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Dimitri della Faille / flickr / CC BY-NC 2.0

Länderberichte

Mexiko nach den Superwahlen

Ernüchternde Ergebnisse im Nachgang des 6. Juni 2021

Die als „Superwahl“ bezeichneten Zwischenwahlen vom 6. Juni ergaben ein durchaus gemischtes Bild, was Gewinner und Verlierer angeht. Mit einer Wahlbeteiligung von rund 52 % hat die Regierungspartei MORENA (Movimiento de Regeneracion Nacional) zwar durch Zugewinne von Gouverneursposten ihre territoriale Macht ausgeweitet, ist aber in der Abgeordnetenkammer auf Grenzen gestoßen und musste hier ebenso deutliche Verluste hinnehmen wie in der Hauptstadt Ciudad de México. Somit hat die Partei des Präsidenten auf parlamentarischer Ebene ihre absolute Mehrheit verloren, wird allerdings dank ihrer Koalitionspartner (Partido del Trabajo – PT und Partido Verde Ecologista de México – PVEM) die einfache Kontrolle über die Abgeordnetenkammer behalten können. Man könnte die Ergebnisse somit als einen bittersüßen Sieg für die Regierungspartei bezeichnen: Sie hat die notwendige Unterstützung zur Fortsetzung des Regierungsprogramms erhalten, kann aber aus eigener Kraft keine tiefgreifenderen Initiativen durchführen, die eine Änderung der Verfassung beinhalten würden. Die Oppositionskoalition, angeführt durch die PAN (Partido Acción Nacional), konnte sich zwar in der Abgeordnetenkammer mit mehr Stimmen als erwartet durchsetzen, es reichte jedoch nicht, um, wie erhofft, die einfache Mehrheit der MORENA-Koalition im Parlament zu brechen.

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Wahlkampf und Wahltag: Ein kurzer Überblick

Zur Wahl standen rund 21.0000 Ämter, davon davon 15 der insgesamt 32 Gouverneursposten, 500 nationale Abgeordnete, 1.926 Bürgermeisterämter, 15.107 Stadträte und 2.122 sog. „Sindicaturas“ (gewählte kommunale Rechtsbeistände). Angetreten waren die Regierungsparteien MORENA, die PT und die PVEM in der Juntos Hacemos Historia Koalition. Die Oppositionsparteien PAN, PRI und PRD (Partido de la Revolución Democratica) schlossen sich ihrerseits zusammen und traten als Koalitionsbündnis unter dem Namen Va por México an. Die 2018 recht erfolgreiche und relativ junge Oppositionspartei Movimiento Ciudadano hat es bei diesen Wahlen vorgezogen, sich keinem Bündnis anzuschließen, sondern eigenständig anzutreten.

Die Wahlen fanden vor dem Hintergrund einer sich stets verschlechternden inneren Sicherheitslage, einer Erosion der Demokratie und demokratischer Institutionen sowie der schlimmsten Rezession (rund 8,5%) seit fast einem Jahrhundert statt. Zudem zeichnet sich das Bild eines Landes ab, welches wie fast kein anderes von der Covid-19 Pandemie betroffen ist, die inzwischen – laut offiziellen Zahlen – mehr als 229.000 Tote gefordert hat. Umso erstaunlicher ist es, dass man einen Wahlkampf beobachten konnte, der sich größtenteils mit traditionellen Mitteln und in der Nähe der Wähler in den Straßen Mexikos abspielte und nicht, bzw. nur sehr beschränkt im virtuellen Raum, wie es den Umständen entsprechend erwartet worden wäre. Wurden diese Halbzeitswahlen von vielen als „Referendum“ für die Leistungen des Präsidenten in seiner Amtshalbzeit angesehen, so ist es nicht erstaunlich, dass die Wahlbeteiligung die höchste ist, die je bei einer Zwischenwahl in Mexiko im 21. Jahrhundert, verzeichnet wurde. Die landesweite Beteiligung wurde laut des nationalen Wahlinstituts INE (Instituto Nacional Electoral) zwischen 51,7% und 52,5% geschätzt.

