartungen vieler Beobachter spielte George Soros keine zentrale Rolle. Der Zeitgeist in Europa stünde auf der Seite von Fidesz, so die zentrale Aussage von Viktor Orbán. Die 42 Minuten lang dauernde Rede, insgesamt 28 Mal von Applaus unterbrochen, gliederte er in einem gedanklichen Dreisatz: verstärken – vertiefen – beschützen.

Zunächst gelte es, die Ergebnisse der seit 2010 amtierenden Regierung zu stärken. Orbán betonte vor allem die wirtschaftlichen Erfolge und ging darauf ein, allen Bevölkerungsgruppen zu guten Lebensverhältnissen verhelfen zu wollen. Steuerabbau, Sanierung der Staatsfinanzen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Energiekostensenkungen und die Kriminalitätsbekämpfung wurden diesbezüglich besonders angesprochen. Einen großen Stellenwert kam dabei dem Abbau der Arbeitslosigkeit, der damit verbundenen Quasi-Vollbeschäftigung und dem Anheben des ungarischen Lohnniveaus zu. Auch wurden die vielfältigen Maßnahmen der Unterstützung von Familien - wie das staatliche Baugeld oder weitere Steuervergünstigungen - angesprochen. Seine Regierung brauche für die Stärkung dieser Ergebnisse noch vier weitere Jahre, so der Parteivorsitzende. Orbán schloss den ersten Teil der Rede mit den Worten, es gebe keine Wechselstimmung gegenüber der Regierung, sondern eine Wechselstimmung für eine neue Opposition, damit ging er indirekt auf die Krise der politischen Linken im Lande ein.

Der zweite Teil der Rede befasste sich mit dem Vertiefen der seelischen und geistigen Grundlagen seiner Politik. Hierbei stellte er fest, dass die Mehrheit der europäischen Bevölkerung so denke wie Fidesz, sie arbeite hart, übernehme Verantwortung, sorge für die Familie, liebe die Heimat und hänge an den christlichen Wurzeln Europas. Diese Mehrheit versuche auch, die europäische kulturelle Identität und den europäischen Lebensstil zu bewahren. Dabei sei er sich sicher, dass die europäischen Debatten der Zukunft sich um die Identität und das Wesen Europas drehen würden. Er antizipierte diesbezüglich viele Auseinandersetzung zwischen den einfachen Menschen und der über Europa gegenwärtig noch herrschenden global ausgerichteten Elite. Er sei überzeugt, dass die von Fidesz verfolgte Politik nicht nur in Ungarn und Europa, sondern auch in der gesamten westlichen Welt gewinnen werde. Den zweiten Teil der Rede beendete er mit einem Appell für ein freies Bündnis der europäischen Nationen anstatt der Etablierung eines europäischen Superstaates im Sinne der Vereinigten Staaten von Europa.

Schließlich handelte der letzte Teil davon, was es zu beschützen gelte. Hierbei ging er auf die angeblichen Machenschaften von George Soros ein, dessen Plan es sei, alle patriotisch denkenden und handelnden Regierungen auf dem Kontinent zu stürzen. Diese stünden nämlich seiner Idee im Wege, Nationalstaaten abzuschaffen und so eine ethnisch gemischte Bevölkerung zu erreichen. Die als ewig geglaubten Wahrheiten soll es gemäß diesem Plan nicht mehr geben, nicht mehr die Unterscheidung zwischen Mann und Frau, zwischen Christ und Muslim, zwischen Deutschen und Ungarn usw. Diese Politik sei gegen die Nation, gegen die Religion, gegen die Geschlechter und gegen die Familie gerichtet. Insoweit sei die von Soros angeblich geförderte Migration nicht ein Ziel, sondern vielmehr ein Instrument. Doch dieses Instrument brächte Terrorismus, Kriminalität, Gewalt gegen Frauen und Antisemitismus nach Europa, so Orbán. Daher gelte es, sich diesem Plan entgegenzustemmen und die Arbeit, Familie, Sicherheit, Recht, die ungarische Kultur und die Zukunft zu beschützen. Er schloss die Passage, wonach die Ungarn niemals das Sowjetimperium akzeptiert hätten, sie würden auch das „Soros-Imperium“ nicht zulassen.

Umfragen und Ausblick

Der Parteitag fand in einer Zeit eines großen Meinungsumfragehochs für Fidesz statt. Im Vorfeld des Treffens publizierte das regierungsnahe Meinungsforschungsinstitut Nézőpont eine Umfrage, nach der 3,9 Millionen ungarische Wähler gerne Viktor Orbán als Ministerpräsidenten hätten. Bekanntlich benötigen die Regierungsparteien gut zwei Millionen Wählerstimmen für eine solide absolute Mehrheit in der Ungarischen Nationalversammlung. Die Zahlen der Sonntagsfrage variieren relativ stark, doch haben Fidesz-KDNP bei allen Instituten eine solide Mehrheiten. Demgemäß kommen die Regierungsparteien auf 43%-61%, Jobbik erreicht 14%-22%, MSZP 9%-16%, DK 4%-9%, LMP 4%-7%. Bemerkenswert ist seit dem Rücktritt des MP-Kandidaten der Sozialisten, László Botka, der zunehmende Verfall der Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP). Profitieren konnten dabei Ferenc Gyurcsánys DK, der Gegenspieler von MSZP auf der Linken sowie die grüne LMP und die rechtsextremistische Jobbik. Bei den Wahlen hängt nun viel davon ab, ob sich die Wähler von Jobbik, LMP und der linken Parteien in einzelnen Wahlkreisen jeweils für den aussichtsreichsten Gegenkandidaten von Fidesz aussprechen könnten. Offizielle Absprachen zwischen den Parteien gibt es allerdings noch nicht. Das Wahljahr 2018 verspricht spannend zu werden.

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