Überraschung und Besorgnis nach den Vorwahlen in Uruguay - www.kas.de
Länderberichte
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Die geringe Wahlbeteiligung von nicht einmal 40% am ersten Junisonntag hat nun bei manchen Kommentatoren Besorgnis hervorgerufen. Während Uruguay im Demokratie-Ranking der Konrad-Adenauer-Stiftung den ersten Platz belegt, könnte es sich hier um ein erstes Krisenzeichen handeln.
Andere Beobachter unterstreichen dagegen, wie gut es den Bürgern Uruguays gelingt, sich mit Hilfe des Stimmzettels zu Wort zu melden. Die Botschaft der Vorwahlen ist klar: Uruguay will eine Mischung aus Erneuerung und Erfahrung.
Die Wahlbeteiligung ist seit den Vorwahlen von 1999 um 15 Prozentpunkte zurückgegangen. 10% der Wähler haben einen leeren Stimmzettel (voto en blanco) abgegeben. Dies kann man zwar als Krisenzeichen deuten. Aber ein Diskussionsteilnehmer bei der medienwirksamen Wahlanalyse-Veranstaltung von der Katholischen Universität und der KAS (siehe Dokumentation in spanischer Sprache im Anhang) formulierte die gegenteilige Hypothese: Wenn bei einer nicht verpflichtenden Wahl 10% eigens hingehen, um sich aktiv zu enthalten, dann sind das „die wahren Ajatollahs“ des Wahlsystems. Sie drücken ihren Nonkonformismus systemkonform aus.
Niemand hatte daran gezweifelt, dass der Favorit für das Präsidentenamt, der 74jährige Ex-Präsident Tabaré Vázquez die Vorwahl seines Parteienbündnisses (Frente Amplio) haushoch gewinnen würde. Er erreichte dann auch 82% (244.060 Stimmen) gegen die Vertreterin des linken Flügels Constanza Moreira (18%, 53.093 Stimmen).
Aber es gab auch drei handfeste Überraschungen: Erstens musste die vom gegenwärtigen Staatspräsidenten José Mujica unterstützte parteiinterne Liste (MPP) eine herbe Niederlage einstecken (2009: parteiintern 33%, 2014: 12%). Zweitens hat der Frente Amplio mit dem jungen Raúl Sendic (41) einen neuen Shooting-Star. Seine Liste errang parteiintern 22% der Stimmen, 20 Prozentpunkte mehr als 2009. Offensichtlich wollten auch die Anhänger des erfahrenen Ex-Präsidenten Vázquez, der von Sendic unterstützt wurde, ein deutliches Zeichen der Erneuerung setzen.
Für die dritte und größte Überraschung sorgten die Blancos (Partido Nacional). Denn die Zeichen stehen auch bei ihnen auf Erneuerung. Wie der Medienliebling unter den politischen Analysten Uruguays, Ignacio Zuasnabar, bei der KAS-Veranstaltung am 16. Juni betonte, hatten alle Umfrageinstitute in den Monaten vor der Wahl den rasanten Aufstieg des jungen Kandidaten Luis Lacalle Pou (41) richtig beschrieben. Dass er den sehr erfahrenen ehemaligen Präsidentschaftskandidaten seiner Partei Jorge Larrañaga (57) aber gleich um 9 Prozentpunkte übertreffen würde, hatte niemand vorausgesehen (222.147 vs. 185.703 Stimmen; 54% vs. 45%). Das kommt einem kleinen Erdbeben gleich. Nicht nur Larrañaga selbst zeigte sich erschüttert.
Uruguay scheint aber zufrieden zu sein mit dem Ergebnis seiner Vorwahlen. Die Botschaft wurde verstanden. Larrañaga hat sich inzwischen als Vizepräsidenten-Kandidat seinem jungen Herausforderer Luis Lacalle Pou (Sohn des Expräsidenten Luis Alberto Lacalle) angeschlossen.
Und der Frente Amplio hat Raúl Sendic als junges Gegengewicht dem bewährten und beliebten Tabaré Vázquez in der Wahlformel zur Seite gestellt.
Bei den Colorados gibt es noch keinen offiziellen Vize-Kandidaten. Pedro Bordaberry hatte erwartungsgemäß mit 74% über José Amorín Batlle gesiegt. Bordaberry ist übrigens Sohn des Präsidenten der siebziger Jahre, Juan María Bordaberry (1928-2011), und Raúl Sendic ist der Sohn des Rebellenführers Raúl Sendic (1925-1989).
Während der für seine frischen Polemiken bekannte Politikwissenschaftler Adolfo Garcé Krisenanzeichen aus dieser Vorwahl herausliest und vor allem die niedrige Wahlbeteiligung betont, lenkt Rafael Piñeiro (siehe Anhänge in spanischer Sprache) den Blick auf die Stabilität des Systems in der Langzeitperspektive.
Uruguay hat eine Entwicklung von einem Zweiparteiensystem (Blancos und Colorados) über ein Dreiersystem (Blancos, Colorados, Frente Amplio) hin zu einem Dualismus neuen Typs (Traditionelle Parteien versus Frente Amplio) durchlaufen.
Offenbar wird die Grenze zwischen den traditionellen Blancos und Colorados immer durchlässiger. Die Analysten vermuten, dass viele Anhänger der Colorados, bei denen die Vorwahl vorab entschieden und ihre Stimme deshalb ohne Gewicht war, bei den Blancos für Lacalle Pou gestimmt haben. Diese „Leihstimmen“ uruguayischer Art haben die Wahl sicherlich nicht entschieden, aber möglicherweise für den deutlichen Vorsprung des Newcomer gesorgt.
Bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober wird nun mit einer Polarisierung zwischen Luis Lacalle Pou und Tabaré Vázquez gerechnet: Erneuerung versus Erfahrung.
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