Zudem wurde der Wahlkampf über die letzten Wochen und Monate von steigender Gewalt und politisch motivierter Kriminalität sowie Morden geprägt. Allein seit September letzten Jahres wurden 96 Politiker ermordet, wovon 35 der Ermordeten für ein Amt kandidiert hatten. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die brutale Ermordung von Alma Rosa Barragán, einer Bürgermeisterkandidatin im Bundesstaat Guanajuato des Movimiento Ciudadano, die zwölf Tage vor der Wahl inmitten einer öffentlichen Kundgebung erschossen wurde. Auch am Wahlsonntag wurden zahlreiche Vorfälle gemeldet. Die Exekutivdirektion der Wahlorganisation des INE berichtete, dass im Laufe des Tages 6.040 Vorfälle registriert wurden, darunter Versuche ohne Wählerausweis zu wählen, Gewalt an den Wahllokalen, das Verbrennen von Wahlpapieren sowie Parteipropaganda. Im Bundesstaat Sinaloa mussten mehrere Wahlzentren aufgrund von Drohungen bewaffneter Gruppen vorzeitig schließen und auch im Bundesstaat Michoacán wurde berichtet, dass in fünf Gemeinden, welche als Risikogebiete gelten, 19 Wahllokale schlicht nicht öffnen konnten.

 

Ein gestärktes Nationales Wahlinstitut

​​​​​​​Das INE stand in den vergangenen Wochen im Mittelpunkt der Medien und im Fokus ständiger öffentlicher Attacken AMLOs und seiner Partei, inklusive öffentlicher Morddrohungen gegen seinen Vorsitzenden und der Androhung dieses nach der Wahl grundsätzlich zu reformieren oder gar zu schließen.

Nun muss man aber konstatieren, dass es diese Bewährungsprobe mit Bravour bestanden und sich als eine für die mexikanische Bevölkerung vertrauenswürdige, solide und resiliente Institution erwiesen hat. Dies wurde nicht zuletzt von einer Reihe von internationalen Wahlbeobachtern, unter anderem der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten), in den Tagen nach den Wahlen hervorgehoben. Das INE, welches als eine der letzten und wichtigsten regierungsunabhängigen öffentlichen Institutionen des Landes dazu dient, eine Art Kontrollfunktion in den Bereichen der Korruptionsbekämpfung, der Förderung von Transparenz und auch der Meinungsfreiheit zu gewährleisten, hat sich trotz schwieriger Rahmenbedingungen (Gewalt, Pandemie) durch ein gesetzeskonformes Handeln, Unparteilichkeit, Professionalität, sowie Schnelligkeit ausgezeichnet,  da es zu dem von ihr versprochenen Zeitpunkt Ergebnisse vorgelegt und keinen Zweifel am Wahlsystem in Mexiko zugelassen hat.

 

Die wichtigsten Ergebnisse des 6. Juni 2021
Die Ergebnisse der Wahlen[1] offenbaren kein eindeutiges Bild. In den Stunden nach Schließung der Wahllokale zeigte sich ein gemischtes Szenario der Wahlergebnisse, welches es vielen Bewerbern erlaubte, eigene Siege hervorzuheben und die Verluste des jeweiligen politischen Gegners zu unterstreichen. Tatsächlich erklärten sich einige Kandidaten wie u. a. Samuel García (Movimiento Ciudadano) und Adrián de la Garza (PRI) noch am Wahlabend selbst zu den Wahlsiegern im Bundesstaat Nuevo León. Dem Beispiel dieser verantwortungslosen Ankündigung folgten im ganzen Land einige weitere, noch bevor das INE seine ersten Prognosen und Hochrechnungen überhaupt veröffentlicht hatte. Einen eindeutigen und überragenden Sieger gibt es bei diesen Zwischenwahlen trotzdem nicht. Keine der erwarteten Maximalszenarien ist eingetreten: Weder gelang es der MORENA-Koalition eine qualifizierte Mehrheit zu erzielen, noch gelang es der Oppositionskoalition die einfache Mehrheit eben dieser Regierungskoalition zu brechen. Somit blieb im Wesentlichen der Status quo erhalten, wenn auch mit einigen signifikanten Gewichtsverschiebungen, die die Verhandlungsfähigkeiten und –bereitschaft von MORENA und des Präsidenten selbst auf die Probe stellen werden. Sollte man es trotzdem versuchen, von Gewinnern und Verlierern im Nachgang dieser Wahlen im Gesamtzusammenhang zu sprechen, so könnte man sagen, dass vor allem kleinere und bislang schwächere Parteien wie das MC und die Grünen greifbare und signifikante Gewinne im historischen Vergleich erzielen konnten, sich bei der PAN und MORENA Gewinne und Verluste die Waage hielten, PRD und PRI hingegen überwiegend verloren haben.

 

Den vollständigen Länderbericht finden Sie hier als PDF.

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